1. Mai in Berlin

Spatenstich für Mörchenpark auf dem Holzmarkt-Gelände

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Alexandra Kilian und Nele Obermüller

Foto: © JÖRG KRAUTHÖFER / JÖRG KRAUTHÖFER

1. Mai in Berlin - Startschuss für das neue Wohn- und Kulturprojekt Mörchenpark auf dem Ex-Gelände der Bar25 in Friedrichshain. Die erste Phase begann mit Events und Ufergestaltung.

Draußen scheint die Sonne, drinnen dröhnt der Bass. Electrosound dringt durch das Gemäuer – DJ Loco Dice legt auf. Es ist zwölf Uhr. Mittags. Vor dem Berghain stehen Menschen an, dunkle Röhrenjeans, Ray-Ban-Brillen und Silbernieten beherrschen den Look. T-Shirt, graue Hose? „Sorry, Gästeliste heute“, sagt der Mann in Schwarz zu einem Gast. Mutig stellt sich die Nächste der Türpolitik. „Engel ist nicht“, bekommt das Mädchen in Weiß zu hören.

Während die Tanz-in-den-Mai-Veranstaltungen in anderen Clubs längst gelaufen sind, wird im Berghain weiter gefeiert. Durch den Mai statt in ihn hinein. An der Tür des 2009 vom Magazin „DJ Mag“ zum weltbesten Club der Welt gekürten Ladens steht das Programm. 23.59 bis 4 Uhr Radio Slave, 4 bis 5 Uhr Soundstream Live, 5 Uhr bis Open End Loco Dice.

Christopher, 26, hat es geschafft. Er war schon drin, seit sieben Uhr morgens tanzt er hier. „Studium beendet – wo kann man das besser feiern als hier?“, fragt er. Seinen Nachnamen möchte er nicht in der Zeitung lesen. „Meine Eltern müssen ja nicht wissen, dass ich hier auch tagsüber bin“, sagt er. Er sitzt rechts zwischen Haupt- und Seiteneingang auf einem Betonklotz, macht eine Pause an der Luft. Sein Kumpel, Kevin aus Massachusetts, sitzt daneben. Ihm geht es weniger gut. Vielleicht müsste er ihn erst einmal nach Hause bringen, sagt Christopher. Dann komme er aber wieder, schließlich sei die Party hier noch nicht vorbei. Später wolle er auch noch weiter zum Holzmarkt.

Entspannt in Zoo und Viktoriapark

Zwei Stunden zuvor, vor dem Berliner Zoo. Hannah Lautwein, Krankenschwester, ist mit ihren zwei Kindern, der zweijährigen Amelie und dem fast einjährigen Oskar, zum Tieregucken gekommen. „Das Wetter war so schön – und mein Partner, der selbstständig ist, wollte sowieso erst mal den freien Tag nutzen, um Papierkram zu erledigen“, sagt Hannah Lautwein.

Die Idee, eventuelles Chaos am 1. Mai mit einem Zoobesuch zu umgehen, haben mehrere Eltern am Mittwoch. Die Schlange von wartenden Menschen ist mehr als 100 Meter lang, die meisten Besucher sind mit Kinderwagen dabei. Auch Touristen aus aller Welt sind gekommen. Manche von ihnen wissen gar nicht, dass der Tag der Arbeit in Berlin problematisch verlaufen könnte. „Wir dachten, das wäre wie bei uns in Russland. Einfach ein schöner Feiertag ohne Demonstrationen“, sagen Eugenia Golovchenko und Kçenia Frizen. Die beiden 25-Jährigen sind im Urlaub in Berlin, wollen nach dem Zoo noch zur Museumsinsel. „Aber mal schauen, vielleicht gehen wir jetzt doch nach Kreuzberg.“

Doch auch in Kreuzberg haben die Menschen den 1. Mai friedlich genossen, zumindest im Viktoriapark. Die Schönebergerin Irina Grimm, 36, und Michal Demenstein, 30, haben sich den kleinen Park als Treffpunkt ausgesucht. „Irina und ich haben uns ganz spontan entschlossen, ein Prosecco-Picknick hier im Park zu machen“, sagt Michal Demenstein.

Pablo Geiger, 26, sein Zwillingsbruder Bo, Jan Ellerbrock, 26, und Franziska Hoffmann, 31, sind auch in den Viktoriapark gekommen. Die vier wohnen zusammen in einer Wohngemeinschaft an der Bergmannstraße – und spielen das Wurfspiel Wikinger-Schach. „Den Tag so an sich vorbeirollen zu lassen tut einfach gut“, sagt Jan Ellerbrock. „Obwohl, später geh’ ich schon noch auf die Party im Görlitzer Park.“

Volle Möhre am Holzmarkt

Später Nachmittag, Holzmarkt-Gelände. Menschen schieben sich Richtung Karussell, vorbei an Buden, Hüpfkissen und Seifenblasenwagen, an die Spree. Zu Chill-out-Musik und Bratwurstduft gibt es „Krawotten für Mörchenprinzen“, Ohrstecker namens „Ohr-Rüben“ und Kettenanhänger namens „Kupferkarotte“.

Die Holzmarkt eG feiert Spatenstich zum geplanten Wohn- und Kulturprojekt Mörchenpark auf dem Ex-Gelände der Bar25 am Spreeufer in Berlin-Friedrichshain. Die erste Phase startet mit Events, Ufergestaltung und Urban Gardening. 61 Genossen habe die Holzmarkt eG nun schon, sagt Aufsichtsratsmitglied Michael Zehden. Auch er genießt seinen freien Tag, schaut mit Snack in der Hand zu den Mengen auf dem Gelände. „Toll, dass das hier so angenommen wird“, sagt er.

Christopher hat es übrigens nicht mehr vom Berghain hergeschafft. Vielleicht hat er Freund Kevin nach Hause gebracht – und tanzt jetzt im Heizkraftwerk weiter, zumindest durch den ganzen 1. Mai.

Und so verlief der 1. Mai anderswo in Berlin.