Es ist zu spät, um jung zu sterben, heißt es einmal in diesem Film. Aber zu früh zum Sterben ist es allemal. Der Schriftsteller Jacques (Pierre Deladonchamps) ist Mitte 30 und HIV positiv, was im Jahr 1993 noch immer ein Todesurteil ist. Auf einer Lesung in der Bretagne lernt er den Filmstudenten Arthur (Vincent Lacoste) kennen – im Kino, während ein Film läuft.
Der junge Mann ist sofort angetan, der Ältere hält ihn auf Distanz. Jacques will sich nicht mehr binden, an niemanden, er bereitet sich auf seinen baldigen Tod vor. Und doch versucht ihn Vincent auf seine jugendlich unbeschwerte Art aus der Reserve zu locken. So entspinnt sich eine zarte, vorsichtige Romanze.
„Sorry Angel“ von Christophe Honoré ist eine traurige Liebesgeschichte. Traurig, weil hier eine letzte Liebe auf eine erste trifft. Weil für den einen alles schon zu Ende geht, während sich für den anderen gerade die Welt auftut. Der Ältere findet sich im Jüngeren wieder: So war er selber, vor gar nicht langer Zeit. Es ist, auch wenn man es vermuten mag, keine autobiographische Geschichte. Honoré sieht es als fiktive Fantasie des Studenten, der er 1993 war, mit einem Autor, dem er gern begegnet wäre. Und verarbeitet damit auch den Schmerz und die Leerstellen durch die Verluste von Aids.
„Sorry Angel“ zeigt dabei erstaunlich offene Figuren. Jacques hat ein Kind, ist aber homosexuell, sein bester Freund wohnt in Paris direkt über ihm, wo er auch zuhause ist. Auch der Junge in der Provinz ist ganz offen, hat was mit einem Mädchen, auch mit seinem Mitbewohner und sucht flüchtigen Sex. Doch ausgerechnet der Mann, der keinen an sich ran lässt, ist der erste, in den er sich wirklich verliebt. Wie die beiden einander umgarnen, wie es Momente des Glücks gibt, die gleich wieder abgewehrt werden, das gehört zum Schönsten, was das Gefühlskino derzeit zu bieten hat. Auch wenn es ein Happy End nicht geben kann.