NSU-Affäre

Der Streit zwischen Henkel und Bundesanwaltschaft eskaliert

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Jens Anker

Foto: Wolfgang Kumm / dpa

Neue Vorwürfe gegen die Berliner Sicherheitsbehörden erhöhen den Druck auf Berlins Innensenator Henkel. Dessen Popularität leidet deutlich.

Der Generalbundesanwalt hat im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen neue Vorwürfe gegen die Berliner Sicherheitsbehörden erhoben. „Die Berliner Landesbehörden haben der Bundesanwaltschaft – entgegen deren Anforderung – niemals Akten in dieser Sache übermittelt, sondern lediglich mit Schreiben vom 24. Mai 2012 ein dreiseitiges Behördengutachten“, sagte ein Sprecher des Bundesanwalts am Mittwoch.

Bislang hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) stets angegeben, er sei davon ausgegangen, dass der Generalbundesanwalt die Berliner Akten dem NSU-Untersuchungsausschuss zur Verfügung stelle, wenn er die Ermittlungen gegen das NSU-Terrortrio nicht mehr gefährdet sieht. „Das ist ein vollkommen neuer Vorwurf“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Thomas Kleineidam.

Dass die Bundesanwaltschaft die Akten angefordert habe und bis heute nicht erhalten habe, sei bislang nicht bekannt gewesen. Innensenator Henkel verwies am Mittwoch auf die Polizei, die den Vorwurf zurückwies. Der Generalbundesanwalt habe die Akten am 27. März dieses Jahres eingesehen und später angefordert. Das habe die Polizei geprüft, aber abgelehnt. Aus Sicht der Polizei hätte eine Gefährdung des rechtsextremen V-Manns bestanden, wenn die Akten weitergeleitet worden wären. „Wenn die Akten in ein Gerichtsverfahren eingeführt würden, hätten auch die Verteidiger von der Existenz des V-Mannes und dessen Klarnamen erfahren“, sagte ein Polizeisprecher.

Streit zwischen Berlin und Karlsruhe eskaliert

Damit eskaliert der Streit zwischen der Berliner Innenverwaltung und dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Am Tag zuvor hatten die Bundesermittler bereits bestritten, dass es eine Vereinbarung mit den Berliner Behörden gebe, die Unterlagen nicht an den Untersuchungsausschuss des Bundestags weiterzuleiten. Am Mittwoch wiederholte die Behörde ihren Standpunkt. „Die Bundesanwaltschaft hat das Polizeipräsidium Berlin oder dessen vorgesetzte Landesbehörde zu keinem Zeitpunkt angewiesen, aufgefordert oder gebeten, die in Rede stehenden Kenntnisse nicht an den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags weiterzuleiten“, sagte Sprecher Marcus Köhler.

Berlins amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers widersprach dieser Darstellung. Bei ihrem Besuch in Karlsruhe am 20.März dieses Jahres sei man sich darüber einig gewesen, die Akten so lange nicht weiterzuleiten, bis die Ermittlungen gegen die Zwickauer Zelle nicht mehr gefährdet seien. Henkel räumte allerdings ein, dass es darüber keine schriftliche Vereinbarung gebe.

Rechtsextremer V-Mann seit zehn Jahren im Dienst des Berliner LKA

Am vergangenen Donnerstag war öffentlich geworden, dass Berlin entgegen bisherigen Angaben in die Ermittlungen gegen das Thüringer Terrortrio um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe verwickelt ist. Ein rechtsextremer V-Mann stand seit zehn Jahren im Dienst des Berliner Landeskriminalamts und hatte mehrfach Hinweise auf „drei Gesuchte“ aus Thüringen gegeben.

Neben dem Flughafen-Desaster ist die NSU-Affäre das zweite große Thema, das die Arbeit des Senats belastet. Nur noch jeder dritte Berliner (33 Prozent) ist zufrieden mit der Arbeit des Senats, wie der aktuelle Berlin-Trend vonMorgenpost Online und der RBB-„Abendschau“ zeigt. Sogar die Vorgängerregierung aus SPD und Linke genoss kurz vor ihrer Abwahl mehr Ansehen. Besonders die Glaubwürdigkeit der Spitzenpolitiker leidet.

Nur noch 42 Prozent der Berliner halten Klaus Wowereit als Regierenden Bürgermeister für glaubwürdig, ein Minus von 21 Prozentpunkten. Frank Henkel ist nur noch für 38 Prozent der Berliner glaubwürdig.