Die Stimmung in der Berliner Wirtschaft ist eingetrübt. Erstmals seit drei Jahren fällt der Konjunkturklima-Index von IHK und Handwerkskammer. In den Meisterbetrieben der Handwerker steigt der Wert dagegen auf einen Rekordstand.
Das „R-Wort“ wollen die Vertreter der Hauptstadt-Wirtschaft gar nicht in den Mund nehmen und das „S-Wort“ auch nur zögerlich. „Von Stagnation zu reden, soweit würde ich nicht gehen – und von Rezession schon gar nicht“, sagte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Bei der Präsentation der jüngsten Konjunkturumfrage unter 1300 Unternehmen entwickelte Eder die größte Sympathie für die Formulierung „wachsende Unsicherheit“, wahlweise auch „Abkühlung.
Die Botschaft aus den Betrieben der Hauptstadt ist dennoch eindeutig. Der Boom neigt sich dem Ende. Zwar ist die aktuelle Geschäftslage in den meisten Unternehmen noch gut. Doch erstmals seit drei Jahren ist der Konjunkturklima-Index von IHK und Handwerkskammer im Vergleich zur Vorumfrage gefallen: von 139 Punkten im Frühjahr auf aktuell 127. Eine Ausnahme bilden die Handwerker der Hauptstadt. In den Meisterbetrieben ist der Index auf einen neuen Rekordstand von 112 Punkten geklettert.
Handwerk freut sich noch
Handwerksbetriebe nähren sich in erster Linie von Aufträgen am Sitz ihres Unternehmens. Verwerfungen der Wirtschaftswelt weit draußen kommen bei ihnen erst mit Verzögerung an. Im Gegensatz dazu nimmt bei den Betrieben des IHK-Bereichs die Skepsis schon deutlich zu. Der Konjunkturklima-Index setzt sich aus den Umfragergebnissen zu Geschäftslage und -erwartung zusammen. Ihre aktuelle Lage bewerten immerhin noch 49 Prozent der Berliner Unternehmen als „gut“, 43 Prozent als „befriedigend“. Im Frühjahr berichteten noch 53 Prozent von guten Umsätzen und Gewinnen.
Das sind alles noch Ergebnisse, die von Vitalität und Optimismus zeugen. Doch die Zuversicht nimmt deutlich ab, wenn die Firmen Auskunft über zukünftige Geschäfte machen sollen. Da erwarten 30 Prozent, dass es besser wird, 14 Prozent rechnen dagegen mit einer Verschlechterung. Im Vergleich zum Frühjahr hat sich die Zahl der Pessimisten damit verdoppelt. Der Saldo – also die Differenz der Prozentzahlen für Optimisten und Pessimisten – halbierte sich von 32 im Frühling dieses Jahres auf nun 16. „Derzeit können die Unternehmen nicht einschätzen, wie stark die Eintrübung wird“, sagte Eder.
Das ist die allgemeine Situation im Herbst 2011: Seit Monaten schon zehren Krisengipfel zur Euro-Rettung an den Nerven. Menschen in ihrer Rolle als Konsumenten, Sparer, Arbeitnehmer oder -geber beschleichen ungute Gefühle. Dabei läuft es doch im Hier und Jetzt ganz gut. Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Klage führen Unternehmen vor allem über Fachkräftemangel und Lehrstellen, die nur schwer zu besetzen sind. Man ahnt Ungutes und stochert doch im Nebel.
Unternehmer reagieren mit zunehmender Vorsicht. Das zeigt die Konjunkturumfrage in den Unterkapiteln Investition und Beschäftigung. 22 Prozent der befragten Manager gaben an, ihre Belegschaft aufstocken zu wollen. Im Frühjahr waren es noch 36 Prozent. Leute loswerden wollen mittlerweile zwölf Prozent, vor einem halben Jahr äußerten lediglich fünf Prozent diese Absicht. Mehr Investitionen wollen 20 Prozent tätigen, im Frühjahr waren es 27 Prozent.
Flaute zeichnet sich ab
Es ist also ein Abflauen auf breiter Front. Doch dieses Abflauen sei beim Berliner Handwerk noch nicht angekommen, sagte Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Berliner Handwerkskammer. „Wir verzeichnen im Berliner Handwerk fast ein 20-Jahres-Hoch“, sagte Wittke. Allerdings gibt es auch bei den Meistern ganz leichte Anzeichen der Eintrübung. Die Bereitschaft, neue Arbeitnehmer einzustellen, ist im Herbst zurückgegangen.
Sollte der Abwärtstrend deutlicher werden, kann Berlin aber etwas gelassener sein als andere Bundesländer. Da hier – im Gegensatz zu Bayern und Baden-Württemberg – die Exportindustrie nicht so stark ist, fällt ein Konjunkturrückschlag nicht ganz so heftig aus. Das zeigte sich schon im Krisenjahr 2009, als Deutschlands Wirtschafsleistung um fast fünf Prozent schrumpfte. Das Berliner Minus betrug im selben Jahr nur 0,7 Prozent.
Trotz Währungskrise in Europa, Schwäche in Amerika und Abschwungsgerüchten aus China bleiben die Kammern jedoch verhalten optimistisch. Eder rechnet mit einem Wachstum von rund einem Prozent. Sein Handwerkskollege Wittke gibt sich noch ein bisschen optimistischer. „Ein Prozent plus X wäre doch ein schönes Ziel“, sagte er.