Berlin-Trend

Berlins Koalition gewinnt Vertrauen, Spitzenleute schwächeln

| Lesedauer: 7 Minuten
Joachim Fahrun

Foto: dpa

31 Prozent der Berliner sind mit der Arbeit des rot-schwarzen Senats zufrieden. SPD und CDU legen in der Wählergunst zu. Die Top-Leute Wowereit und Henkel schwächeln – im Gegensatz zum Finanzsenator.

Die Berliner fassen allmählich wieder Vertrauen in ihre Regierung. Die Zahl derjenigen, die mit der Arbeit des rot-schwarzen Senats zufrieden sind, ist von einem schwachen Niveau von 27 Prozent auf 31 Prozent gestiegen, die der Unzufriedenen entsprechend auf 64 Prozent gesunken. Gleichzeitig haben beide Koalitionsparteien, SPD und CDU, in der Gunst der Wähler zugelegt.

Das hat jedoch nichts mit dem Spitzenpersonal zu tun. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU) bleiben weit entfernt davon, so beliebt zu sein, wie das für andere Landesväter in der Republik üblich ist. Das hat der Berlin-Trend der Berliner Morgenpost und der RBB-„Abendschau“ ergeben. Demnach bleibt die CDU weiter stärkste Partei. Die Union steigerte ihr Ergebnis aus dem April 2013 noch einmal um einen Prozentpunkt und kommt im Juni auf 29 Prozent. Das ist der beste Wert, den der Berlin-Trend von Infratest Dimap seit mehr als sechs Jahren für die Berliner CDU erhoben hat.

Die SPD konnte ebenfalls zulegen und erreicht jetzt 26 Prozent (plus zwei). Damit bleibt die größte Regierungspartei aber noch immer unter ihrem Ergebnis zur Abgeordnetenhauswahl im September 2011 (28,3 Prozent). Die Grünen setzen ihren Aufwärtstrend fort. Am Ende des Jahres 2011 lagen sie nach dem verkorksten Abgeordnetenhaus-Wahlkampf nur noch bei 16 Prozent. Seither ging es stetig bergauf für die größte Oppositionspartei, zuletzt noch einen Punkt auf 22 Prozent.

SPD, CDU und Grüne legen in Berlin zu, Linke und Piraten verlieren

Die großen drei Parteien ernährten sich von den Kleinen. Die Linke büßte zwei Punkte ein und liegt bei elf Prozent. Die Piraten rutschten einen Punkt ab und bleiben mit vier Prozent erstmals seit der Wahl unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die im Bund regierende FDP bekommt in Berlin kein Bein auf die Erde und stagniert bei zwei Prozent, die Sonstigen vereinen sechs Prozent auf sich.

Die Verschiebungen zugunsten der großen Koalition und der Grünen im Meinungsbild der Berliner spielten sich zwischen April und Juni nur im Ostteil der Stadt ab, wo es in der Regel ohnehin größere Verschiebungen zwischen den politischen Lagern gibt als in den westlichen Bezirken.

Im Westen hat sich diesmal überhaupt nichts messbar verändert. Im Ostteil scheint die dezidiert linke Politik vor allem der SPD-Fraktion, die nun die Rekommunalisierung von Wasser und Stromnetz sowie stärkeren Einsatz für den sozialen Wohnungsbau fordert, Früchte zu tragen. Die SPD konnte im Osten vier Prozentpunkte zulegen, CDU und Grüne jeweils zwei Punkte. Offenbar ging das zulasten von Linken und Piraten, die fünf beziehungsweise drei Punkte einbüßten.

CDU positioniert sich als Partei der Mittelschicht

Der SPD gelingt es zunehmend, an ihren Ursprung als Arbeiterpartei anzuknüpfen. Unter den Berlinern mit Haupt- oder Volksschulabschluss erreicht die SPD jeden Dritten (34 Prozent). Die CDU hingegen positioniert sich als Partei der Mittelschicht, 35 Prozent der Menschen mit mittlerem Schulabschluss würden für die Union stimmen. Und die Grünen bleiben mit 34 Prozent die Partei der besser Gebildeten mit Abitur oder höherer Bildung.

Insgesamt hat die rot-schwarze Koalition also nicht schlecht abgeschnitten im Berlin-Trend, für den Infratest Dimap zwischen dem 7. und 10. Juni 1000 wahlberechtigte Berliner am Telefon befragte. Mit gemeinsam 55 Prozent konnten die Regierungsparteien die Zustimmung im Vergleich zum Wahlergebnis vom September 2011 (zusammen 51,6 Prozent) deutlich steigern.

