Hauptstadtflughafen

BER kostet Flughafengesellschaft 34 Millionen Euro pro Monat

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Thomas Fülling

Foto: Hannibal Hanschke / dpa

Das drückt auf die Bilanz: Der BER verschlingt monatlich allein 20 Millionen Euro an Betriebskosten. 2012 machte die Flughafengesellschaft deshalb 185 Millionen Euro Verlust – obwohl Tegel wächst.

Eigentlich könnte Hartmut Mehdorn mehr als zufrieden sein. Die von ihm geführte Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) eilt von einem Rekord zum anderen, vor allem der innerstädtische Flughafen in Tegel beschert dem Unternehmen kräftig steigende Einnahmen. Insgesamt fast 25,3 Millionen Passagiere wurden im Vorjahr in Tegel und am weitaus schlechter ausgelasteten Airport Schönefeld insgesamt abgefertigt. Der drittgrößte Flughafen-Standort in Deutschland ist mit 5,1 Prozent dabei deutlich stärker gewachsen als der Luftverkehrsmarkt. Und bei den Direktpassagieren, also denjenigen, die nicht gleich weiterfliegen, habe Berlin sogar München hinter sich gelassen und sei nach Frankfurt am Main die Nummer zwei in Deutschland, verkündete Mehdorn sichtlich selbstbewusst am Donnerstag bei der Vorstellung der Geschäftsbilanz für 2012.

Doch die geplatzte Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER hat den staatlichen Flughafenbetreiber tief in die roten Zahlen gedrückt. Unterm Strich stand ein Fehlbetrag von 185 Millionen Euro, rund 110 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Laut Flughafenchef Mehdorn belastet der ungenutzte BER-Neubau in Schönefeld die Bilanz derzeit monatlich mit 34 Millionen Euro – 20 Millionen Euro durch Betriebskosten für das Gebäude, weitere 14 Millionen Euro durch entgangene Einnahmen. Bislang hatte der Flughafen nur die zweite Zahl bestätigt.

Erlöse aus dem BER fehlen der Flughafengesellschaft

„Was uns fehlt, sind die Erlöse aus dem neuen Flughafen. Dann hätten die Zahlen deutlich anders ausgesehen“, sagte Heike Fölster, die erst vor wenigen Wochen ihr Amt als Finanz-Geschäftsführerin bei der FBB angetreten hat. Der Umsatz war vor allem dank der stark gestiegenen Passagierzahlen am Altflughafen Tegel (18,2 Millionen Fluggäste) um drei Prozent auf 270 Millionen Euro gestiegen.

Dem gegenüber stehen jedoch deutlich höhere Ausgaben. Nach FBB-Angaben sind die laufenden Aufwendungen insbesondere aufgrund der Risikovorsorge und des Beginns der Leasingzahlungen für Parkhäuser und andere Gebäude am bislang nicht eröffneten BER auf 382 Millionen Euro gestiegen – ein Plus gegenüber 2011 von fast 100 Millionen Euro. Da außerdem noch Zinsen für bestehende Baukredite gezahlt und neue Kredite aufgenommen wurden, blieb unterm Strich ein dickes Minus von 185 Millionen Euro stehen. Insgesamt hatte die FBB Ende 2012 mehr als 2,5 Milliarden Euro Schulden.

FBB-Chef Mehdorn sieht noch keine finanzielle Schieflage

Laut Mehdorn steht die Flughafengesellschaft dennoch aktuell vor keiner finanziellen Schieflage. So hatten die Flughafen-Gesellschafter – die FBB gehört zu 26 Prozent dem Bund und zu je 37 Prozent den beiden Bundesländern Berlin und Brandenburg – im Vorjahr eine Finanzspritze von 1,2 Milliarden Euro bewilligt. Davon hat die FBB Anfang 2013 eine erste Zahlung über 192 Millionen Euro abgerufen. Das Geld reicht voraussichtlich bis zum Herbst, dann soll entschieden werden, wie viel Geld in einer zweiter Tranche abgerufen werde.

