In einer Woche, am 8. Februar 2012, unmittelbar nach den Winterferien, beginnt der Anmeldezeitraum für die weiterführenden Schulen. Bis zum 22. Februar 2012 haben Eltern Zeit, eine Oberschule für ihr Kind zu wählen. Morgenpost Online sprach mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) über das Auswahlverfahren der Schulen und darüber, wie Lehrer in Berlin gehalten werden können.
Morgenpost Online: Frau Scheeres, seit 2011 gibt es ein neues Auswahlverfahren, nach dem sehr beliebte Schulen sich richten müssen. Demnach spielt das Wohnortkriterium keine Rolle mehr, stattdessen sind nun die Leistungen der Schüler ausschlaggebend. Im Koalitionsvertrag steht, dass dieses Verfahren weiterentwickelt werden soll. Wie weit sind Sie damit, wird es Veränderungen geben?
Sandra Scheeres: Wir werden Ende des Schuljahres eine Arbeitsgemeinschaft einrichten, die das Aufnahmeverfahren evaluieren soll. Zeigen die Ergebnisse, dass es nötig ist, wird das Verfahren überarbeitet. Bisher haben wir allerdings wenig Negatives gehört. Und es gab im vergangenen Jahr auch nur wenige Eltern, die gegen den Bescheid geklagt haben.
Morgenpost Online: Ihr Vorgänger Jürgen Zöllner (SPD) hat großen Wert darauf gelegt, dass die Schulen die Schüler nach Kriterien auswählen, die ihrem jeweiligen Profil entsprechen. Das machen bisher aber nur 44 der rund 200Schulen. Die meisten wenden ausschließlich das Leistungskriterium an, weil sie das für gerichtsfest halten. Muss sich da etwas ändern?
Sandra Scheeres: Unser Ziel ist es, dass alle Schulen Profilkriterien aufstellen. Ich würde mich deshalb freuen, wenn sich die Zahl der Einrichtungen, die die Schüler nicht nur nach ihrem Zensurendurchschnitt auswählen, im kommenden Jahr mindestens verdoppeln würde. Profilkriterien helfen Eltern sehr, sich für eine bestimmte Schule zu entscheiden.
Morgenpost Online: Das neue Auswahlverfahren hat den Effekt, dass beliebte Schulen sich aussuchen können, wen sie aufnehmen. Zurück bleiben gleichzeitig die Schulen, die dann einen großen Anteil schwächerer Schüler aufnehmen müssen. Wollen Sie diese Schulen stärker unterstützen?
Sandra Scheeres: Gerade diese Schulen sollten attraktive Profile entwickeln, damit sie eine gute Schülermischung bekommen. Im Übrigen stärken wir bereits Schulen, die einen hohen Anteil von Schülern nicht deutscher Herkunft haben und viele Kinder, deren Eltern von der Zuzahlung zu Lernmitteln befreit sind. Diese Schulen bekommen mehr Lehrerstunden zugewiesen. Außerdem wollen wir den Anteil der gebundenen Ganztagsschulen ausbauen. Das betrifft vor allem sogenannte Brennpunktschulen. Ich habe diesbezüglich durchsetzen können, dass im Doppelhaushalt 2012/13 dafür 2,5 Millionen Euro eingeplant worden sind. Das ist ein Erfolg. Die Bezirke müssen nun entscheiden, welche Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut werden.
Morgenpost Online: Wird es Schulen geben, die so wenig nachgefragt werden, dass sie geschlossen werden müssen?
Sandra Scheeres: Im Moment sieht es nicht so aus. Es gibt stattdessen Bezirke wie etwa Pankow, wo öffentliche Schulplätze dringend gebraucht werden.
Morgenpost Online: Die Sekundarschulreform, die zur Abschaffung der Hauptschulen in Berlin führte, ist seit einem Jahr in Gang. Wie schätzen Sie den Erfolg der Reform ein?
