Berlin. Die ehemalige ARD-„Tagesschau“-Moderatorin Eva Herman wohnt mittlerweile in Kanada. Hier sorgt sie für Unruhe. Was steckt dahinter?
- Eva Herman sorgt in ihrer kanadischen Wahlheimat für Ärger
- Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten lebt die 61-Jährige in der Provinz Nova Scotia
- Ihre Nachbarn sind von Herman nicht begeistert – doch warum? Und äußert sich Herman zu den Vorwürfen?
Schärfer kann sich Eva Herman nicht von der neutralen „Tagesschau“ abgrenzen als mit ihrem Verschwörungswirrwarr. Und doch verweist die 61-Jährige immer wieder auf ihren früheren Arbeitgeber: Es ist die Tragik der Eva Herman, dass sie stets die Ex-„Tagesschau“-Sprecherin bleiben wird.
Auch in ihrer zweiten, ja, wie kann man es nennen, Karriere? als „Autorin über Politik, Medien, Meinungsfreiheit“, wie sie sich auf ihrer Webseite bezeichnet. Und auch in ihrer Wahl-Teilzeit-Heimat Kanada gibt es Ärger.
Eva Herman dementiert Beteiligung an deutscher „Kolonie“
Der Internetauftritt ist mit blauer Weltkarte in „Tagesschau“-Optik gehalten – ihr renommierter Job, den sie 2007 nach einem Eklat verlor, ist bis heute identitätsstiftend für sie.
Auf ihrer Homepage liest man zunächst ein Dementi von ihr und Lebensgefährte Andreas Popp, Unternehmer und Betreiber der bei Ultrarechten beliebten Webseite „Wissensmanufaktur“: Der „Spiegel“-Bericht, „in welchem behauptet wird, dass Teilnehmer unserer Seminare, die wir regelmäßig auf der kanadischen Insel Cape Breton veranstalten, aufgefordert würden, Land zu kaufen“, sei falsch.
Die größten Talkshow-Eklats im TV
Dass sich in der Provinz Nova Scotia „deutsche Staatsbürger mit braunem Gedankengut“ angesiedelt hätten, die eine „Kolonie“ zu gründen suchten und die damit eine Menge Geld verdienten, sei ihnen nicht bekannt.
Hermans Wahlheimat liegt auf idyllischer kanadischer Insel
Tatsache ist: Herman und Popp haben es sich im idyllischen Cape Breton gemütlich gemacht. Popp besitzt dort seit 2004 ein „Refugium“, wie er es nennt. Sie züchten Gemüse, hören Countrymusik. Und sie posten Videos und geben Seminare zu den Lieblingsthemen „Zensur durch die deutsche Regierung“, „Lügenpresse“, „sogenannte Flüchtlinge“.
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Gern fabulieren sie über den bevorstehenden wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch des „nicht souveränen“ Deutschlands oder ganz Europas. In Kanada sei die Welt dagegen in Ordnung.
Deutsche sorgen in Kanada für Probleme
Tatsache ist auch: Die Bevölkerung in Nova Scotia ist angesichts dubioser Exildeutscher äußerst alarmiert. Der „Halifax Examiner“ griff die „Spiegel“-Geschichte auf. „Falls wir vorher nichts von diesen Leuten wussten, wissen wir es jetzt. Und um es klar zu sagen: Sie sollen sich verpissen“, schreibt Leserin Katie Beaton unter den Artikel. „Besorgniserregend“, schreibt ein anderer, „ich habe die beiden schon hier auf dem Markt gesehen.“
Die polnische Gemeinschaft, viele von ihnen Nachkommen von Holocaustüberlebenden, hat sich angesichts der mutmaßlichen rechtsextremen Bewegung an den Generalstaatsanwalt von Nova Scotia gewandt.
