Erst Stunden nach dem Sonnenbad offenbart die rote Farbe den schmerzhaften Fauxpas. Dann ist es schon zu spät. Heutige After-Sun-Präparate können die glühende Haut meist nur noch kühlen – doch geht es nach den Medizinern, so können sie in Zukunft auch heilen: Indem sie die Schäden direkt am Ort der Entstehung beseitigen: Im Erbgut.
Ist der Jungbrunnen der Zukunft eine After-Sun-Lotion? Geht es nach Tausenden von Hautforschern, dann hat die moderne Gesichtscreme genau diese Eigenschaften: Sie repariert und verjüngt, indem sie sprichwörtlich am Kern des Problems ansetzt: In den Zellkernen unserer Haut, direkt an der DNA.
In modernst ausgestatteten Firmenlabors identifizieren Forscher neue Wirksubstanzen und versuchen, deren phänomenale Wirkung wissenschaftlich zu belegen. Nicht allen Forschern gelingt das.
Unsere Haut ist mehrschichtig aufgebaut. Sie schützt uns und bildet ein Fenster zu unserer Umwelt. Doch UVA-, UVB- und Infrarotlicht dringen tief ein und können die Haut nachhaltig schädigen. Um dieses Massensterben zu verhindern, suchen Kosmetikfirmen und Dermatologen nach Möglichkeiten, das körpereigene Reparatursystem anzuregen und künstlich zu ergänzen. Der Wunschtraum ist eine Creme, die Altersschäden und Sonnendefekte wieder rückgängig macht.
Auf der Suche nach solchen Substanzen schweift der Blick der Forscher ins Reich der Lebewesen. So sind Blaualgen seit Jahrmillionen wesentlich höheren UV-Dosen ausgesetzt als der Mensch, aber auch besser vor der Strahlung geschützt. Das Enzym Photolyase in den Algen kann UV-bedingte Gendefekte ausmerzen.
Photolyase kann Erbgut reparieren
„Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Photolyase auch das menschliche Erbgut zu einem gewissen Grad reparieren kann“, betont der Dermatologe Michael Schön von der Universität Göttingen. Das ultraviolette Licht führt zum Zusammenlagern zweier Basenpaare in ein- und demselben DNA-Strang. Aus der typischen Doppelhelix löst sich ein kleines Teilstück heraus und bildet eine kleine isolierte Schlinge. Sie kann weitere Erbgutveränderungen auslösen. Die Photolyase kann die Schlinge wieder auflösen. Das Enzym konnte bei Probanden auf diese Weise 45 Prozent der Hautschäden regenerieren, wie eine Studie der Universität Düsseldorf ergab.
Dieses Ergebnis veranlasste den Arzneimittelhersteller Stada die Photolyase künstlich herzustellen, sie in Fettkügelchen einzubetten und in Sonnencremes sowie After-Sun-Produkte einzubringen. Auch die amerikanische Firma AGI Dermatics in Freeport hat eine DNA-Reparatur-Creme entwickelt, die unter anderem auf einem photolyasehaltigen Algenextrakt beruht.
Obwohl die Wirkungsweise weitgehend aufgeklärt ist, äußert sich Schön kritisch zu Kosmetika mit Photolyase: „Die Langzeitwirkungen sind unbekannt. Das gehört nicht in eine Creme.“ Thomas Schwarz, Dermatologe an der Universität Kiel, ist ebenfalls skeptisch: Die Dosierung in Kosmetika können niedriger sein als für medizinische Wirkungen erforderlich, warnt er. Ein strenger Wirkungsnachweis wie für Medikamente ist für Kosmetika nicht erforderlich. „Nur weil eine Wirkung versprochen wird, ist nicht gesagt, dass die Creme auch wirkt“, meint er.
Unterdessen geht die Suche nach der kosmetischen DNA-Reparatur weiter. Abseits von Sonnenmilch und After-Sun-Lotionen werden schon heute Cremes angeboten, die perfekten Schutz für den Zellkern versprechen. Produkte wie „DNA Skin Optimizer“ und „Sensai Premier - the Cream“ pflegen angeblich nicht nur die Hautoberfläche; nein, sie dringen bis zum Zellkern vor und protegieren diesen. Schädliche Umwelteinflüsse können so vom Erbgut abgewendet werden, glaubt man den Herstellern.
