Mode & Immobilien

Der Hackesche Markt ist der Laufsteg von Berlin

| Lesedauer: 6 Minuten
Isabell Jürgens und Samantha Knobloch

Etablierte Marken und avantgardistische Label - in der Modewelt liegt der Hackesche Markt in Berlin-Mitte voll im Trend. Das beweisen auch die Mieten. Sie liegen bei bis zu 125 Euro pro Quadratmeter.

Ein junges Mädchen mit trendiger Kurzhaarfrisur schlendert durch die Alte Schönhauser Straße in Mitte. Ihre grüne Hose ist bis zu den Knöcheln hochgekrempelt, der braune Taillengürtel passt farblich zu den braunen Boots, und ein rosa T-Shirt steckt in der Hose. Auf dem T-Shirt steht der Name des schwedischen Modelabels „Acne“. Die einzige Berlin-Filiale der angesagten Streetwear-Marke aus Skandinavien liegt gleich um die Ecke, an der Münzstraße. Ein typisches Bild für diese Gegend, die sich zu einem großen Laufsteg für lässige Großstadtmode entwickelt habe, findet Andreas Kogge, Einzelhandelsexperte beim Immobilienberater Jones Lang LaSalle. „Wer durch die Spandauer Vorstadt schlendert, erlebt exemplarisch, dass die Modewelt, insbesondere progressive Anbieter von Street- und Urbanwear, hier monatlich neue Shops eröffnen.“

Die Geschäfte an Münzstraße, Rosenthaler Straße, an Alter und Neuer Schönhauser Straße haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Bezogen auf die insgesamt 300 Stores und rund 45000 Quadratmeter umfassende Einzelhandelsfläche am Hackeschen Markt entfallen jeweils rund ein Drittel auf die Streetwearszene. Marken wie „Herr von Eden“, die Berliner Designer „Kaviar Gauche“, „LaLa Berlin“ oder der Multilabel-Store „14 oz“. produzieren zwar keine ausgesprochene Massenware – doch nur noch selten findet man kleine Designer, die ihre Schneiderei im Hinterhof haben und die diese Gegend einst für die Modeszene interessant machten. Zum eher schicken und avantgardistischen Stil der kleinen Label gesellen sich mittlerweile auch immer mehr etablierte Großmarken wie „Adidas“, „Strenesse“, „Cos“, „American Apparel“ oder „Miss Sixty“.

Die Berlin Fashion Week und besonders die Streetwear-Messe Bread & Butter hätten dafür gesorgt, so Kogge, dass die Protagonisten der internationalen Modeszene magisch angelockt würden. „Hier in der Gegend waren die großen Partys, ich glaube, es gibt in der Modewelt kaum noch jemanden, dem der Hackesche Markt kein Begriff ist.“

Das bleibt nicht ohne Wirkung. Gina Dommermuth beobachtet schon lange den Wandel im Kiez. Zusammen mit einem Kollegen organisierte sie das „HBC Couture: Designer Scout“-Event zur Berlin Fashion Week. Bei diesem Event werden junge Berliner Talente vorgestellt und gefördert. Im Trendshop „Orlando“ an der Rosenthaler Straße, Ecke Neue Schönhauser Straße, arbeitet Dommermuth als Verkäuferin. Da sie sich für kleine Designer in Berlin einsetzt, lag ihr Mitte immer besonders am Herzen. Zwar sei der Stadtteil noch immer „super angesagt, aber dadurch, dass Labels wie H & M oder Cos in diese Ecke ziehen, verjagen sie die kleinen Läden“. Die Mietpreise seien mittlerweile mit München oder Köln zu vergleichen.

Der Vergleich mit München mag vielleicht etwas überzogen sein – doch das gestiegene Interesse am Einzelhandelsstandort Hackescher Markt hat sich im Laufe der letzten drei Jahre in der Tat auf die Mietpreise ausgewirkt. Wurden 2006 bei der Neuvermietung einer 100-Quadratmeter-Ladenfläche noch Spitzenwerte von 50 bis 75 Euro je Quadratmeter gemessen, so liegen sie heute bei bis zu 125 Euro. Die teuersten Bereiche sind der Hackesche Markt in Richtung Rosenthaler Straße und die Neue Schönhauser Straße. Die Ladenmieten erreichen dort aktuell zwischen 100 und 125 Euro pro Quadratmeter.

Immobilienfachmann Andreas Kogge hält die Sorge vor der Verdrängung der kleinen Kreativläden dennoch für überzogen: „In den Seitenstraßen, wie etwa der Mulackstraße, finden junge Modemacher immer noch günstige Läden.“ Und selbst in der Rochstraße, gleich um die Ecke vom Adidas-Store an der Münzstraße, würden aktuell um die 40 Euro pro Quadratmeter verlangt.

Die Mulackstraße gilt denn auch als kreativer Geheimtipp in Mitte. In der kleinen Seitenstraße von der Alten Schönhauser Straße gibt es zwar nur wenig Laufkundschaft und kaum Touristen. Trotzdem haben sich bekannte Streetwear-Marken, wie „Lala Berlin“ oder „APC“, für die kleine Gasse entschieden.

Auch Daniel Bixel fühlt sich in der Mulackstraße wohl. Er eröffnete vor sieben Wochen das „Bixel's“, ein kleines Restaurant schräg gegenüber von Lala Berlin. Der 25-Jährige bietet in seinem Restaurant „baked potatoes“ mit verschiedenen Soßen an. „Die Mulackstraße ist klein, ruhig und charmant. Hier gibt es viele kleine Läden und alle Ladenbesitzer sind befreundet. Es ist so, wie ganz Mitte früher einmal war“, sagt eine seine Mitarbeiterinnen. Das „Bixel's“ wirbt mit seinem „guten, bodenständigen und gesunden“ Essen. „Man fühlt sich auf der Mulackstraße wie im Dorf“, fügt Restaurantbesitzer Daniel Bixel hinzu.

Nicht nur Bixel genießt die familiäre Atmosphäre in der Mulackstraße, auch das avantgardistische „Starstyling“ ist aus der Rosenthaler Straße in die Mulackstraße gezogen. „Ich finde Berlins Mitte großartig. Das Spezielle der Stadt wird von unserem Label widergespiegelt“, sagt der Designer Hugo Schneider. Die sehr moderne und futuristische Mode würde vor allem von exzentrischer Stammkundschaft geschätzt. Außerdem würde es ihn würde kaum stören, dass Labels wie „Cos“ oder „Diesel“ um die Ecke sind.

„Ich finde die Mischung gut. Da kann der Kunde ein T-Shirt bei uns kaufen und eine Hose bei Cos“, sagt Schneider. Dass die spezielle Kiez-Mischung auch in Zukunft bestand hat, kann nach Ansicht Kogges als gesichert gelten. „Dafür sorgen nicht die Modelabel, sondern die Immobilien“, sagt er. Weil die Häuserstruktur im Kiez keine großflächigen Ladengeschäfte erlaube, seien der Expansion der Großmarken schon aus diesem Grund enge Grenzen gesetzt.