Die Zahl der Schönheitsoperationen im Libanon hat sich in den letzten Jahren mehr als verzehnfacht. Vor allem Männer lassen sich operativ verschönern – die jüngeren sind vorwiegend an der Optimierung der Nase interessiert. Hier existiert die einzige Bank weltweit, die Kredite für Schönheitsoperationen vergibt.

Es begann mit den Hüftpolstern. Wafiq Saab lag am Meer, als ihm auffiel, dass er mit den kleinen Fettwölbungen über seiner Badehose schlecht im Vergleich mit den anderen Männern abschnitt. „Das war ein großes Problem“, sagt er. „Ich habe mich schlecht gefühlt, wenn ich am Strand war, weil die meisten Menschen dort eine sehr gute Figur haben.“ Also wandte er sich an einen plastischen Chirurgen. Wo er schon mal da war, ließ er seine Nase gleich mit korrigieren.

Saab ist ein kräftiger Mann Mitte 30, er steht in seinem Herrenfriseursalon in der Beiruter Innenstadt, er sagt: „Natürlich ist es für Männer wichtig, gut auszusehen.“

In kaum einem Land boomt die kosmetische Chirurgie so stark wie ausgerechnet im krisengeschüttelten Libanon. Seit Jahren bereits sind Frauen, denen noch die Verbände über der Nase kleben, ein ganz alltäglicher Anblick im Zentrum von Beirut und in den Cafés am Mittelmeerufer. Seit Neuestem trägt auch eine stetig wachsende Zahl von Männern ihre Gesichtsverbände zur Schau. Experten schätzen, dass im Libanon jedes Jahr 1,5 Millionen kosmetische Operationen durchgeführt werden, zusätzlich zu zehn Millionen Behandlungen mit Botox oder Kollagenfillings.

Im International Medical Center in Hazmieh, einem Vorort im Osten der Stadt, arbeiten 36 Schönheitschirurgen. „Seit dem Jahr 2000 hat sich der Anteil der männlichen Patienten um das 10- bis 20-Fache vervielfacht. Mittlerweile kommen auf zehn Frauen etwa drei bis vier Männer“, sagt Elias Chammas. Unter den jüngeren Männern seien vorrangig Nasenkorrekturen nachgefragt. „In Beirut findet man heute kaum noch natürliche Nasen“, sagt Chammas und weiter: „Bei uns sind ,arabische Nasen' mit großem Höcker vorherrschend. Das empfinden die Leute aber nicht als schön.“ Ältere Männer wenden sich an den Chirurgen, weil sie schlaffe Lider gestrafft oder Tränensäcke entfernt haben wollen. „Früher waren Männer mit 60 Jahren alt“, sagt er. „Heute erwarten sie in diesem Alter noch was vom Leben, sie wollen vielleicht eine neue Freundin.“

Im Büro von Toni Nassar hängen monochrome Gemälde mit nackten Frauen an der Wand, auf seinem Schreibtisch liegt ein Haufen Silikonkissen. „Die Libanesinnen sind mit der kosmetischen Chirurgie sehr weit vorausgegangen. Nun ist es wie ein Wettrennen, bei dem die Männer das Gefühl haben, aufholen zu müssen“, sagt Nassar, der zu den prominentesten Chirurgen des Landes zählt. Es sei ein regelrechter Konkurrenzkampf ausgebrochen, bei dem es um die Frage geht, wer am meisten Geld und Aufwand in sein Aussehen investiert. Oftmals müsse er seine Patienten daher bremsen, immer wieder schickt er Mütter nach Hause, die schon zwölfjährige Kinder in seine Klinik bringen. „Schönheitsoperationen gelten als Statussymbol“, erklärt er. „Die Leute verheimlichen ihre Eingriffe nicht, sie sind stolz darauf.“

Es verwundert nicht, dass in Beirut die weltweit einzige Bank steht, die spezielle Schönheitsoperationskredite vergibt; der Werbeslogan verheißt: „Schönheit ist nicht länger ein Luxus.“ Maher Mizher, Marketingleiter der First National Bank, hat die Idee mitentwickelt. Er kniet sich vor den Tresor seines Büros und zieht das entsprechende Patent hervor. „Unsere Studie hat ergeben, dass Schönheit für die Libanesen Erfolg bedeutet“, erklärt er. „Das heißt, dass du nicht erfolgreich sein kannst, wenn du nicht schön bist.“

Als das Darlehen vor zwei Jahren auf den Markt kam, erkundigten sich jeden Tag 200 Leute nach den Bedingungen. Jeder dritte Antragsteller sei männlich, Tendenz steigend. „Wenn ein junger Mann sein Studium abschließt, aber eine hässliche Nase hat“, sagt Mizher, „dann ist das Erste, was man ihm sagen sollte: ‚Geh und lass dir die Nase richten, bevor du dich bewirbst.'“

Samir Khalaf, Professor für Soziologie an der American University Beirut, weiß, wie es so weit kommen konnte. „Die libanesische Kultur sendet Mädchen zwei widersprüchliche Signale: Sie müssen sexuell attraktiv sein, gleichzeitig aber wird ihnen das Recht verwehrt, ihre eigene Sexualität auszuleben“, erklärt er. Dieser Konflikt habe das Körperempfinden der Libanesinnen aus dem Gleichgewicht gebracht und zu einem Schönheitswahn geführt, der nun auch auf die Männer übergreift.

Hinzu kommen die Folgen der politischen Instabilität: Ein großer Teil der Libanesen ist während des Bürgerkriegs aufgewachsen, und auch seither ist das Land nie dauerhaft zur Ruhe gekommen. Die Beiruter Oberschicht stellt diesem Umfeld Hedonismus entgegen und feiert jede Nacht, als könnte es das letzte Mal sein. Und dort, wo nur der Augenblick zählt, wird Schönheit zum absoluten Wert. Samir Khalaf sagt: „Gehen Sie in die Bars, dann sehen Sie, wie sie versuchen, verlorene Zeit wettzumachen.“