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„Wir distanzieren uns von diesen Leuten“
In der Provinz lebt ein freundlicher, offener und unprätentiöser Menschenschlag, man ist stolz auf den liberalen kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau und darauf, dass Kanada als das „gute“ Amerika gilt: „Wir distanzieren uns von diesen Leuten. Hier leben viele Deutsche, und die wollen nichts damit zu tun haben“, sagt Cornelia Lorenz von der deutschen Schule in Halifax.
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Politiker sehen keinen Platz für extremistisches Gedankengut
Auch der Parlamentsabgeordnete Mike Kelloway aus Cape Breton ist besorgt. Aus rechtlichen Gründen will er sich nicht zu Eva Herman äußern, sagt jedoch: „In unserer Gesellschaft und in unserem schönen Cape Breton ist kein Platz für extremistisches Gedankengut jeglicher Art.“ Er ruft die Bevölkerung auf, jeden Rechtsverstoß zu melden, etwa die Leugnung des Holocausts.
Herman spricht von „Überwachungsstaat“ und Weltuntergangsszenarien
Den Holocaust leugnet Herman nicht. Ihre Videos und Artikel stehen eher im Mittelfeld der nach unten offenen Xavier-Naidoo-Attila-Hildmann-Skala. Sie nudelt die üblichen Weltuntergangsszenarien ab, den „Überwachungsstaat“, die „Sexualisierung“ in der Kindererziehung.
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Herman verpackt Angstmacherei in Esoterik
Ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass sie ihre Ängste schürenden Pamphlete in Esoterikgeschwurbel verpackt. So spricht sie von einer „übergeordneten Weisheit, die der gesamten Schöpfung“. Oder: „Die Seele könnte aufatmen, doch irgendetwas lähmt unsere Freude. Es ist eine diffuse Angst. (...). Kriegstrommeln werden geschlagen, die Dolche gewetzt.“ Diese Sätze stehen unter einem Foto, das an das Cover einer Meditations-CD aus dem Drogeriemarkt erinnert.
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„Frau an den Herd“-Parolen
Alles begann mit „Frau an den Herd“-Parolen. Wer oder was sie, damals die beliebteste deutsche Moderatorin, dazu trieb, plötzlich in Büchern wie „Das Eva-Prinzip“ (2006) alten Rollenzwängen hinterherzutrauern, bleibt ein Rätsel. Herman hatte schließlich alle von ihren Geschlechtsgenossinnen erstrittenen Rechte genutzt, Karriere gemacht, sich dreimal scheiden lassen. Sie machte trotz Warnungen ihrer Vorgesetzten weiter damit, ihre Rückwärtsmeinungen zu verkünden. Es folgte das Aus beim NDR.
Eva Hermans Lesung wurde zum Desaster
Danach legte sie erst richtig los. Bei einer Lesung 2007 verhedderte sie sich in Aussagen wie jener, die 68er hätten die Wertschätzung für Mütter abgeschafft. Viele Kommentatoren entzifferten ihre Schachtelsätze als Verteidigung der Familienpolitik des Dritten Reiches.
Zuletzt brachte sie entfesselte Bücher wie „Blutgericht Europa“ heraus. Tiefpunkt: ein Kommentar über das Loveparade-Unglück, in dem sie von einem „schamlosen Treiben“ schrieb. Das Aus beim Fernsehen indes bedeutete für Herman einen Verlust an Ansehen und auch eine finanzielle Talfahrt bis in die Privatinsolvenz.
Vielleicht versprach sie sich Linderung von der Schmach, indem sie sich zur Aufklärerin und Märtyrerin hochhalluzinierte. Sie habe ihr Ende beim NDR aus „Verantwortung“ provoziert, sagt sie in einem ihrer Clips. Sie habe nicht mehr ertragen, „dass die (Zuschauer) vorm Fernseher sitzen und glauben, was ich dort sage“. Umdeuten, bis es in ihr Welt- und Selbstbild passt – das scheint das wahre „Eva-Prinzip“ zu sein.