Ein Internetportal hilft jetzt bei der Mediziner-Suche und sorgt für mehr Transparenz. Die Ärzte sind darüber wenig begeistert.
Ein neues Informationsportal im Internet soll Patienten künftig auf der Suche nach dem richtigen Arzt helfen. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) stellte in Berlin seinen neuen „ vdek-Arztlotsen “ vor. Der Lotse beruht auf der seit längerem bestehenden Arztauskunft der Stiftung Gesundheit, mit welcher der vdek zusammenarbeitet. Das Arztverzeichnis umfasst 240.000 Adressen zugelassener Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten. Hinzu kommen außerdem 150.000 bereits gesammelte Bewertungen von Patienten.
Die Nutzer des Portals können ihre Ärzte anonym mit Schulnoten von eins bis sechs bewerten. Eine Registrierung ist nicht notwendig. Die Versicherten beschreiben ihre Eindrücke von der Organisation und dem Service sowie dem Erscheinungsbild der Praxis. Personal und Arzt werden in einem Freitextfeld bewertet und gegebenenfalls weiterempfohlen. In diesem Feld kann der Patient in eigenen Worten erklären, wie er den Arztbesuch empfunden hat. Außerdem kann eine Gesamtnote vergeben werden.
Lexikon über medizinische Fachbegriffe
Die Patienten können auch persönliche Fragen nach ihrem Einkommen oder ihrem Alter beantworten. Damit soll langfristig herausgefunden werden, welcher Typ von Patient welche Erwartungen an seinen Mediziner hegt. Die Nutzer des Portals könnten so die Bewertungen anderer Patienten besser einschätzen. Darüber hinaus informiert die Plattform in einem Lexikon über medizinische Fachbegriffe. Patienten finden außerdem in einem Verzeichnis eine passende Selbsthilfegruppe in ihrer Nähe.
Die sechs Kassen im vdek zählen insgesamt 24 Millionen Versicherte. Die größte Ersatzkasse, die Barmer GEK, hat sich allerdings einem konkurrierenden Ärzteportal der AOK angeschlossen. AOK-Vizechef Jürgen Graalmann kritisierte, die Methodik des vdek-Arztlotsen sei nicht ausgereift. Die Arbeit von Ärzten könne man nicht mit Schulnoten bewerten. Außerdem biete das Portal keinen Schutz vor Manipulationen durch Mehrfachbewertungen. Fragwürdig seien auch die Freitextfelder. Die AOK verzichtet auf solche Felder, um Ärzte vor Diffamierungen zu schützen.
„Schmähkritik und Ärzterankings wird es nicht geben“, sagte dagegen vdek-Chef Thomas Ballast. Jeder Kommentar werde vor der Veröffentlichung von einer Redaktion geprüft und bei Beleidigungen gelöscht. „Immer mehr Versicherte suchen sich ihren Arzt online und erwarten Informationsangebote von ihren Kassen.“ Diesem Bedürfnis wolle man mit dem Portal gerecht werden. Dabei müssten aber auch die Interessen der Ärzte gewahrt bleiben. Bei einer negativen Bewertung, welcher der Arzt glaubhaft widersprechen könne, werde immer für den Arzt entschieden. Außerdem profitierten Ärzte von dem System. „Die meisten Bewertungen sind positiv und viele positive Urteile bringen einen Wettbewerbsvorteil“, so Ballast. Kritik helfe dabei, Schwachstellen zu finden.
Bundesärztekammer fühlt sich übergangen
Dennoch reagierte die Ärzteschaft kritisch. Die Bundesärztekammer bemängelte, dass der vdek bei der Entwicklung des Portals nicht mit der Ärzteschaft zusammengearbeitet habe. Da die Nutzer nicht registriert würden, seien Mehrfacheinträge und damit verfälschte Bewertungen möglich. Auch die Freifeldtexte kritisierten die Ärzte. „Diese bringen den Patienten kaum etwas, ermöglichen aber Schmähkritik und Diffamierungen, gegen die sich die betroffenen Ärzte kaum wehren können“, sagte Ärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery.
Der Deutsche Hausärzteverband warf den Ersatzkassen vor, mit Marketing-Maßnahmen von Strukturdefiziten in der Versichertenversorgung abzulenken. „Der vdek-Arztlotse suggeriert eine Überversorgung bei Hausärzten, wir haben aber einen Mangel.“ Diese Kritik konnte Thomas Ballast nicht nachvollziehen. Weder Mangel noch Überversorgung solle kommuniziert werden. Es ginge lediglich darum, Patienten bei der Arztsuche zu helfen. Das sei beispielsweise für diejenigen wichtig, die gerade in eine neue Stadt gezogen seien.
Lob der Patientenbeauftragten
So lobt auch die Berliner Patientenbeauftragte Karin Stötzner die neue Internetseite. „Wir durchleben gerade einen Generationenwechsel in der Ärzteschaft. Viele Patienten müssen einen neuen Hausarzt in ihrer Nähe finden . Das Portal ist dabei eine wichtige Hilfe“, sagt Stötzner. Dass Patienten im Freitextfeld ihre eigene Meinung abgeben können, findet sie gut. Das sei ein wichtiger Schritt zu einer stärkeren Patientenorientierung. Nur so könne man eine alltagsnahe Rückmeldung zu den Behandlungen bekommen. Zudem werde das Internet als Informationsquelle auch für ältere Menschen immer relevanter.
Die Stiftung Warentest hatte im März neun private und kommerzielle Portale genauer unter die Lupe genommen. Dabei kritisierten die Tester, die Fragebögen seien bei den meisten Portalen sehr vage. Eine detaillierte Bewertung sei so kaum möglich. Äußerst fragwürdig ist nach Ansicht der Tester, dass manche Portale Ärzten gegen Geld hervor gehobene „Premium“-Einträge ermöglichen.