Pädagogenmangel

Berliner Eltern suchen per Anzeige Mathematiklehrer

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Regina Köhler und Florentine Anders

Foto: Amin Akhtar

Weil an einer Sekundarschule in Berlin-Spandau zu viel Unterricht in Mathematik ausfällt, handelt der Förderverein jetzt.

Was tun, wenn Fachlehrer fehlen? Elternvertreter an der Martin-Buber-Sekundarschule in Spandau sind jetzt einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Per Online-Anzeige suchen sie seit dem 23. April zwei Mathematiklehrer. „Unterrichten im Grünen“ lautet ihr Versprechen. Auch die Schulgemeinschaft sowie „tolle Schüler, eine etwas andere Schulleitung und Raum zur individuellen Ausgestaltung des Unterrichts“ werden in der Anzeige beschworen.

1000 Euro haben die Eltern vom Förderverein der Schule bekommen, um die Anzeige bezahlen zu können. Sollte es online nicht klappen, wären sie sogar bereit, noch mehr Geld auszugeben, um auch in Printmedien entsprechende Annoncen zu schalten. Michael Just von der Gesamtelternvertretung sagt, dass die Schule einen guten Ruf zu verteidigen habe. „Die Martin-Buber-Schule gehört seit Jahren zu den besonders gefragten Schulen Berlins.“ Auch in diesem Jahr hätten sich wieder fast 100 Kinder mehr angemeldet, als Plätze vorhanden sind. Ausschlaggebend sei die Qualität des Unterrichts. Die müsse auch weiterhin aufrecht erhalten werden.

Zu wenige Fachlehrer ausgebildet

Der Schulleiter der Martin-Buber-Schule, Lutz Kreklau, äußert sich erfreut über die Initiative der Eltern. „Bisher haben sich sechs Quereinsteiger gemeldet.“ Leider komme keiner davon als Mathematiklehrer in Frage, sagt er. Problematisch sei außerdem, dass sich die Schule am Stadtrand befinde. Bei der letzten Lehrereinstellungsrunde habe es immer wieder geheißen „nicht Spandau und nicht Marzahn.“ Wenn sich doch Lehrer bereit erklärt hätten, außerhalb der Innenstadt zu arbeiten, dann hätten sie sich gleich für eine Stelle im Land Brandenburg entschieden, wo sie verbeamtet werden.

Spandaus Bildungsstadtrat Gerhard Hanke (CDU) weiß um die prekäre Lage der Martin-Buber-Oberschule. „Das ist leider kein Einzelfall“, sagt er. An vielen Schulen würden Lehrer fehlen. Nicht nur in Mathematik, sondern in allen Fachbereichen. „In den vergangenen Jahren ist einfach versäumt worden, ausreichend Fachlehrer auszubilden“, sagt Hanke. Er forderte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf, sofort zu handeln.

Zahlen der Vereinigung der Oberstudiendirektoren bestätigten den dringenden Handlungsbedarf. Demnach gibt es in Berlin bereits Oberschulen, an denen jeder dritte angestellte Lehrer einen Antrag auf Freistellung von dem mit Berlin geschlossenen Vertrag auf Beschäftigung gestellt hat. Das sind etwa 530 Lehrkräfte. Diese jungen Pädagogen wollen lieber in anderen Bundesländern arbeiten, wo sie verbeamtet werden. Hinzu kommt, dass im kommenden Jahr rund 1500 Lehrer in den Ruhestand gehen. Zum neuen Schuljahr soll es jedoch nur etwa 800 Neueinstellungen geben.

Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenatorin Scheeres, versucht indes, die Eltern zu beruhigen. Der Schulleiter der Martin-Buber-Oberschule solle erst einmal die zentralen Einstellungsrunden abwarten, die Mitte Mai beginnen würden. „Berlin ist sehr beliebt, wir haben viele Bewerber“, so Stoffers. Allein für Mangelfächer wie Mathematik, Physik oder Chemie gebe es etwa 200 Anwärter.

Lehrer Florian Bublys von der Initiative „Bildet Berlin“ kritisiert indes, dass die Bildungsverwaltung den Fachlehrermangel mit der Einstellung von Quereinsteigern ohne pädagogische Ausbildung kaschieren würde. „Auf Kosten der Unterrichtsqualität wird da Flickschusterei betrieben“, sagt er. Lange könne die Verwaltung das vor der Öffentlichkeit nicht mehr verbergen.

Auch die Grundschule auf dem Tempelhofer Feld hat sechs Wochen lang vergeblich nach einer Vertretung für die Englisch-Lehrerin gesucht, die wegen Schwangerschaft ausfiel. „Wir sind wütend und echt sauer“, schreiben die elfjährigen Schülerinnen Meta und Anouk ihrer Schülerzeitung „Schlaufuchs“. Der Schulleiter Olaf Garbe bestätigt das Problem. „Im Vertretungspool war kein Englisch-Lehrer zu finden“, sagt er.

Nur mit großem Verwaltungsaufwand habe er sich mit einer bereits pensionierten Englisch-Lehrerin behelfen können. Die Kollegin sei allerdings nur acht Stunden pro Woche einsetzbar gewesen und habe deshalb die anfallenden Stunden nicht vollständig vertreten können.

Auch im Heinz-Berggruen-Gymnasium in Westend protestieren Schüler gegen den drohenden Lehrermangel. Sie tragen Buttons mit Sprüchen wie „Achtung Lehrerwanderung“ oder „Beamte hin, Beamte her – bald haben wir keine Lehrer mehr“. Die 18-jährige Tabea hat die Button-Aktion ins Leben gerufen, um auf das Problem der Abwanderung aufmerksam zu machen. „Wir haben viele junge angestellte Lehrer, die mit dem Gedanken spielen, in andere Bundesländer zu gehen, weil sie dort verbeamtet werden“, sagt Tabea.

Aufmerksam darauf sei sie geworden, als Lehrer des Gymnasiums begonnen hatten, Schilder zu tragen mit Sprüchen wie „Hamburg, bald auch meine Perle“. Mit den Buttons wollen die Schüler ihre Solidarität zeigen. „Uns ist zwar die Verbeamtung egal, aber wir sind die Hauptleidtragenden, wenn die jungen Lehrer gehen“, sagt Tabea.

Deshalb will sie, dass Berlin attraktiver wird für junge Pädagogen. Insgesamt 400 Buttons hat sie bereits verteilt. Über Schülervertretungen versucht sie, weitere Schulen zum Mitmachen zu gewinnen. Mit Johanna vom Fichtenberg-Gymnasium hat sie bereits eine Verbündete gefunden. „Wir sind zwar noch nicht so stark betroffen, weil bei uns viele ältere Lehrer unterrichten“, sagt die 16-Jährige. Doch wenn die pensioniert werden würden, hätten auch sie ein großes Problem.