Für gute Beziehungen zu ihren Ländern genießen Diplomaten in Deutschland rechtliche Immunität. Im Straßenverkehr wird dieser Status allerdings zum Freifahrtschein. Allein in Berlin haben sich im vergangenen Jahr 8400 unbezahlte Strafzettel angehäuft. Doch nicht nur im Verkehr halten sie wenig von gutem Benehmen.
Die Politessen kennen die Ausreden der Parksünder nur zu gut: entweder sie sind in Eile oder sie haben kein Parkplatz gefunden oder „es hat ja bloß drei Minuten gedauert“. Doch während beim normalen Autofahrer im schlimmsten Falle der Fernseher gepfändet wird, wenn er sein Knöllchen nicht bezahlt, können Diplomaten die Strafzettel einfach wegwerfen. Egal, wie sehr sie sich daneben benehmen – ihnen passiert nichts.
8400 Strafzettel und Ordnungswidrigkeiten im Wert von fast 160.000 Euro haben die werten Damen und Herren im vergangenen Jahr in Berlin angehäuft, wie der Berliner Senat auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Peter Trapp mitteilte. Tendenz steigend.
Vor allem beim Parken scheint den Landesvertretern ihre Etikette gänzlich abhanden zu kommen. Doch auf der Liste des Senats stehen noch ganz andere Delikte, die eher zu Ghetto-Kids passten, denn zu Würdenträgern: Diebstahl, Trunkenheit im Straßenverkehr oder Körperverletzung. 55 Mal waren Botschaftsangehörige in Unfälle verwickelt, 27 begingen sie Fahrerflucht, 23 Menschen wurden dabei verletzt.
Spitzenreiter der Diplomaten-Verkehrsrowdys: Saudi-Arabien, Russland, Ägypten, China, Libyen, Iran, Polen, Frankreich und Griechenland. Wie übrigens schon im vergangenen Jahr.
Die Dunkelziffer der Vergehen dürfte allerdings weit höher liegen. Vielen Parksünden ist das Ordnungsamt gar nicht erst auf die Schliche gekommen, weil die Berliner Politessen wegen ihres Streiks zuhause blieben. Eigentlich hatten die Statistiker deshalb auch mit einer fünfstelligen Zahl gerechnet wie schon 2007. Damals kletterte die Zahl auf mehr als 12.000. Rund 200.000 Euro an Bußgeldern gingen der Stadt Berlin deshalb verloren.
Außerdem wissen die Mitarbeiter der Ordnungsämter seit dem Umzug der Botschaften von Bonn nach Berlin ohnehin um ihre vergebliche Liebesmüh. Die Arbeit, das Zettelchen hinter die Windschutzscheibe zu patschen, können sie sich gleich sparen, wenn der falsch abgestellte Wagen das Diplomaten-Kennzeichen mit der dafür typischen Null führt.
“Ein Diplomatenkennzeichen darf nicht gleichbedeutend mit Narrenfreiheit sein“, fordert deshalb der CDU-Abgeordnete Trapp. Der Senat solle stärker auf die Botschaften einwirken, sich an die deutsche Straßenverkehrsordnung zu halten.
Etwas anderes wird ihm kaum übrig bleiben, denn die Polizei darf aufgrund eines völkerrechtlichen Abkommens aus dem Jahr 1961 nicht härter durchgreifen. Der Vertrag regelt den Schutz des Diplomaten vor Strafverfolgung. „Nach dem Wiener Übereinkommen für diplomatische Beziehungen genießt der Diplomat weitreichend rechtliche Immunität“, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes Morgenpost Online. Dies gelte auch bei schwerwiegenden Straftaten wie etwa Vergewaltigung oder Mord.
Heißt im Umkehrschluss: Die Geschädigten baden das schlechte Benehmen der Diplomaten aus. Denn nicht nur im Straßenverkehr nehmen sich manche Diplomaten das Recht heraus, durch ihren Status die Regeln des Gastlandes zu ignorieren. Für die Jahre 2002 bis 2007 haben sich laut Bundesregierung Forderungen von Dienstleistern auf mehr als 12 Millionen Euro angesammelt. Darunter sind unbezahlte Rechnungen von Handwerkern, Ärzten, Telefonanbietern und Vermietern.
Die Bundesregierung kommt für diese Schäden nicht auf. „Wir nehmen die uns mitgeteilten Verstöße aber sehr ernst“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die Behörde suche dann mit den Mitarbeitern der jeweiligen Ländervertretung nach einer Lösung.
So wie in dem Fall von Nicolai A., ein Ex-Botschafter Bulgariens. Er fuhr in Berlin Schlangenlinien und konnte erst nach längerer Verfolgung von der Polizei gestoppt werden. Als die Beamten den Autoschlüssel des Mannes konfiszierten, fuhr er einfach mit dem Ersatzschlüssel weiter und rammte einen Polizisten. In diesem Fall hatte das schlechte Benehmen Konsequenzen: Bulgarien zog den Botschafter ab.