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Führungskräfte lassen sich schön operieren

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Hagen Seidel

Foto: Isabelle Rozenbaum / DPA

Deutschlands Kliniken buhlen um eine neue Zielgruppe. Mit Erfolg: Immer mehr Männer trauen sich zum Schönheits-Chirurgen. Das Interessante für die Ärzte: Es handelt sich meist um Gutverdiener. Einer redet bei Morgenpost Online über seine neue 6000-Euro-Nase.

Oliver Skora steht längst über den Lästereien. Was hat er nicht schon alles Boshaftes und Anzügliches gehört über Männer, die sich freiwillig unters Messer legen. Für eine Schönheits-Operation! Er ist einer von ihnen, hat sich vor zwei Jahren seine Nase – wie es in der Branche heißt – „machen“ lassen. Für 6000 Euro. Und darüber ist Skora glücklich, er sieht sein Geld gut angelegt. „Mir ist egal, wie andere Leute das finden. Ich find's toll, fühle mich jetzt viel wohler als früher“, meint der 40-jährige Trickfilmzeichner aus Wuppertal.

Tausende Männer in Deutschland gehen inzwischen zum Schönheits-Chirurgen. Doch Mann redet – anders als Frau – ungern drüber. Die Zahlen allerdings zeigen es deutlich: „In den vergangenen eineinhalb bis zwei Jahren hat sich der Anteil der Männer unter meinen Patienten verdoppelt“, sagt Wolf Lüerßen vom Marktführer Clinic im Centrum (CIC). Die lange Zeit als „Damenschneiderei“ verrufene Branche hat die Herren entdeckt.

Schon 20 Prozent der Patienten in dieser Milliarden-Branche sind Herren, meist zwischen 40 und 50 Jahre alt, überdurchschnittlich gut gebildet und wohlhabend, mutmaßlich auch überdurchschnittlich eitel. Nach einer Emnid-Untersuchung glauben 80 Prozent der deutschen Männer, dass sie immer mehr nach ihrem Äußeren beurteilt werden. Dass seit 2000 das Schönheitsideal „Waschbrettbauch“ als Begriff sogar im Duden steht, macht die Sache für die Männer nicht einfacher. Ebenso wenig, dass sich Prominente wie Al Pacino, Salman Rushdie oder Silvio Berlusconi verschönern ließen.

Männer glauben an mehr Erfolg nach Schönheits-OP

„Männer glauben, im Beruf mehr Erfolg zu haben, wenn sie jung und sportlich wirken. Deshalb kommen sie zu uns“, glaubt Lüerßen. Früher verdiente der Mediziner sein Geld auf einem Rettungshubschrauber. Über die Operation von Patienten, die nach Tumor-Operationen entstellt waren, kam er zur Plastischen Chirurgie. Jetzt zückt er das Skalpell nur noch für die Schönheit.

Viele Erfolgsmanager jenseits der 40 meinen heute, schön, sportlich und schlank wirken zu müssen, um in Sitzungen mit den Jungspunden im Karriere-Rennen noch mithalten zu können. Neben den Augenlidkorrekturen ist die Fettabsaugung das, was Männer am häufigsten wollen. Der Karriere willen wird in die eigene Fassade investiert.


Wer optische Schönheitsfehler für eine natürliche Folge des Alterns hält, ist offenbar von gestern. Selbst Oberweiten-Reduzierungen – nach Branchenangaben hat mindestens jeder dritte Mann vergrößerte Brüste – und Bauchdeckenstraffung beim Mann gehören inzwischen zu den Verkaufsschlagern in den Schönheits-Kliniken. Halbglatze, Hängebacken, Höcker- oder Papageiennase, Tränensäcke, Schlabberkinn oder Truthahnhals – es gibt fast keine körperliche Unzulänglichkeit an den Entscheidungsträgern der deutschen Wirtschaft, die die Ästheten unter den Chirurgen gegen Rechnung nicht beseitigen können.

Wenn die Nachbearbeitung zur Sucht wird

Für manche Männer wird die Nachbearbeitung mit dem Skalpell indes zur Sucht: Sie versuchen, eine Körperpartie nach der anderen perfektionieren zu lassen. „Diese Patienten sind dann kein Fall mehr für uns, sondern für den Psychologen. Charakterliche Fehler oder Probleme mit dem Selbstwertgefühl können wir nicht wegoperieren“, sagt Doktor Lüerßen.

Comiczeichner Oliver Skora hält sich nicht für suchtgefährdet. Er hat die 6000 Euro für die neue Nase nicht für seine Karriere investiert, sondern um ein Missgeschick zu korrigieren. Als Sechsjähriger war er im Freibad aufs Gesicht gestürzt, seither passte ihm die eigene Nase nicht mehr. „Und dann hatte ich irgendwann Geld und hab mir diesen Traum erfüllt.“ Das reicht ihm.

„Ich könnte mir noch die Falten wegmachen lassen. Aber das will ich gar nicht. Ich bin froh, dass ich die Operation hinter mir habe. Der Mensch altert halt.“ In seinem Bekanntenkreis ist Skora der Einzige, bei dem ein Schönheitsdoktor mit dem Skalpell tätig war.

Das Geld für die OP hatte er ausgerechnet mit der Arbeit für den Zeichentrickfilm „Werner“ verdient – einer Figur, mit einem Zinken im Gesicht, der locker für drei Nasen reichen würde. Monatelang hatte sich Skora vor dem Einschnitt in Internet-Foren informiert, schließlich wollte er nicht an einen der vielen Scharlatane geraten. „Im persönlichen Gespräch wusste ich dann sofort: Der ist es“, sagt der Zeichner. Roland Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung rät zudem, Angebote von einem zweiten Mediziner oder Verbraucherschützern prüfen zu lassen – und nicht allzu sehr auf den niedrigen Preis zu achten.

Vom Zwang zur ewigen Schönheit will Skora nichts wissen. Hans-Detlef Axmann auch nicht, der als Chef der Klinik am Aegi in Hannover und Vorstand des Berufsverbandes Deutsche Gesellschaft für Ästhetische und Plastische Chirurgie, pro Jahr 1000 Schönheitsoperationen durchführt: „Ich laufe schon seit 47 Jahren mit meiner schiefen Nase herum. Und komme sehr gut damit klar.“ Die Spezialität des Doktors sind – Nasen.