Berlin. Eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren kommt absehbar nicht: Da vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag keine Mehrheit in Sicht ist, rückten die Befürworter davon ab. Stattdessen präsentierte die Gruppe von Abgeordneten aus SPD, FDP und Grünen am Montag einen Kompromissvorschlag: Demnach soll eine Impfpflicht gegen das Coronavirus ab dem 1. Oktober nur für alle Menschen ab 50 Jahren gelten.
Bürgerinnen und Bürger im Alter von 18 bis 49 müssen demnach bis zu dem Stichtag einen Nachweis erbringen, dass sie geimpft sind oder zumindest ein Beratungsgespräch wahrgenommen haben. Auf alle Volljährigen soll die Impfpflicht nur ausgeweitet werden, wenn dies aufgrund des Pandemieverlaufs erforderlich scheint.
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Bisher keine Einigung auf gemeinsames Modell
Der ursprüngliche Vorschlag der Gruppe für eine allgemeine Impfpflicht wird von 237 Abgeordneten getragen und hat damit eine so große Unterstützung wie kein anderes Modell. Dies reicht jedoch nicht für einen Beschluss in der Bundestagssitzung am Donnerstag. Bisherige Einigungsversuche mit anderen Gruppen waren erfolglos geblieben. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Dagmar Schmidt sprach daher von einem Kompromissangebot an die fraktionsübergreifende Gruppe um den FDP-Politiker Andrew Ullmann sowie an die Unionsfraktion.
Ullmann schlägt zunächst eine verpflichtende Beratung vor. Eine Impfpflicht ab 50 sieht der FDP-Politiker erst vor, wenn die Aufklärungsgespräche nicht zu einer deutlich höheren Impfquote führen. Auch die Union setzt auf eine Art Vorratsbeschluss. Das reicht den bisherigen Befürwortern einer allgemeinen Impfpflicht jedoch nicht. „Wir müssen zum Herbst die Impfquote relevant gesteigert haben“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Till Steffen. „Wenn wir das nicht leisten, kann man sich den ganzen Kram sparen.“
Scholz wollte die Impfpflicht ab 18
Die Verschiebung der Altersgrenze ist ein Entgegenkommen an die Abgeordneten um Ullmann. Um die Union ins Boot zu holen, geht die Gruppe der Impfpflicht-Befürworter nun auf deren Forderung nach dem Aufbau eines Impfregisters ein. Bei der Erhebung der Daten sollen die Krankenkassen eine zentrale Rolle spielen. Die Impfpflicht wird dem Vorschlag zufolge mit drei Impfungen erfüllt.
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Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) hatten sich für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ausgesprochen. Dass dieses Modell nun absehbar keine Mehrheit im Bundestag findet, ist eine Niederlage für Scholz. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Schmidt machte deutlich, dass der nun vorgelegte Kompromiss vom Kanzler mitgetragen wird.
Lauterbach: Wer gegen Impfpflicht ist, riskiert einen Lockdown
Auch Lauterbach stellte sich hinter den Vorstoß: Dieser nehme das Wichtigste aller Anträge zur Impfpflicht auf, sagte der Gesundheitsminister. „Jeder, der die Impfpflicht will, kann sich hier wiederfinden. Wer aber dagegen stimmt, riskiert erneut Lockdowns und Leid im Herbst.“
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Es ist jedoch sehr unsicher, ob das Kompromissmodell am Donnerstag die erforderliche Mehrheit bekommt. Dafür käme es vor allem auf die 197-köpfige Unionsfraktion an. Deren Gesundheitsexperte Tino Sorge äußerte sich jedoch umgehend kritisch zu dem neuen Vorschlag: Dieser sei kein fachlicher Kompromiss, sondern ein „letzter Versuch politischer Gesichtswahrung“ der Ampel-Koalition, erklärte der CDU-Politiker. Die geplante Beratungspflicht sei „lebenspraktisch nicht umsetzbar“ und die altersbezogene Impfpflicht „verfassungsrechtlich unhaltbar“.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.