Fehlende Deutschkenntnisse

Berliner Lehrer schreiben Brandbrief an Wowereit

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Florentine Anders und Regina Köhler

Foto: pa/ZB/Waltraud Grubitzsch / dpa-Zentralbild

Die Zahl von Roma-Kindern, die ohne Deutschkenntnisse in Berlins Schulen gehen, steigt. Lehrer einer Reinickendorfer Schule sind dem nicht mehr gewachsen. Sie haben einen Brandbrief geschrieben.

Das Lehrerkollegium der Reinickendorfer Hermann-Schulz-Grundschule hat sich mit einem Brandbrief an Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gewandt. Die Lehrer beklagen, dass immer mehr Schüler ohne jegliche Deutschkenntnisse an die Schule drängen, und fordern eine spezielle Klasse für diese Schüler.

Ursache des Problems sei der ständige Zuzug von Familien aus dem südosteuropäischen Raum, heißt es in dem Schreiben. Inzwischen seien 16 Kinder ohne Deutschkenntnisse an der Hermann-Schulz-Schule. In einer der beiden ersten Klassen seien es bereits 20 Prozent der Schüler. Der Klassenlehrer dieser Klasse, Steffen Spilner, sagte Morgenpost Online, dass er und seine Kollegen nicht mehr in der Lage seien, den Bedürfnissen aller Schüler zu entsprechen. „Viele Kollegen sind ausgebrannt.“ Ein hoher Krankenstand führe dazu, dass Regelunterricht ausfallen müsse. Alle Schüler seien die Leidtragenden. Im Brandbrief beklagen die Lehrer, dass sie mit diesem Problem alleingelassen werden.

Spilner sagt, dass es kaum zu machen sei, den Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen, während einige Schüler nicht mal die einfachsten Worte verstehen. „Diesen Spagat schaffen wir nicht länger.“ Weil sich bisher von den politisch Verantwortlichen niemand um die Probleme der Schule kümmerte, hat das Kollegium nun einen Brandbrief geschrieben.

Andere Reinickendorfer Grundschulen haben ähnliche Probleme. So gab es an der Reineke-Fuchs-Schule Ende vergangenen Jahres bereits 41 Roma-Kinder. Schulleiterin Margot Koch sprach ebenfalls davon, dass sich ihr Kollegium dieser Herausforderung nicht gewachsen fühle, zumal der Schule auch Sonderpädagogen für die Förderung der Integrationskinder fehlten.

Auch Schulen in anderen Bezirken Berlins haben den vermehrten Zuzug von Roma-Kindern zu bewältigen. Der Bezirk Neukölln hatte schon vor einem Jahr Alarm geschlagen. Derzeit gibt es dort etwa 600 Kinder an den Schulen, die mit ihren Familien vor allem aus Rumänien und Bulgarien gekommen sind. Auch Mitte ist von einem starken Zuzug aus Rumänien betroffen. Etwa 150 Rumänen haben sich bereits vor einem Jahr in Moabit in der Turmstraße angesiedelt. In einer Sommerschule wurden daraufhin 25 Kinder für den Unterricht in deutscher Sprache vorbereitet.

Nach Angaben der Bildungsverwaltung sind im Schuljahr 2011/12 insgesamt 1384 Kinder ohne Deutschkenntnisse an die Berliner Schulen gekommen. Gleichzeitig seien 101 temporäre Lerngruppen für die gezielte Förderung dieser Kinder eingerichtet worden.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will am Mittwoch sowohl die Hermann-Schulz-Grundschule als auch die Reineke-Fuchs-Grundschule und die Mark-Twain-Grundschule besuchen. Ihre Sprecherin Beate Stoffers sagte, dass die Senatorin das Problem bereits seit Längerem auf der Agenda habe. Sie kündigte an, dass eine temporäre Lerngruppe gegründet werden soll, um die Roma-Kinder der Hermann-Schulz- sowie der Mark-Twain-Grundschule gesondert zu fördern. Ziel sei es, die Kinder so schnell wie möglich für die Regelklassen fit zu machen.

In Neukölln ist man bereits einen Schritt weiter. Dort gehen inzwischen mehr als 600 Roma-Kinder in die Schulen. Im vergangenen Jahr hatte der Bezirk eine Sommerschule für die Neuanmeldungen eingerichtet, in der die Schüler Grundkenntnisse in deutscher Sprache erhielten. Seit Beginn dieses Schuljahres gibt es temporäre Vorbereitungsklassen, in denen die Kinder zunächst Deutsch lernen.

Dem Bezirk ist es gelungen, elf Pädagogen mit Rumänischkenntnissen einzustellen. Das ging allerdings nur mit einer Ausnahmegenehmigung, denn eigentlich wird ihr Lehramtsstudium im Ausland hier nicht anerkannt. Auch wer Rumänisch studiert hat, kann normalerweise nicht als Lehrer arbeiten, denn Rumänisch gilt in Berlin nicht als Unterrichtsfach. Die Bildungsstadträtin von Neukölln, Franziska Giffey (SPD), fordert hier eine generelle Regelung, denn Lehrer mit dieser Ausbildung würden in Berlin dringend gebraucht.

Das Problem mit den Roma-Kindern haben Berliner Schulen seit 2007. Seitdem sind Rumänien und Bulgarien in der Europäischen Union. Die Bürger können problemlos als Touristen einreisen und sich hier einen Job suchen, um länger als drei Monate zu bleiben. Experten prophezeien, dass der Zuzug der Roma und Sinti weiter zunehmen wird.

Das wissen auch die Lehrer der Hermann-Schulz-Grundschule. „Wir brauchen jetzt Hilfe von der Bildungsverwaltung“, heißt es in ihrem Brandbrief.