Im Einzelfall lassen sich solche Versprechen selbst für Dermatologen schwer beurteilen, zumal im Dunkeln bleibt, welche Substanz den Zellkern wovor bewahrt. Generell können viele Inhaltstoffe aus Kosmetika aber gar nicht in tiefere Hautschichten gelangen, geschweige denn die Zellwand oder gar den Zellkern passieren. Dazu sind die Moleküle schlichtweg zu groß und die Hülle des Menschen nicht dazu gemacht, allen Substanzen Einlass zu gewähren. Außerdem sind Stoffe, die direkt am Erbgut sitzen und es präventiv vor Schädigungen bewahren, unbekannt, warnt Caroline Kisker von der Universität Würzburg.
Klar ist, dass von der ultravioletten Strahlung mit das größte Risiko für DNA-Schäden ausgeht. Gefährlich können den Genen daneben aber auch reaktive Sauerstoffverbindungen, darunter so genannte Sauerstoffradikale. Sie fallen beim alltäglichen Stoffwechsel an, treten allerdings bei Entzündungen oder schädlichen Umwelteinflüssen gehäuft auf. Sie können die Bausteine des Erbgutes direkt angreifen und oxidieren. Schon lange werden Kosmetika deshalb Antioxidantien wie Vitamin E, Coenzym Q10 und Vitamin C zugefügt, die im Reagenzglas tatsächlich Radikale abfangen können. Ob sie dies auf und in der Haut in gleicher Weise bewerkstelligen können, ist jedoch fraglich. Antioxidantien nun als DNA-Schutzsystem zu bezeichnen, wäre nur alter Wein in neuen Schläuchen.
Ein neues Schutzsystem, das sich direkt an der DNA zu schaffen macht, ist dagegen das Enzym T4 Endonukleas aus Bakterien. Ähnlich wie die Photolyase beseitigt das Enzym massive Schäden am Erbgut, zum Beispiel nach dem Sonnenbad. Es sorgt dafür, dass die DNA anstelle der Dimere zerbricht. „Das klingt erst einmal verheerend: Ein Dimer wird in einen DNA-Strangbruch umgewandelt. Damit ist der Schaden augenscheinlich noch größer“, räumt Schön ein. Der Strangbruch kann jedoch von anderen körpereigenen Enzymen behoben werden.
Für Mondscheinkinder, bei denen das Reparatursystem Fehler hat, und die deshalb Sonne meiden müssen, wird die UV-Strahlung durch diese Umwandlung überhaupt erst verträglich. In einer Studie mit 30 Betroffenen, sank das Risiko für bestimmte Vorstufen von Hautkrebs um 30 bis 70 Prozent, wenn ein Jahr lang eine Creme mit dem Bakterienenzym aufgetragen wurde. „Dieser Wirkstoff wird derzeit in klinischen Studien getestet. AGI Dermatics will die T4-Endonuklease als Arzneimittel für Mondscheinkinder, aber auch für Menschen mit sonnenempfindlicher Haut auf den Markt bringen“, schildert Schwarz, der auch im Beirat der amerikanischen Firma sitzt.
Die Studien mit den Mondscheinkindern sind bereits abgeschlossen. „Die Firma versucht jetzt eine Zulassung bei der FDA zu bekommen“, sagt Schwarz. Das Urteil der Behörde wird damit darüber entscheiden, ob die T4-Endonuklease alsbald in verschreibungspflichtigen Sonnenschutzmitteln und After-Sun-Präparaten zu finden sein wird. Andernfalls steht ihr immer noch der Kosmetiksektor offen, für den man es mit den Wirkungen nicht immer so genau zu nehmen braucht.
Mit diesen DNA-Reparatur-Produkten für Sonnenmilch und After-Sun-Lotionen ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht: Auch die natürliche körpereigene Sonnenreparatur kann von außen angeregt werden, wie Schwarz entdeckt hat. „Man dachte ursprünglich, dass die körpereigene Reparatur sich nicht beeinflussen lässt. Dieses Dogma stürzt jetzt in sich zusammen“, so Schwarz. Mit Interleukin-12 und Interleukin-18 kennt er bereits zwei Zytokine, die die Reparatur nach einem Sonnenbad stimulieren. Beide Stoffe können die Hautzellen nach der UV-Bestrahlung vor dem Zelltod bewahren. Das Ergebnis ist: Die Haut sollte sich kaum noch schälen.
