Luxusporzellan

Berliner KPM kämpft um Begriff "weißes Gold"

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Joachim Fahrun

Foto: JOERG KRAUTHOEFER

Die Königliche Porzellanmanufaktur KPM in Berlin kämpft darum, dass der Begriff "weißes Gold" auch künftig als Synonym für Luxusporzellan allgemein verwendet werden darf. Hintergrund ist ein Streit mit der Staatlichen Manufaktur Meissen aus Sachsen.

Jörg Woltmann bringt eigentlich wenig aus der Ruhe. Aber jetzt hat der Eigentümer der Königlichen Porzellanmanufaktur (KPM) Grund, sich zu ärgern. Denn in der ehrwürdigen deutschen Porzellan-Branche herrscht Krieg. Ausgelöst hat den Konflikt die Staatliche Manufaktur Meissen aus Sachsen, gegründet 1710, Marktführer in Deutschland und härtester Konkurrent der Berliner.

Woltmann, dessen KPM auch schon 250 Jahre alt ist, wundert sich über das Geschäftsgebaren der Sachsen. So versucht Meissen, sich einen Begriff als Marke europaweit schützen zu lassen, der von jeher als Bezeichnung für Luxusporzellan gebräuchlich ist: weißes Gold. Woltmanns Anwälte haben jetzt beim europäischen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt im spanischen Alicante beantragt, die entsprechende Gemeinschaftsmarke 7530942 für nichtig zu erklären. Die hatte Meissen im Herbst 2009 beantragt.

Die Eintragung sei als „bösgläubig“ anzusehen, schrieben die KPM-Anwälte nach Spanien. Hinter dem Eintrag stehe eine „Behinderungsabsicht“. Es gehe darum, allein den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern. „Die Wortkombination ,weißes Gold' stellt zweifelsfrei ein gebräuchliches Synonym für Porzellan dar“, heißt es in dem Antrag an die spanische EU-Behörde. Die Klärung der Angelegenheit könne bis zu einem Jahr dauern, heißt es in der Branche.

In Spanien waren die Sachsen zwar erfolgreich, in Deutschland hingegen hatte das Deutsche Patent- und Markenamt in München das Ansinnen der Porzellanmacher abgelehnt. Der Begriff „weißes Gold“ weise auf ein „glatt beschreibendes Merkmal“ hin und dürfe deshalb nicht geschützt werden.

Trotz dieser Einwände versucht Meissen, seine Markenrechte auch vor Gericht durchzusetzen. So verklagte die Manufaktur den Berliner Sachverständigen Dirk Klein-Soetebier. Seit Jahren zeichnet der angesehene Experte, der unter anderem die Echtheit der Meissen-Exponate für große Porzellan-Ausstellungen im Katharinen-Palais und der Eremitage in Sankt Petersburg begutachtet hat, seine Expertisen mit dem werbenden Zusatz „ihr Spezialist für weißes Gold“.

Das Landgericht Düsseldorf hat im Januar die Klage der Manufaktur gegen den Gutachter zurückgewiesen. Meissen hatte den Streitwert auf 50.000 Euro festgesetzt, die ihnen durch die Aktivitäten des Sachverständigen entstanden seien. Die Richter stellten fest, der Berliner habe sich die Internet-Adresse www.weissesgold.com schon 1999 registrieren lassen.

Aggressive Sachsen

Das Gericht urteilte, auch weitere deutsche und europäische Manufakturen stellten wie Meissen „weltberühmtes Porzellan“ her, „sodass der Begriff ,weißes Gold' für wertvolles Porzellan nicht auf die Porzellanmanufaktur Meissen beschränkt“ sei. Soetebier geht trotz des Erfolgs davon aus, dass sein Rechtsstreit mit der Firma Meissen weitergehen wird. Meissen äußert sich zu dem Fall nicht.

Die im Landesbesitz befindlichen Sachsen haben unter dem neuen Chef Christian Kurtzke und dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Sachsens ehemaligem Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), vor gut zwei Jahren eine aggressive Strategie eingeschlagen. Früher war das offenbar anders in der Branche. Kürzlich rückten Ermittler im Auftrag des Bundeskartellamts zur Razzia in Meissen an. Die Wettbewerbshüter hatten Hinweise auf Preisabsprachen und Marktaufteilung erhalten, die es bis 2008 gegeben haben soll.

Seitdem Kurtzke das Ruder übernommen hat, ist die Harmonie in der illustren Branche jedoch gestört. Meissen will sich auch nicht mehr nur als Hersteller kunstvoll bemalten Porzellans positionieren, sondern als internationale Luxusmarke. Kurtzke hat im Sommer 180 der knapp 800 Stellen gestrichen und neue Geschäftsfelder angefangen. Künftig sollen Schmuck, superteure Einzelstücke wie Vasen sowie Inneneinrichtung die neuen Säulen des Geschäfts sein. In der Mode- und Designmetropole Mailand hat Meissen in einer Villa eine Repräsentanz eingerichtet.

Schlagzeilen machte die Manufaktur auch außerhalb des Freistaats Sachsen, als Geschäftsführer Kurtzke im Oktober vergangenen Jahres nach Firmenangaben schwer verkäufliche Altbestände der handgefertigten Preziosen zerschlagen ließ, angeblich um das Angebot auf den Märkten knapp zu halten. In Sachsen drohen wegen dieser Aktion parlamentarische und juristische Nachspiele.

KPM-Chef Woltmann in Berlin hat ob dieser Vernichtung nur Kopfschütteln übrig. Zwar fährt auch er die Strategie, seine wertvolle Ware hochpreisig zu verkaufen und nicht über Sonderverkäufe und Rabatte zu verramschen, um die Marke zu schützen. „Aber das ist doch ein Kulturgut“, sagt der KPM-Eigentümer. An Zerschlagen denke er nicht einmal: „Bevor ich das zertöppern würde, hätte eher jetzt jedes Berliner Altenheim eine KPM-Vase.“

Rettung vor der Pleite

Als dann auch noch Meissen-Geschäftsführer Kurtzke in Gesprächen mit Journalisten von Schwierigkeiten sprach, in denen die Berliner KPM angeblich stecke, und zudem behauptete, nur in Sachsen würden noch Porzellanmaler ausgebildet, war für Bankier Woltmann das Fass übergelaufen. „Das schadet mir“, sagt er. „Mich ärgert, dass Meissen auch direkt die Mitbewerber angreift.“

Woltmann hat KPM 2005 kurz vor der Pleite von der landeseigenen Investitionsbank Berlin übernommen. Seitdem hat er einen zweistelligen Millionenbetrag aus seinem Privatvermögen in das Unternehmen mit seinen 250 Mitarbeitern gesteckt. Das sei „Mäzenatentum, um das einzigartige Kulturgut zu erhalten“, sagt Woltmann. 2011 soll es endlich schwarze Zahlen geben. Dabei könnte die Offensive aus Meißen stören. Dort will der neue Chef auch den Stil modernisieren. Schwarz-weiße oder reinweiße Dekors, wie sie KPM fertigt, sollen die traditionellen Zwiebelmuster ersetzen. Ein Service der Sachsen soll auch „Berlin“ heißen.