Auf dem Wasser gelten die gleichen Gesetze wie auf den Straßen. Damit diese auch eingehalten werden, ist täglich die Berliner Wasserschutzpolizei im Einsatz. Auf der Spree geht es meist gesittet zu.
Das Steuerrad der „Eisvogel“ misst einen guten halben Meter. Polizeiobermeisterin Kathrin kurbelt und kurbelt mit beiden Händen, gibt kurz Zwischengas, kurbelt weiter. Das gut 13 Meter lange Boot durchschneidet die Spree, macht einen Bogen und legt dann, ganz sanft, ohne auch nur den leisesten Rumms, steuerbord an dem ausrangierten Passagierschiff an. „Bitte sehr“, sagt die Polizistin mit dem langen blonden Zopf zu ihren Kollegen und öffnet das Fenster in der Kajüte, um besser beobachten zu können, was nun draußen vor sich geht. Michael Hügel und Steffen Karlguth schnappen sich ihre weißen Mützen mit den dunkelblauen Schirmen und der Goldkordel vom Tisch. Der Einsatz geht los.
Die Flüsse, Kanäle und Seen Berlins sind das Revier der Wasserschutzpolizei, im Polizeijargon kurz WSP genannt. Zwischen Oberbaumbrücke und Müggelsee, Teltowkanal und Seddinsee sind die gut 40 Kollegen der Wache Ost in Treptow zuständig. Hinter Kiefern und Buchen versteckt an einem Ende der Baumschulenstraße liegt ihre Wache mit den großen Bootshallen an der Spree. Bei Dienstantritt zur Zwölfeinhalb-Stunden-Schicht am Morgen um 6.30 Uhr zwitschern dort die Vögel.
Polizisten kontrollieren Hausboote und Liegestellen
An diesem Vormittag will der verantwortliche Bootsführer Oberkommissar Michael Hügel (43) auf der Streife Hausboote und Liegestellen kontrollieren. Mit dabei sind Kommissar Steffen Karlguth (41) und Polizeiobermeisterin Kathrin (38), die ihren Nachnamen nicht so gern in der Zeitung lesen möchte. In der Halle liegen die „Sturmmöwe“, die „Eisvogel“ und die „Albatros“. Das modernste Boot mit Jetantrieb lassen sie unbeachtet. Sie nehmen meistens das mit der Nummer 32, die Eisvogel, ein Löschboot Baujahr 1968. „Unkaputtbar“, sagt Hügel.
Die Beamten der Wasserschutzpolizei machen eigentlich das, was ihre Kollegen auf der Straße in den Kiezen auch tun. Streife fahren, den Verkehr kontrollieren, Unfälle aufnehmen. Präventionsarbeit. Menschen retten. Auch mal Leichen bergen. Und trotzdem ist die Arbeit bei der Wasserschutzpolizei anders. Vielleicht ist „gesitteter“ das richtige Wort: Die weißen Uniformhemden, das freundliche Grüßen, wann immer die Kollegen ein anderes Boot passieren, ganz gleich ob Partyfloß oder Binnenschiffer. Die gedrosselte Geschwindigkeit – schneller als das vorgeschriebene Tempolimit von zehn Kilometern pro Stunde geht es selten zur Sache, damit die Welle des Bootes nicht zu viele Schäden am Ufer und an liegenden Schiffen anrichtet. Und das Blaulicht auf dem Dach heißt hier nicht Blaulicht, sondern „blaues Funkellicht“. Es wippt im Gang der Wellen auf und ab.
Wohnen auf dem Wasser ist beliebt
Es geht Richtung Oberbaumbrücke. „Wir fahren zu Tal“, sagt Hügel, und deutet auf die roten Tonnen im Wasser rechts neben der „32er“. „Rot rechts runter“ heißt der Merkspruch. Flussabwärts also. In die andere Richtung, gen Müggelsee, sind vor allem am Wochenende besonders viele Freizeitskipper unterwegs. Jetzt aber kann man die Kohleschiffer vor dem Kraftwerk beobachten. Auf der Lichtenberger Seite kommen die ersten Liegeplätze der Wohnschiffe ins Blickfeld. Wohnen auf dem Wasser ist offenbar beliebt. „Es gibt mittlerweile zu wenig Liegeplätze“, sagt Karlguth.