Für Flughafen-Chef Mehdorn ist indes klar: Um langfristig ein finanzielles Desaster zu verhindern, muss der neue Flughafen so schnell wie möglich in Betrieb gehen. Mehdorn geht dabei weiter den Weg, den neuen Airport schrittweise zu eröffnen. „Was fertig ist, geht in Betrieb“, sagte er am Donnerstag. So wird am 3. Juli das neue Frachtzentrum am BER eröffnet, anschließend sollen die fertigen Parkhäuser, die Feuerwachen, die Zoll-Einrichtungen und der unterirdische Bahnhof mit der Arbeit beginnen. Mehdorn hält zudem an dem Plan fest, den Nordflügel des Terminals, der mit einer deutlich einfacheren Ausstattung für die Billigfluggesellschaften vorgesehen ist, möglichst rasch in Betrieb zu nehmen. Über einen solchen Schritt verhandele er mit den drei Fluggesellschaften Easyjet, Condor und Norwegian Airlines, die schon am benachbarten alten Flughafen Schönefeld ansässig sind. Ziel sei es, mit etwa 2000 bis 3000 Fluggästen am Tag alle wichtigen Einrichtungen am neuen Flughafen zu testen.

„Mitte Juli werden wir entscheiden, ob wir es definitiv machen“, kündigte Mehdorn an. Nicht in jedem Fall brauche man dafür den Bahnhof und die Gepäckanlage unter dem Hauptgebäude des Terminals, in dem die Brandschutzprobleme noch immer nicht behoben sind. Allerdings hatten zumindest Easyjet und Condor bisher wenig Interesse an einer solchen Zwischenlösung gezeigt. „Das bringt weder den Passagieren noch unserer Gesellschaft einen Mehrwert“, sagte ein Condor-Sprecher vor Kurzem der Berliner Morgenpost.

Mehdorn will BER-Südbahn endlich nutzen

Auch die längst fertiggestellte, aber noch immer luftrechtlich nicht genehmigte neue Südbahn wird für eine solche BER-Teileröffnung nicht unbedingt gebraucht. Dennoch will Mehdorn die neue, 4000 Meter lange Betonpiste endlich in Betrieb nehmen. Eine entsprechende Genehmigung sei jetzt bei dem dafür zuständigen brandenburgischen Verkehrsministerium gestellt. Ein Eröffnungstermin lasse sich daraus nicht ableiten. Die Piste werde zunächst für Testflüge und für Notfälle gebraucht.

Mehdorn erinnerte daran, dass erst vor Kurzem ein kleiner Geschäftsflieger mit einer Bruchlandung dafür gesorgt hatte, dass Schönefeld für sieben Stunden geschlossen werden musste und die Flugzeuge auf umliegende Airports umgeleitet werden mussten. „Das gibt es nur in Deutschland, dass ein Flughafen eine zweite Landebahn hat, sie aber nicht mal im Notfall nutzen darf“, sagte Mehdorn. Die Betriebsgenehmigung für die Südbahn gilt unter Experten vor allem als Voraussetzung dafür, dass der BER als Ganzes überhaupt in Betrieb genommen werden kann. Denn das Betriebskonzept basiert auf gleichzeitigen Starts und Landungen von zwei parallel betriebenen Start- und Landebahnen.

Allerdings: Nach der Baugenehmigung für den BER muss spätestens sechs Monate nach dessen Inbetriebnahme der Flughafen Tegel endgültig geschlossen werden. Mehdorn will den Innenstadt-Flughafen jedoch länger offen halten. Zum einen, um ausreichend Zeit für einen schrittweisen Umzug zum neuen Airport zu haben, zum anderen muss auch die Nordbahn in Schönefeld dringend saniert werden. Das ist bislang für 2018 geplant – Tegel müsste dann längst geschlossen sein. Wie Mehdorn aus dieser „strategischen Falle“ herauskommen will, ließ er am Donnerstag offen. Erst im September will er dem Flughafen-Aufsichtsrat ein Gesamtkonzept für die BER-Eröffnung mit einem genauen Zeit- und Kostenplan vorlegen. Mehdorn warnte erneut vor weiteren Kostensteigerungen beim Schallschutz, sollte das Urteil des Berlin-Brandenburger Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bestand haben. Es hatte den Flughafen verpflichtet, das strenge Schutzniveau zu gewährleisten, das die Planfeststellung vorsieht.

Aktuell stehen für Schallschutz-Maßnahmen 620 Millionen Euro bereit. Laut Flughafen sind aber weitere Steigerungen möglich. Denn nach dem OVG-Beschluss hätten bis zu 90 Prozent der Anwohner Anspruch auf eine Geld-Entschädigung, die nicht zweckgebunden ist. Bauen sie damit keinen Schallschutz ein, könnten sie auf Grundlage des Fluglärmgesetzes Fenster und Lüfter nachfordern. „Ordentliche Leute würden das gar nicht probieren“, sagte Mehdorn. „Aber man kann nicht ausschließen, dass es welche tun.“ Mehdorn erwägt, das OVG-Urteil anzufechten, um die Kosten für den Schallschutz zu drücken.