66 Prozent der im Berlin-Trend Befragten sind unzufrieden mit Wowereit

Nur ihre Spitzenleute bringen den Regierungsparteien wenig Rückenwind. Klaus Wowereit bleibt ein wenig beliebter Regierungschef. Nur 32 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden, 66 Prozent zeigten sich hingegen unzufrieden. In diesem Januar war Wowereit nach der erneuten Absage der Flughafen-Eröffnung noch stärker in Ungnade gefallen, konnte diesen Sympathieverlust bis zum April aber wieder aufholen. Seitdem stagniert die Zufriedenheit mit dem Regierungschef auf niedrigem Niveau.

Offenbar erwarten auch die SPD-Anhänger nicht mehr viel von Wowereit. Die Sympathiewerte im eigenen Lager sind so niedrig wie nie. Nur noch 47 Prozent der SPD-Wähler zeigen sich zufrieden mit Wowereit, 53 Prozent sind unzufrieden. Im April waren 51 Prozent mit Wowereits Arbeit einverstanden, im Januar hatte Wowereit im SPD-Lager noch bei 56 Prozent Zufriedenheit ausgelöst. Die Zeiten, in denen Wowereit vor allem unter den SPD-Anhängern frenetisch gefeiert wurde und Sympathiewerte von 70 Prozent erreichte, sind offenbar vorbei.

Jeder dritte Berliner kennt CDU-Chef Henkel nicht

Sein Koalitionspartner und Kontrahent Frank Henkel kann von dieser anhaltenden Schwäche Wowereits jedoch nicht profitieren. Mehr als jedem dritten Berliner ist der Innensenator noch unbekannt, oder sie können sich kein Urteil erlauben. Aber von denen, die ihn kennen, sind mehr unzufrieden als zufrieden.

29 Prozent schätzten Henkels Arbeit positiv ein, das sind drei Punkte weniger als im April. 34 Prozent sind unzufrieden. Offenbar hat die Debatte über den Umgang mit den Informationen zur Terrorgruppe NSU dem obersten Chef der Sicherheitsbehörden geschadet. Im eigenen Lager finden 59 Prozent den CDU-Landesvorsitzenden gut. Aber auch unter den CDU-Sympathisanten hat der Innensenator an Beliebtheit verloren. Vor einigen Monaten waren noch deutlich mehr als 60 Prozent mit dem CDU-Chef zufrieden.

Mit Finanzsenator Nußbaum sind die meisten Berliner zufrieden

Bestätigt fühlen in seinem Kurs darf sich hingegen der Finanzsenator. Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) führt die Rangliste der Landespolitiker mit 38 Prozent Zufriedenheitswert (plus drei) bei einer Bekanntheit von fast zwei Drittel der Bürger mit Abstand an. Zudem sind mit Nußbaum auch deutlich weniger Berliner unzufrieden (24 Prozent) als ihn positiv einschätzen. Der parteilose Ex-Unternehmer genießt zudem in fast allen politischen Lagern Sympathien.

Die als potenzielle Nachfolger von Wowereit gehandelten SPD-Politiker Jan Stöß, Parteichef, und Raed Saleh, Fraktionschef, sind bisher nur jeweils etwa jedem fünften Berliner bekannt. Unter denen, die sie kennen, genießen beide fast dieselben Sympathiewerte. Die Oppositionspolitiker Ramona Pop (Grüne), Udo Wolf (Linke) und Christopher Lauer (Piraten) sind keine Bedrohung für die prominentesten Senatspolitiker.

Ramona Pop hat an Anerkennung der Berliner verloren. Mehr als die Hälfte sagt zudem, dass die Politikerin ihnen nicht bekannt ist. Für den Fraktionschef der Piraten, Christopher Lauer, sieht es noch schlechter aus. Auch er hat an Zustimmung eingebüßt, sein Bekanntheitsgrad aber ist noch geringer als der von Ramona Pop. Das dürfte sich so schnell auch nicht ändern, denn Lauer hat kürzlich überraschend seine Kandidatur zur Wiederwahl zurückgezogen.

Am meisten an Zustimmung verloren hat der Linken-Fraktionschef Udo Wolf . Er büßte sieben Prozentpunkte ein.