Ob Tschernobyl oder Fukushima – können Mikroben radioaktive Verseuchungen beseitigen? Ja, behaupten Forscher. Doch die Sache hat einen Haken

Ob Tschernobyl, Fukushima oder die zahllosen Testgebiete für Atomwaffen in Russland oder den USA: Die radioaktive Verseuchung macht diese Orte noch für Jahrzehnte zur tödlichen Gefahr für alles Leben. Für eine Sanierung durch Menschen ist die Strahlung dort viel zu hoch.

Aber wie sieht es mit Mikroben aus? Könnten sie dabei helfen, radioaktive Abfälle zu entsorgen? Immerhin werden solche bakteriellen Helfer bereits zur Sanierung von Giftmülldeponien eingesetzt. Einmal in den verseuchten Boden entlassen, bauen die winzigen Einzeller selbst hochgiftige Schwermetalle in ungefährliche Stoffe um.

Geobacter - Uranfresser von Natur aus

Tatsächlich gibt es einige Bakterien, die sogar freiwillig radioaktives Uran "fressen". Einer davon ist Geobacter metallireducens, eine winzige stäbchenförmige Mikrobe. Ein Biologe entdeckte sie 1987 im Sand des Potomac Flusses nahe der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. Schnell zeigte sich, dass das Bakterium verschiedene Metalle chemisch verändert, um daraus Energie zu erzeugen.

Wird die Mikrobe auf uranverseuchten Schlamm oder Böden losgelassen, baut sie auch das radioaktive Metall um. "Dabei entsteht eine Uranform, die unlöslich ist und somit zusammen mit den Bakterien 'eingesammelt' werden kann", sagt Erwin Schneider, Professor für Biologie an der Humboldt-Universität Berlin und Experte für Mikroorganismen.

In "Rifle Mill", einer stillgelegten Uranmine im Westen des US-Bundesstaats Colorado, hat Geobacter seine Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt: Die Mikrobe entfernte 90 Prozent des gelösten Urans aus dem Grundwasser rund um die Mine, berichten Forscher des US Energieministeriums. Das allerdings dauerte einige Jahre. Und das Ausmaß der radioaktiven Verseuchung war längst nicht so groß wie heute in Fukushima.

"Conan das Bakterium" hält stärkster Strahlung stand

Es gibt eine weitere Mikrobe, die auch höchste Strahlendosen problemlos übersteht: Deinococcus radiodurans. Entdeckt wurde sie schon in den 1950er Jahren in Fleischkonserven der US-Armee. Diese waren mit hohen Dosen radioaktiver Strahlung sterilisiert worden - doch das Bakterium vermehrte sich dennoch in ihnen.

"Deinococcus übersteht extreme Strahlendosen von mehr als 10.000 Gray, ohne dass Zellen absterben", berichtet der US-Forscher Michael Daly. Zum Vergleich: Bereits fünf Gray gelten als für den Menschen tödlich. Die "Conan, das Bakterium" getaufte Mikrobe wäre damit als Entseuchungshelfer für die Fukushima-Reaktoren geradezu prädestiniert.

Aber es gibt ein Problem: Deinococcus findet die radioaktiven Giftstoffe nicht "schmackhaft" und wandelt sie daher auch nicht um. Forscher mussten das Bakterium daher erst per Genmanipulation zu einem geeigneten Helfer umbauen. Sie brachten Deinococcus dazu, Phosphat zu erzeugen und in die Umwelt abzugeben. Uran reagiert mit diesem Phosphat und bildet unlösliche Verbindungen. "Offenbar lässt sich aus Uranphosphat auch wieder reaktorfähiges Uran gewinnen, so dass hier ein Recycling vorstellbar ist", sagt Schneider.

Die Strahlung können auch die Mikroben nicht beseitigen

Doch das Ganze hat einen Haken: "Auch wenn die durch Bakterien produzierten Uransalze einfacher zu entsorgen sein werden, so bleibt doch die Strahlung erhalten", erklärt der Mikrobiologe. Der radioaktive Abfall ist damit auch nach dem Umbau durch die Mikroben eine tödliche Gefahr für das menschliche Personal.

Und noch etwas komme hinzu: "In Fukushima tritt Radioaktivität in die Umwelt und verteilt sich auf dem Boden oder in Gewässern, bleibt also nicht lokalisiert", sagt Schneider. Das werde mit Sicherheit eine Dekontamination durch Bakterien erschweren. "Es ist zudem derzeit völlig unbekannt, wie sich diese Bakterien beispielsweise in Gegenwart anderer Radionuklide außer Uran verhalten werden."

Von einer maßgeschneiderten "Supermikrobe" für die Sanierung von Fukushima und anderen havarierten Reaktoren sei man daher noch weit entfernt, sagt der Forscher.