Sandra Scheeres: Wir sind noch in der Beobachtungsphase. Es gibt Schulen, die sind schon sehr weit, was die Umsetzung der Reform angeht. Andere sind etwas langsamer. Ein Beispiel ist die Einführung des praktischen Lernens, dass die integrierten Sekundarschulen anbieten. Die Schulen haben insgesamt bereits rund 250 Kooperationsverträge mit Betrieben oder freien Trägern abgeschlossen, oder sie haben Projekte im Angebot, die den Schülern Berufspraxis vermitteln sollen.
Morgenpost Online: Wie sieht es mit anderen Reformen aus? Die Sekundarschulen sind ja aufgefordert, die Schüler möglichst nicht in Leistungsgruppen einzuteilen, sondern unterschiedlich leistungsstarke Kinder gemeinsam zu unterrichten.
Sandra Scheeres: Der gemeinsame Unterricht aller Kinder ist ja das Besondere der Sekundarschule. Wir wissen allerdings nicht, wie viele Schulen das bereits machen und wie viele die Schüler noch in Leistungsgruppen einteilen. Den Schulen ist ja freigestellt, ob sie Leistungsgruppen bilden oder nicht. Wir plädieren aber dafür, dass alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden und jeder entsprechend seinen Fähigkeiten gefördert wird.
Morgenpost Online: Nach den Winterferien wollen Sie in Berlin 350 neue Lehrer einstellen. Schaffen Sie das?
Sandra Scheeres: Wir sind mitten in den Verfahren. Klar ist, dass wir nicht alle Bedarfe komplett abdecken können, es wird immer Mangelfächer geben. Welche das dieses Mal sein werden, wissen wir noch nicht abschließend. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir für die meisten Fächer genug Lehrer finden. Mehr als 180 Stellen haben wir bisher jedenfalls schon besetzen können.
Morgenpost Online: Angestellte Lehrer fordern eine Gleichstellung mit ihren verbeamteten Kollegen. Sie wollen besser bezahlt werden und mehr Aufstiegschancen haben. Ansonsten drohen sie damit, die Stadt Berlin zu verlassen. Werden Sie auf die Forderungen der Lehrer eingehen?
Sandra Scheeres: Wir sind uns des Problems bewusst. Berlin verbeamtet seit 2004 nicht mehr. Seitdem ist klar, dass die Attraktivität des Lehrerberufs verbessert werden muss. Meine Verwaltung ist jetzt dabei, alle Möglichkeiten zusammenzutragen. Dazu gehören entlastende Arbeitszeitmodelle, aber auch die Möglichkeit, eine Zeit lang im Ausland arbeiten zu können. Ich nehme das Thema ernst. Es wird jedoch immer junge, ungebundene Lehrer geben, die Berlin verlassen wollen. Dafür gibt es aber auch viele andere, die gern hier arbeiten. Schließlich hat die Hauptstadt eine gute Infrastruktur für Familien zu bieten wie gebührenfreie Kita-Plätze und vergleichsweise günstige Mieten.
Morgenpost Online: Kommen wir noch einmal auf die Suche nach der richtigen Oberschule zurück. Was raten Sie Eltern, die unsicher sind, ob ihr Kind auf ein Gymnasium oder eine Integrierte Sekundarschulen gehen sollte?
Sandra Scheeres: Eine wichtige Rolle spielt die Förderprognose der Grundschule. Außerdem sollten die Eltern sich Gedanken darüber machen, wie selbstständig ihr Kind arbeitet und wie viel Zeit es braucht, um Inhalte zu erfassen. Erledigt es seine Aufgaben schneller oder braucht es mehr Zeit? In der Sekundarschule geht es jedenfalls langsamer, individueller und praxisorientierter zu. Das sollten Eltern bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Ebenso wie das Profil einer Schule. Wichtig ist auch, dass die Eltern ihre Kinder nicht überfordern. Schließlich ist es sowohl am Gymnasium als auch an der Sekundarschule möglich, das Abitur abzulegen.