Ihren Busen finden sie zu klein, ihre Nase zu groß und die Oberschenkel zu fett: Immer früher und häufiger klagen junge Mädchen über ihr Aussehen. Sie orientieren sich an gertenschlanken Models und Popstars mit üppigen Oberweiten. In Teenager- und Schönheitsforen im Internet tauschen sich die Jugendlichen über Körbchengrößen und andere vermeintliche Schönheitsmaßstäbe aus.
„Ich hab im Moment Größe 75 A und würde mir schon wünschen, dass die noch wachsen“, schreibt die 14-jährige Kathi im Forum gofeminin.de. Die ebenfalls 14-jährige Anna beichtet: „Ich schäme mich sehr, ich finde meinen Busen einfach zu klein.“
Nach aktuellen Umfragen wünschen sich 20 Prozent der Neun- bis 14-Jährigen einen operativen Eingriff, um besser auszusehen. Jede zehnte der nach Schätzungen bundesweit etwa eine Million Schönheitsoperationen im Jahr wird an Patienten unter 20 vorgenommen - die Mehrheit an Mädchen.
Nach einer Studie des Bundesernährungsministeriums stieg die Anzahl der Schönheitsoperationen innerhalb von zwei Jahren von 400.000 auf rund eine Million pro Jahr an. Etwa 20 Prozent der Frauen klagen nach dem Eingriff über Taubheitsgefühle, Infektionen und andere Nebenwirkungen.
Besonders unvorhersehbar sind die Folgen einer Operation für junge Mädchen, die sich noch im Wachstum befinden. Denn auch die Narben wachsen mit. Wenn bei einer Brustvergrößerung, die zu den häufigsten Eingriffen gehört, die Brust noch nicht ausgewachsen ist, kann sich um das Implantat eine Narbe im Gewebe bilden und sich die Brust dadurch verhärten und verformen, warnen Kritiker. „Wir vertreten da eine ganz klare Linie“, sagt Ulbricht Fegeler, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Keine Brustoperationen, bevor die Patientin 18 Jahre alt ist.“
Abgeordnete der CDU/CSU- und der SPD-Bundestagsfraktion forderten bereits im April 2008 von der Bundesregierung und den Ländern ein Verbot von Schönheitsoperationen an Minderjährigen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach spricht von einem „verirrten Schönheitsideal“ als treibende Kraft.
Medizinrechtsexperten weisen zudem darauf hin, dass Patienten nach missglückten Eingriffen vor Gericht oft den Kürzeren ziehen. Denn in der Regel könnten Ärzte anhand von Schriftstücken, die die Patienten zuvor unterschreiben mussten, nachweisen, sie über mögliche Risiken informiert zu haben. Plastische Chirurgen weisen diese Kritik jedoch zurück. „Ich kann diesen Hype nicht nachvollziehen“, sagt Heinz Bull, Präsident der Gesellschaft für ästhetische Chirurgie Deutschland. „Seriöse Ärzte werden in Deutschland keine Patienten unter 18 Jahre ästhetisch operieren, es sei denn, es handelt sich um Ohrenkorrekturen, die vor allem bei Kindern zu empfehlen sind.“
Dem widerspricht Ulbricht Fegeler, der selbst seit 30 Jahren als Kinder- und Jugendarzt praktiziert: „Sie werden immer irgendeinen Operateur finden, der zu solch einem Eingriff bereit ist.“ Dennoch sieht auch er keinen Bedarf für eine gesetzliche Regelung. „Gott sei Dank gibt es die Hürde der ärztlichen Indikation: Ohne Attest eines Kinder-und Jugendarztes oder eines Jugendpsychiaters übernimmt keine Krankenkasse einen Schönheitseingriff.“
Bestehe der oder die Jugendliche dennoch darauf, sich operieren zu lassen, müssten die Eltern den sehr teuren Eingriff aus eigener Tasche bezahlen. Das wirke in den meisten Fällen abschreckend genug, meint Fegeler. Eine Brustvergrößerung etwa kostet mindestens 4.500 Euro, Fettabsaugen an Bauch, Hüfte und Po ab 3.500 Euro.
Der Kinderarzt ist der Meinung, dass manche Schönheitsoperationen bei Kindern und Jugendlichen sinnvoll sind. „Immer dann, wenn ein großes psychisches Leiden vorliegt. Bei extrem abstehenden Ohren, für die man in der Schule gehänselt wird, oder bei Jungen mit starkem Brustwachstum, die sich in keine Badeanstalt mehr trauen.“ Ausschlaggebend sei in solchen Fällen, dass das psychische Leiden von einem ärztlichen Gutachter bescheinigt werde, sagt Fegeler.