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Jetzt werden zwei solcher Schiffe ohne offiziellen Liegeplatz kontrolliert. Auf Höhe des Treptower Parks wurden die zwei ausgedienten Ausflugsschiffe, die heute als Hausboote dienen, an Pfählen befestigt. Ein Schwimmsteg führt auf das begrünte Vorderdeck. Sogar ein Briefkasten ist schon daran angebracht. Die Schiffe haben ihren Liegeplatz verloren und erst einmal hier festgemacht. Bei den Behörden versuchen die Eigentümer gerade, die erforderlichen Genehmigungen zu bekommen. Die Kollegen kennen die Eigner schon gut.
Klientel für Alkoholdelikte
An diesem Tag wollen Karlguth und Hügel an Bord, um bestimmte Auflagen zu kontrollieren. Zur Hochwasserzeit sind die Berliner Schleusen ein wenig weiter geöffnet als sonst üblich, um die umliegenden Gewässer zu entlasten. Dadurch ist die Strömung höher. Schiffe wie diese heimatlosen Hausboote, die an keinem Platz fest liegen und keinen eigenen Motorantrieb mehr haben, müssen deshalb Auflagen erfüllen.
Die Gefahr besteht darin, dass die Schiffe vom Strom aus ihrer Befestigung gerissen werden könnten und dann unmanövrierbar auf der Spree treiben. Deshalb soll 24 Stunden am Tag eine Wache auf den Schiffen sein. Doch Hügel und Karlguth treffen niemanden an. Die Wasserschutzpolizisten müssen also selbst die Wache übernehmen, bis die Eigner zurückkommen. Nach einer Stunde kommt ein junger Mann. Er war einkaufen. Ihn erwartet ein Bußgeld, wegen nicht eingehaltener Auflagen – und Gebühren für die Wartezeit der Beamten werden wohl auch dazu kommen.
Beschwerden über Partyschiffe häufen sich
Weiter geht es. „Da drüben liegen diese neuen Grillboote“, sagt Hügel und zeigt auf orangefarbene runde Boote mit Sonnenschirm, die komplett mit Grillset gemietet werden können. Für die Wasserschutzpolizei sind die Partygäste auf den Grillbooten, den Flößen und kleinen Schlauchbooten mit Außenborder oft Hauptklientel für Alkoholdelikte. „Die wenigsten Leute wissen, dass auf dem Wasser die gleichen Grenzen gelten wie im Straßenverkehr“, sagt Hügel. Bei 0,5 Promille Ordnungswidrigkeit, ab 1,1 Promille am Ruder eine Straftat. Auch der Lärm der Partyschiffe ist gerade vor den Neubauten an der Stralauer Halbinsel, wo die Anwohner eigentlich die Idylle der Spree suchen, ein wachsendes Problem. „Da gibt es immer wieder Beschwerden.“
Die Kollegen an Bord der „32er“ sind bei Einsatzhundertschaften gewesen, bevor sie sich bei der Wasserschutzpolizei beworben haben. Steffen Karlguth erzählt, er habe schon in der Ausbildung bei einem Praktikum beschlossen, dass er einmal dort arbeiten möchte. Viele Kollegen hätten auch privat einen Hang zum Wasser, sagt Hügel. Er persönlich gehe gerne mal angeln. Hügel ist seit zweieinhalb Jahren bei der Wache Ost. Das Revier lerne man schnell kennen, sagt er. „Nur die genauen Stromkilometer muss ich manchmal noch nachschauen.“ Auch die Leute, die entlang des Wassers arbeiten, seien bald Altbekannte, sagt der Oberkommissar. „Da fährt man dann auch mal vorbei und fragt, ob alles okay ist.“