Berlin. Ja, Geschichte kann sich wiederholen, auch im Fußball. Wieder war noch eine Viertelstunde zu spielen, als sich die Ovationen der 20.789 Zuschauer in der Alten Försterei in ohrenbetäubenden Lärm zu verwandeln drohten.
Wieder war es der Moment, in dem Sebastian Polter nach auskurierter Verletzung (Mittelfuß) sein Comeback für den 1. FC Union feiern sollte. Vergangenen September kehrte er nach einem Achillessehnenriss zurück. Und erneut traf er gleich wieder für den Berliner Fußball-Zweitligisten, wieder in der vierten Minute der Nachspielzeit, seinerzeit gegen Holstein Kiel, nun gegen den SC Paderborn.
Hier jedoch endet die Wiederholung eines Fußballmärchens, das man sich bei den Köpenickern so erhofft hatte. Denn Polters sechstes Saisontor war beim 1:3 (0:1) gegen die Paderborner nicht mehr als die berühmte Ergebniskosmetik. Damals, beim 2:0 gegen Kiel noch gefeierter Held, stand Polter nun eher bedröppelt vor den Fragen, die kommen mussten. Warum endete die 14 Monate andauernde Serie von Heimspielen ohne Niederlage nach 20 Partien derart abrupt?
Union spielt gut – und verliert
Polter, nie um eine Antwort verlegen, versuchte es zunächst mit einem Lächeln, das angesichts des herben Dämpfers im Aufstiegsrennen allerdings arg gequält daherkam. Schließlich sagte der Stürmer: „Heute haben wir nichts für unser Glück getan. Ich hätte mir lieber kein Tor gewünscht, dafür aber gewonnen.“
Die Partie gegen die Paderborner weckte Erinnerungen an Per Mertesacker. Der inzwischen Ex-Nationalspieler hatte auf dem Weg zum WM-Titel 2014 mit seinem legendären Interview nach einem sehr mühsamen Achtelfinal-Sieg gegen Algerien die Frage aufgeworfen, mit der sich auch so mancher Union-Fan beschäftigen wird. „Wollen Se ‘ne erfolgreiche WM oder sollen wir wieder ausscheiden und haben schön gespielt?“
Den Hintergrund der Frage lieferte Union in den gut 90 Minuten am Sonnabend selbst. Anders als noch zuvor im Heimspiel gegen den FC Ingolstadt (2:0) zeigte Union eine gute Partie, hatte diverse Torchancen – und stand doch mit leeren Händen da. Zum zweiten Mal in Folge in dieser Saison. „Wenn man mir das nicht erzählt hätte, hätte ich es gar nicht geglaubt“, sagte Polter. Das 1:2 von Heidenheim vor der Länderspielpause war plötzlich wieder präsent.
Union-Trainer Fischer: „Zu viele Fehler“
Union gegen Paderborn war auch das Duell zweier Trainer, die längst Ikonen bei den Köpenickern sind – oder es mit dem Aufstieg werden können: Urs Fischer, der Union in die Bundesliga führen soll, und Steffen Baumgart, Stürmer und Kapitän aus Unions erster Zweitliga-Zeit (2001-2004) und seit knapp zwei Jahren Paderborns Coach.
Ein Blick auf die Trainer ließ früh erahnen, in welche Richtung die Partie gehen würde. Hier der Schweizer Fischer, der eher ruhiger, eines Orchester-Chefs gleich, das Spiel seiner Mannschaft verfolgt, hier und da leicht korrigierend, auch wenn ihm keineswegs immer gefiel, was die Seinen darboten. Dort Steffen Baumgart, der in seiner Trainerzone tigernd das Spiel praktisch mitspielte, jeden Pass, jeden Laufweg, jeden Zweikampf.
Dieser von Baumgart vorgelebte Hurra-Fußball wurde Union schließlich zum Verhängnis. So ärgerte sich Union-Coach Fischer „nicht zwingend über die Niederlage, sondern über die Art und Weise“ und monierte „zu viele individuelle Fehler“. Dabei hatte Union den Aufbau des Gegners in der ersten Viertelstunde „erstickt“, so der Schweizer.
Union vergibt zahlreiche Chancen
Doch als nach 41 Minuten Paderborns Christopher Antwi-Adjei nicht angegriffen wurde und aus 18 Metern ungehindert zum 0:1 einschießen konnte, nahm das Verhängnis seinen Lauf. Dass Union gute Möglichkeiten durch Carlos Mané (1.), Robert Zulj (10., 20.) und Suleiman Abdullahi (35.) hatte liegen gelassen – geschenkt.
Der Kopfball von Sebastian Andersson hätte gleich nach der Pause die Wende einleiten können (48.). Doch er wirkte eher wie ein Weckruf für die Paderborner, immer wieder angetrieben durch die flinken Kai Pröger und Sven Michel. Ben Zolinskis Lupfer hätte schon die Vorentscheidung bringen können (49.), ebenso sein Versuch in der 54. Minute, der zu einem Schüsschen verkam. Nach einer Michel-Chance (70.) überstand Union das Tohuwabohu im eigenen Strafraum.
Doch als erst Andersson (83.), dann Zulj (85.) erneut den Ausgleich verpassten, schlugen die Gäste doch noch zu. Ein humorloser Befreiungsschlag von Klaus Gjasula landete bei Michel, der erst Marcel Hartel düpierte und dann am herauseilenden Torwart Rafal Gikiewicz zum 0:2 vorbeischob (87.). Philipp Klements trockener Schuss ins kurze Eck, bei dem Linksverteidiger Christopher Lenz nicht gut aussah, besiegelte die Niederlage (90.+2). „Schlussendlich war der Sieg verdient“, sagte Union-Trainer Fischer. Polters Comeback war da nicht mehr als eine Randnotiz.
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