Daran denkt Erfolgsmensch Klaus Wowereit nicht gern zurück. Am 23. November 2006 kurz nach 15 Uhr schlug eine der bittersten Stunden im politischen Leben des SPD-Politikers. Völlig unerwartet fiel Berlins Regierender Bürgermeister bei seiner Wiederwahl im ersten Wahlgang im Abgeordnetenhaus durch. Gleich zwei Abgeordnete aus den Reihen der rot-roten Regierungsfraktionen verweigerten Wowereit die Gefolgschaft und enthielten sich der Stimme. Erst im zweiten Anlauf klappte es hauchdünn.
Fast auf den Tag genau fünf Jahre später stellt sich Wowereit an diesem Donnerstag (24. November) erneut der Abstimmung. Bei der dritten Bestätigung als Regierender Bürgermeister dürfte der 58-Jährige vor einer weiteren bösen Überraschung gefeit sein. Denn die große Koalition aus SPD und CDU verfügt über elf Mandate mehr als die erforderlichen 75 Stimmen.
2006 wurde der Paukenschlag zunächst dadurch gedämpft, dass der damalige Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) fälschlich Wowereit für gewählt erklärte. Dieser nahm verwirrt die Wahl auch an. Offenbar in Unkenntnis der gesetzlichen Grundlagen hatte Momper die 74 Ja- und 73 Nein-Stimmen als ausreichende, wenn auch hauchdünne Mehrheit für den Regierungschef gewertet. Doch die Berliner Verfassung schreibt in Artikel 56 vor: „Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses gewählt.“ Das sind bei 149 Abgeordneten mindestens 75 Stimmen.
Zudem gilt nach Paragraf 75 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses für diese Wahl, dass ungültige Stimmen und Enthaltungen mitgezählt werden. So kam dann die Opposition auf 75 zu 74 Stimmen gegen den damals 53-Jährigen. Erst nach empörten Zurufen aus der CDU korrigierte der Parlamentspräsident seine Aussagen.
Wowereit war sichtlich konsterniert, die SPD-Fraktionsführung geschockt. Damit hatte trotz der knappen Zwei-Stimmen-Mehrheit niemand gerechnet. Bis heute ist ungeklärt, wer Wowereit ins Messer laufen ließ. Die Linkspartei erklärte noch am Nachmittag, ihre Abgeordneten hätten geschlossen für den SPD-Regierungschef gestimmt.
Wowereit bekannte im Rückblick, er habe in dem Moment zwar nicht an Rücktritt gedacht. Aber er wäre nur noch einmal angetreten. Die Erinnerungen an das Wahldesaster der einstigen Kieler Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), die gleich viermal keine Mehrheit bekam, sei zu abschreckend gewesen. Im zweiten Anlauf klappte es dann für Wowereit, aber wiederum knapper als möglich: 75 zu 74 Stimmen für den SPD-Politiker. Erneut stimmte ein Abgeordneter von SPD oder Linke gegen Wowereit.
„Da denkt man nicht viel. Da ist man ja hilflos, weil man abhängig ist von Leuten, die sich nicht zeigen“, sagte Wowereit zu seinem zehnjährigen Amtsjubiläum im Juni der Nachrichtenagentur dpa. „Das ist eine der schwierigsten Situationen, weil man sich nicht auseinandersetzen kann. Man weiß noch nicht einmal, aus welcher Fraktion das kommt, und deshalb kann man darauf auch am wenigsten reagieren, weil die Gegner in Deckung bleiben.“
Dennoch gibt sich die Nummer 1 der SPD jetzt wieder abgeklärt. „Angst habe ich sowieso nicht davor“, sagt Wowereit drei Tage vor der Wahl. Er verschiebe die Bekanntgabe der künftigen SPD-Senatoren auch nicht deshalb auf vier Tage nach seiner Wahl, um so möglichen Enthaltungen von enttäuschten Abgeordneten vorzubeugen. „Ich bin nicht gerade dafür bekannt, schon vorher alles auszuplaudern. Überraschungen sind doch schön“, so die typische Wowereit-Antwort.