Allenthalben eignen sich beide Interleukine nicht als Inhaltsstoff für Cremes, weil sie extrem kostspielig sind. Daher suchen die Forscher nun nach einem indirekten Weg, die Zytokinkonzentration in der Haut zu erhöhen. Vor Nebenwirkungen können sie dabei jedoch nicht sicher sein. Denn Interleukin-12 heizt nicht nur der Reparaturinstanz der Haut, sondern auch das Immunsystem dauerhaft an. „Man muss aufpassen, dass man nicht unerwünschte Effekte wie Allergien oder Autoimmunreaktionen erzeugt“, warnt der Dermatologe.
In den Reparaturcremes sieht er auch eine generelle Gefahr: „Es darf nicht sein, dass wir beim Sonnenschutz nachlässig werden, weil wir glauben, dass sich der Schaden nachher wieder reparieren lässt. Die beste Prävention vor Hautkrebs ist und bleibt, sich nicht ungeschützt der Sonne auszusetzen.“
Eine andere Entdeckung stimmt die After-Sun-Hersteller schon zuversichtlicher. Barbara Gilchrest von der Boston University School of Medicine and Boston Medical Center entdeckte, dass kleine DNA-Abschnitte die Sonnenreparatur der Haut ankurbeln. Sie verhindern den Zelltod und stimulieren das Braunwerden. Als besonders wirksam erwies sich dabei das Dinukleotid pTT. Es verringert in Mäusen die Zahl der UV-Schäden um 40 Prozent. Die Gefahr eines Hautkrebses schrumpft drastisch. Was genau die DNA-Abschnitte bewirken, ist allerdings bislang nicht endgültig geklärt.
Umso bemerkenswerter ist, dass kurze DNA-Bruchstücke schon heute in Kosmetika zu finden sind, wie Ulrich Hengge, Dermatologe an der Hautklinik der Universität Düsseldorf beteuert. Sie würden zugesetzt, weil sie Wasser sehr gut binden können und so der Haut Feuchtigkeit liefern. Dass womöglich auch ein Effekt auf die körpereigene Sonnenreparatur ausgeübt wird, dürfte den Herstellern nicht bewusst sein.
Alles in allem hält Hengge jedoch einen anderen Weg für effizienter: Statt immerfort Wirkstoffe auf die Haut zu cremen, sollten die Zellen diese selbst produzieren. Dass eine derartige Gentherapie für die Schönheit möglich ist, hat er an Schweinen und Mäusen vorgemacht. In seinen Experimenten transportierten Fettkügelchen die Erbinformationen für Kollagen und Elastin in die oberen Hautschichten. Verblüfft stellte er fest: In den Versuchstieren nahmen ein Prozent der Zellen die Baupläne in ihr Erbgut auf. Diese Zellen bilden daraufhin für einige Tage vermehrt frische, lang gestreckte Proteine. „Diese Eiweiße sind Bestandteile der jungen Haut und können tiefe Furchen glätten“, sagt Hengge. Mit zunehmendem Alter, auch bedingt durch ausgiebige Sonnenbäder, verklumpen die Proteine dagegen.
In eine ähnliche Richtung weisen Experimente von Gijsbertus van der Horst von der Universität Rotterdam: Mit dem Einschleusen des Photolyase-Gens in die Haut von Mäusen wurden die Tiere deutlich widerstandsfähiger gegenüber ultravioletter Strahlung. Ein solcher Eingriff wäre daher auch beim Menschen denkbar. Seine Haut besäße dann einen eingebauten Sonnenschutz.
Eine gentherapeutische Lotion gibt es in den Drogeriemärkten jedoch bislang nicht. Seit 2004 ruhen Hengges Arbeiten an der Gen-Creme. „Anfragen bekomme ich bis heute noch jede Woche, was zeigt, dass das Interesse der Menschen da ist“, berichtet er. Doch für die Vermarktung des Produktes müssten umfangreiche Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit vorgelegt werden. Das sei den Kosmetikfirmen zu teuer.
„Die Zeit ist nicht reif“, kommentiert Hengge. „Ich bin jedoch optimistisch, dass dieses Konzept in Zukunft verwirklicht werden wird. Schönheit ist ein großer Motivationsfaktor. Die Anfragen der Betroffenen bestätigen mir das.“