Berlin muss in eine neue Sparrunde einsteigen, das ist den Bürgern klar. Nach dem Einwohnerschwund durch die Volkszählung, der die Hauptstadt fast 180.000 Bewohner gekostet hat, sinken die Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich um voraussichtlich fast eine halbe Milliarde Euro pro Jahr.
Die Landespolitiker von SPD und CDU mühen sich, die Lücke zu schließen. Nach dem Berlin-Trend im Auftrag der Berliner Morgenpost und der RBB-„Abendschau“ haben die Berliner dazu klare Prioritäten.
Nur jeder neunte Berliner (elf Prozent) ist dafür, die Ausfälle durch höhere Schulden auszugleichen. Senat und Koalition dürfen sich bestätigt fühlen in ihrem Kurs, nicht in zusätzliche Kredite flüchten zu wollen. Jeder Fünfte ist dafür, die Einnahmen über höhere Gebühren und Steuern zu steigern. Diesen Weg präferiert die SPD.
Eine deutliche Mehrheit von 56 Prozent spricht sich jedoch dafür aus, bei den Ausgaben zu kürzen. Diese Präferenz ist quer durch alle Altersgruppen und politische Vorlieben festzustellen.
Allein die Anhänger der Piraten fallen aus dem Rahmen. Hier sind 50 Prozent für höhere Einnahmen, nur 42 Prozent für gekürzte Ausgaben. Und auch die Linke-Anhänger sprechen sich zu 35 Prozent überproportional häufig dafür aus, Steuern und Abgaben zu erhöhen.
Die Unterstützer der Koalitionsparteien von SPD und CDU, die derzeit eine politische Debatte über den richtigen Kurs zur Haushaltskonsolidierung austragen, unterscheiden sich in ihren Vorlieben nur in Nuancen voneinander und geben annähernd die allgemeine Meinung in der Stadt wieder.
Wo Berlin am ehesten sparen sollte
Die Meinungsforscher von Infratest Dimap, die zwischen dem 7. und 10. Juni 2013 1000 wahlberechtigte Berliner befragten, wollten es aber genauer wissen. Die Menschen sollten sagen, wo denn Berlin am ehesten sparen sollte. Jeder Befragte musste sich für ein Thema entscheiden. Die Ergebnisse taugen nur zum Teil als praktische Handlungsanweisungen für die Politik, weil sie zum Teil Vorhaben betreffen, die nicht aus der Landeskasse, sondern vom Bund finanziert werden. Die Materie ist kompliziert: Immerhin 26 Prozent trauten sich nicht zu, eine Aussage zu treffen.
Zwölf Prozent nannten den Flughafen BER als mögliches Sparziel. Überproportional häufig kommt diese Antwort aus jenem politischen Lager, dessen Anhänger den Flughafenbau mutmaßlich ohnehin skeptischer betrachten als andere: 23 Prozent der Grünen-Wähler fiel der BER als erstes Sparziel ein.
Ebenfalls oben auf der Sparliste der Bürger steht der Politikbetrieb mit den Diäten der Politiker und Veranstaltungen wie Sommerfesten und Empfängen. Zwölf Prozent sehen auch hier Sparpotenzial, größer ist der Anteil bei Linke-Anhängern (20 Prozent), Piraten-Freunden (26 Prozent) und Nichtwählern (24 Prozent).
Dabei liegen die Diäten der Berliner Abgeordneten mit 3369 Euro plus 994 Euro steuerfreier Kostenpauschale nicht besonders hoch. Auch die Budgets für repräsentative Aufgaben des Regierenden Bürgermeisters sind vergleichsweise schmal. Allerdings hatte der Rechnungshof in seinem jüngsten Jahresbericht Sparmöglichkeiten bei der hohen Zahl von 23 Staatssekretären im rot-schwarzen Senat identifiziert.
Sparpotenzial sehen viele Bürger auch beim Bauen, ohne dabei zu berücksichtigen, ob Projekte vom Bund oder vom Land Berlin finanziert werden. Vier von 100 Befragten nannten öffentliche Bauvorhaben generell, ebenso vielen fiel das Bundesprojekt Stadtschloss und die Landesbibliothek in Tempelhof ein. Drei Prozent würden sich gern den Weiterbau der Bundesautobahn A100 sparen, obwohl das Berlins Landesbudget kaum entlasten würde. Ebenso viele meinen, man sollte generell beim Straßenausbau sparen. Insgesamt sind inklusive Flughafen knapp ein Drittel der Berliner dafür, bei Bauprojekten den Rotstift anzusetzen.
Neun Prozent sehen Reserven in Ämtern und Behörden
Im Blick haben die Berliner auch die Verwaltung, die tatsächlich der Verantwortung des Senats unterliegt. Knapp jeder zehnte Befragte (neun Prozent) sieht noch Reserven in Ämtern und Behörden.
Nur jeder 20. Berliner würde zunächst die Sozialausgaben beschneiden. In allen politischen Lagern und in allen Altersgruppen sind es um die fünf Prozent, die bei Leistungen für Arme, Behinderte oder Arbeitslose ansetzen wollen. Nur unter den Anhängern sonstiger Parteien, zu denen in Berlin die FDP gehört, gilt der Sozialbereich als größte Sparmöglichkeit.
Zum Tabu erklären die Bürger dagegen die Bildung. Das Gleiche gilt für Wirtschaftsförderung wie auch für Großveranstaltungen oder Hauptstadt-Marketing. Alle diese Themen werden von einem Prozent genannt. Innere Sicherheit/Polizei und Umwelt, Sport, Erholung werden gar nicht als Sparoptionen erwähnt. Zwei Prozent sprechen sich dafür aus, überall gleichermaßen Ausgaben zu kürzen. Sieben Prozent wollen gar nicht sparen.
Zufriedenheit mit Wowereit stabil
Der Blick der Berliner auf ihren Regierenden Bürgermeister ist übrigens nicht negativer geworden. Wie bei der Umfrage im April 2013 sind 32 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden. Wowereits Ansehen ist stabil.