Der Rettungsplan für Zypern ist nach der Ablehnung des Parlaments in Nikosia vorerst gescheitert. Nun arbeiten die zyprische Regierung und die Euro-Retter fieberhaft an einer neuen Lösung. Der Sprecher der zyprischen Regierung sagte, es gebe einen „PlanB“ – Details nannte er nicht. Mittwochabend teilten Regierungsbeamte des überschuldeten Euro-Staats mit, Zypern habe ein alternatives Rettungspaket geschnürt, das eine Staatspleite abwenden soll. Der Plan soll am Donnerstag den Vorsitzenden der Parteien vorgestellt werden.
„Es liegen noch harte Gespräche mit Zypern vor uns“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Europa setze alles daran, eine sachgerechte Lösung zu finden. „Wir wollen den Euro insgesamt stabil halten.“ Das zyprische Bankenmodell müsse aber verändert werden, weil es eine Gefährdung für den Euro-Raum darstelle. Die Banken bleiben am Donnerstag und Freitag geschlossen. Wie muss das neue Paket aussehen, damit es doch noch zu einer Einigung kommt? Und was passiert, wenn Zypern tatsächlich in die Pleite rutscht? Muss die Insel dann als erstes Land aus dem Euro austreten? Die Berliner Morgenpost stellt vier Szenarien vor.
Szenario 1: Die Troika gibt nach
Ziel der Troika war es, das Hilfsprogramm für Zypern auf zehn Milliarden Euro zu begrenzen. Die weiteren benötigten sieben Milliarden Euro zur Sanierung des Landes sollte die klamme Mittelmeerinsel selbst aufbringen. Nach dem Scheitern des Rettungspakets im Parlament wäre nun eine Möglichkeit, den Eigenbeitrag Zyperns zu verringern. Das würde allerdings die Schulden des Landes auf weit über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Höhe treiben – ein kaum tragfähiges Maß. In diesem Fall würde wohl der IWF nicht mitziehen, was wiederum für viele Euro-Länder, nicht zuletzt Deutschland, eine Beteiligung sehr schwer machen würde.
Außerdem würde sich die Troika bei einem Entgegenkommen gegenüber anderen Krisen-Ländern erpressbar machen. Denn wenn schon das kleine Zypern bei den Euro-Rettern Zugeständnisse herausschlagen kann, wenn es nur hoch genug pokert, können dies Italien oder Spanien erst recht tun, so das verheerende Signal. Die Troika hat deshalb kaum eine Wahl. „Entweder Zypern bessert nach, oder das Land geht pleite“, sagt ein hochrangiger Unionspolitiker.
Szenario 2: Zypern bessert nach
Die Euro-Retter setzen ihre Hoffnungen darauf, dass Zypern seinen eigenen Sanierungsbeitrag so überarbeitet, dass eine Mehrheit im Parlament möglich wäre. Denkbar wäre, dass sich das kleine Land dazu durchringt, große Bankguthaben stärker zu belasten. Bislang sah die im Parlament durchgefallene Zwangsabgabe auf Bankguthaben bei Vermögen oberhalb von 100.000 Euro einen Satz von 9,9 Prozent vor. Zuletzt wollte die Regierung Sparern mit einem Guthaben bis 20.000 Euro eine Befreiung einräumen. Werden die Reichen stärker in die Pflicht genommen, könnte die Masse der Sparer mit Summen bis zu 100.000 Euro geschont – und der Volkszorn beschwichtigt – werden. „Wir rechnen mit einem neuen Rettungspaket in dieser Woche“, sagt Erik Nielsen, Chefvolkswirt von Unicredit: Wenn auf alle Sparguthaben über 100.000 Euro eine einmalige Abgabe von 15 Prozent erhoben werde, würde das die 5,8 Milliarden Euro bringen, die das zunächst geplante Modell einbringen sollte.
