Angehörige der russischen Botschaft haben in der Nacht in Berlin einen schweren Unfall verursacht. Weil sie Diplomaten sind, bleibt das für sie folgenlos.

Zwei russische Diplomaten haben in der Nacht zum Dienstag nahe des Amtssitzes des Bundespräsidenten eine schweren Unfall verursacht. Die Männer rammten in der Bellvuestraße zunächst vier Straßenpoller, anschließend beschädigten sie mit ihrem schwarzen BMW in der Lennestraße fünf parkende Autos. Die Botschaftsanghörigen wollten zunächst weiterfahren - doch ein Rad ihres Wagens war so beschädigt, dass sie nicht weit kamen. Vermutet wird, dass der Fahrer betrunken war - was die Polizei am Ort des Geschehens jedoch nicht überprüfen konnte. Ein Alkoholtest konnte aufgrund der diplomatischen Immunität der Verdächtigen nicht gemacht werden. Der Unfallfahrer behauptete, nicht gefahren zu sein. Er wurde nach einer Personalienüberprüfung entlassen.

Schon oft kam es in Berlin zu massiven Verlehrsstörungen durch Diplomaten: Sie rasen, sie fahren betrunken, begehen Fahrerflucht, parken in Verbotszonen. Und sie kommen ohne Knöllchen davon. Einige der etwa 6000 Diplomaten in Berlin erweisen sich im Schutz ihrer Immunität auch als hemmungslose Verkehrssünder. Erst Anfang Mai hatte der Fahrer eines Botschaftsfahrzeugs der Republik Südkorea hatte in der Nacht die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Auch bei diesem Diplomaten wurde vermutet, dass er betrunken war. Das Auto war so stark beschädigt, dass es abgeschleppt werden musste. Mit einer strafrechtlichen Verfolgung muss der Fahrer - wie auch der russische Botschaftsangehörige - wegen seiner diplomatischen Immunität nicht rechnen. Der Mercedes des Koreaners war von der Fahrbahn der Gneisenaustraße abgekommen und hatte mehrere Betonsteine beschädigt, die zur Begrenzung eines Blumenbeetes dienen. Die drei Südkoreaner verließen nach der Klärung ihres diplomatischen Status den Unfallort.

Die diplomatische Immunität jede inländische Strafverfolgung aus. Deswegen wurden in der Vergangenheit sämtliche Verfahren durch die Berliner Staatsanwaltschaft gemäß §170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt. So seien im Jahr 2009 in Berlin 8610 Verkehrsordnungswidrigkeiten für Fahrzeuge mit Diplomatenkennzeichen registriert worden, die deshalb nicht verfolgt wurden. Im gleichen Zeitraum wurden 25 Fälle des „Verdachts eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort“ registriert.

In Fällen von stark angetrunkenen Fahrern mit Diplomatenausweis dürfe ausnahmsweise „Zwang gegen einen Diplomaten angewandt werden, wenn dies zu seinem eigenen Schutz oder zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib und Leben anderer erforderlich ist“. So könne ein „erkennbar alkoholisierter Diplomat“ an seiner Weiterfahrt gehindert werden. Wirke ein solcher Fahrer angetrunken, aber noch in der Lage, seinen Wagen zum Ziel zu bringen, könne die Polizei ihn eskortieren. Räume einer Botschaft dürften ohne Genehmigung nicht betreten werden.

So musste auch Nicolai A., ein Ex-Botschafter Bulgariens, keine Strafverfolgung fürchten. Er fuhr 2004 in Berlin Schlangenlinien und konnte erst nach längerer Verfolgung von der Polizei gestoppt werden. Als die Beamten den Autoschlüssel des Mannes konfiszierten, fuhr er einfach mit dem Ersatzschlüssel weiter und rammte einen Polizisten. In diesem Fall hatte das schlechte Benehmen Konsequenzen: Bulgarien zog den Botschafter ab.

Behörden sind Hände gebunden

2008 kamen in Berlin für Diplomaten insgesamt 8400 Strafzettel und Ordnungswidrigkeiten zusammen - das sind rund 160.000 Euro in Strafgeldern, die vor alem wegen Falschparkens anfielen. Außerdem auf der Liste 2008: Fälle von Diebstahl, Trunkenheit im Straßenverkehr oder Körperverletzung. 55 Mal waren Botschaftsangehörige in Unfälle verwickelt, 27 begingen sie Fahrerflucht, 23 Menschen wurden dabei verletzt. Spitzenreiter der Diplomaten-Verkehrsrowdys: Saudi-Arabien, Russland, Ägypten, China, Libyen, Iran, Polen, Frankreich und Griechenland. Wie auch schon 2000. Da war allerdings die Zahl der gemeldeten Delikte höher.

Im Jahr 2007 zählte die Polizei 12.025 Verkehrsdelikte von Botschaftsangehörigen und ihren Familien. Dafür wären rund 200.000 Euro an Bußgeldern fällig geworden, wenn die Immunität nicht wäre. 2005 verzeichnete die Statistik noch 6879 Verkehrsordnungswidrigkeiten von Diplomaten, im Folgejahr waren es bereits 10.179. Angst vor Bestrafung müssen die Auslandsvertreter nicht haben. Sie sind durch die diplomatische Immunität vor jeglicher Strafverfolgung geschützt. Andere Delikte werden deshalb gar nicht erst detailliert erfasst, erklärte seinerzeit Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Es seien zwar Anzeigen wegen Diebstahls und Körperverletzung geschrieben worden. In allen Fällen sei das für die Verdächtigen aber folgenlos geblieben. Den Behörden sind schlicht die Hände gebunden.

Der CDU-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus Peter Trapp, der jährlich per Anfrage die entsprechenden Daten von der Landesregierung abfragt, sprach zuletzt angesichts der Vorfälle von einer "erstaunlichen" Entwicklung. Frustrierend sei das vor allem für die Polizei. "Das heißt ja, die Beamten arbeiten größtenteils für den Papierkorb. Die Verkehrssünden müssen ja trotzdem aufgenommen werden", so Trapp. Die Privilegien seien zudem für all jene ärgerlich, die gewissenhaft ihre "Knöllchen" bezahlen. "Die Folge muss sein, dass das Außenministerium die Botschaften anweist, dass sich ihre Mitarbeiter an die hier geltenden Gesetze halten sollen", forderte er.

Appelle an die Moral

Doch auch das Ministerium kann nur nach buchstäblich diplomatischen Lösungen suchen, wie eine Sprecherin bestätigte. Das Auswärtige Amt werde zwar stets informiert, wenn Rechtsverstöße von diplomatischem Personal aktenkundig werden. Seine Sanktionsmöglichkeiten seien jedoch beschränkt. Das Amt setze bisweilen Botschafter in Kenntnis, wenn deren Personal in Straftaten verwickelt sei, sagte die Sprecherin. Falls sich Verstöße bei bestimmten Personen häuften, werde das Gespräch mit der betreffenden Botschaft gesucht und notfalls der Botschafter einbestellt. Die schärfste mögliche Sanktion sei es, jemanden zur "unerwünschten Person" zu erklären, der die Bundesrepublik dann verlassen müsse. So weit komme es aber nur selten.

Eine Erfahrung, die auch die Polizeigewerkschaft teilt. Selbst schwerere Fälle von Schmuggel oder Spionage würden "meist diskret" geregelt, sagte GdP-Landeschef Eberhard Schönberg. Es hilft also offenbar nur die Bitte um mehr Etikette im Gastgeberland. Vor allem an die Vertretungen von Saudi-Arabien, Russland, Ägypten und China. Ihre Diplomaten fielen besonders häufig negativ auf.