Eine solche Lösung hieße aber, dass das Land seinen Ruf als attraktive Steueroase beschädigen würde. Insbesondere reiche Russen dürften dem Land den Rücken kehren, was die zyprischen Banken hart träfe. Zypern könnte sich aber auch entscheiden, seinen eigenen Beitrag auf einem anderen Wege aufzubringen, etwa durch zusätzliche Privatisierungen oder Steuererhöhungen. Auch der Verkauf von Ausbeutungsrechten für große Rohstoffvorkommen des Landes wäre denkbar.
Szenario 3: Russland als „weißer Ritter“
Russland hat großes Interesse an der Mittelmeerinsel: Weil viele reiche Russen wegen der niedrigen Steuern ihr Geld auf Zypern geparkt haben, würden sie bei einer Abgabe auch viel Geld verlieren. Auch wäre es für Russlands Präsident Wladimir Putin sicher interessant zu wissen, welche Oligarchen der Heimat entflohen sind, um ihr Geld in Zypern anzulegen. Mit der Gewährung eines Milliardenkredits könnte Putin sich im Gegenzug Einblicke in die Bankbücher zusichern lassen. Der zyprische Finanzminister Michalis Sarris ist bereits für Verhandlungen nach Russland gereist, allerdings gab es „keine Angebote“, sagt er. Er wolle die Gespräche so lange „wie nötig“ fortsetzen.
Allerdings reichen die Streckung eines bestehenden Kredits Russlands über 2,5 Milliarden Euro sowie möglicherweise bessere Konditionen für das Darlehen nicht aus. Spätestens im Juni, wenn eine große Anleihe in Zypern fällig wird, braucht das Land noch mehr Geld. Ein neuer Kredit aus Russland könnte helfen, würde die Verschuldung des Landes aber ebenfalls in die Höhe treiben.
Szenario 4: Keine Einigung
Sollten sich weder Zypern noch Russland noch die Euro-Gruppe bewegen, wären die Rettungsgespräche auf ganzer Linie gescheitert. Ob daraus jedoch ein wirkliches Pleite-Szenario entsteht, hängt vor allem davon ab, wie sich die EZB verhält. Akuten Geldbedarf haben in dem Inselstaat vor allem die Banken. Sie dürften jedoch auf Notkredite, kurz ELA, hoffen, die die nationale Notenbank Zyperns vergeben darf, solange der EZB-Rat kein Veto einlegt. Bereits im Januar summierten sich die ELA-Darlehen auf rund neun Milliarden Euro, inzwischen sollen es mehr als zehn Milliarden sein. Theoretisch könnte die EZB diese Summe unbegrenzt anwachsen lassen. Und solange die Banken flüssig sind, droht auch dem zyprischen Staatshaushalt keine Zahlungsunfähigkeit, weil sich die Regierung ihrerseits bei den Banken Geld leihen kann. Mit diesem Kniff hatte die EZB im vergangenen Jahr auch Griechenland monatelang über Wasser gehalten, als sich die Euro-Länder nicht auf weitere Hilfen einigen konnten.
Ob die EZB dazu jedoch auch im Falle Zyperns bereit ist, ist fraglich. Zwar hat die Zentralbank angekündigt, Zypern bei Bedarf Liquidität zur Verfügung zu stellen – jedoch nur „im Rahmen der bestehenden Regeln“. Dieser Halbsatz sei hier besonders wichtig, wird in Notenbankkreisen betont. Demnach wäre die EZB gerade nicht bereit, Zypern bedingungslos zu helfen. Die Notenbank könne „Notfallliquidität nur solventen Banken gewähren“, sagte Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen der „Zeit“. Die Solvenz der zyprischen Banken müsse aber „als nicht gegeben angesehen werden, wenn nicht bald ein Hilfsprogramm für Zypern beschlossen wird, das eine rasche Rekapitalisierung des Bankensektors gewährleistet“.
Für Zypern wäre ein Stopp der Notenbankhilfen eine Katastrophe. Die Banken des Landes könnten binnen weniger Tage zahlungsunfähig werden – damit würde die finanzielle Infrastruktur einer ganzen Volkswirtschaft zusammenbrechen. Auch eine Staatspleite dürfte in diesem Fall kaum abzuwenden sein.