Berlin. In der Nacht zum Sonntag, nach dem ernüchternden 0:2 gegen Paderborn, habe er schon kaum geschlafen, erzählte Sascha Lewandowski. Der Eindruck, den der Trainer des 1. FC Union dabei hinterließ: enttäuscht, ernüchtert, fast schon desillusioniert.
„Wir müssen uns grundsätzliche Fragen stellen. Die werde ich mit dem Trainerteam diskutieren und auch mit der Vereinsführung“, sagte Lewandowski, dessen Team nach dem Bielefelder Remis gegen Sandhausen als Tabellen-15. nur noch zwei Punkte von den Abstiegsplätzen trennt.
Die Morgenpost beantwortet die drei drängendsten Fragen.
Was kann der Trainer noch tun?
Nicht mehr viel. Auch deshalb die Ratlosigkeit bei Lewandowski, der deutlich machte: „Ich habe den Eindruck, schon an ziemlich vielen Stellschrauben gedreht zu haben.“ Der aktuelle Kader habe schon „jede Grundordnung der Welt gespielt, jeder hat schon auf unterschiedlichen Positionen agiert. Es wurde auch schon um acht Uhr morgens trainiert, der Kader war auch schon zweimal in Kienbaum.“
Das klingt, als sei Lewandowski mit seinem Latein am Ende. Dem entgegen steht der Ehrgeiz des Trainers, trotzdem eine Lösung zu finden, selbst wenn die Situation noch so verfahren ist. „Ich bin keiner, der sich aus der Verantwortung zieht.“
Und er nimmt die Spieler in die Pflicht. Beispiel Bobby Wood, der gleich zweimal bei Kontersituationen den besser postierten Sören Brandy übersehen hatte. „Jeder hängt in der Nummer mit drin“, sagte Lewandowski. Das Spiel gegen den Bundesliga-Absteiger sei „kollektiv schlecht gewesen. Wer da jetzt noch anfängt, sich jemanden rauszupicken und mit dem Finger auf ihn zu zeigen, der ist komplett auf dem falschen Weg.“
Reicht die Qualität des Kaders aus?
Offensichtlich nicht. Trotz Umstellung auf die Viererkette in der Abwehr sind es hanebüchene Fehler, die immer wieder zu Gegentoren führen. Profis wie Stephan Fürstner oder auch Benjamin Kessel wurden vor der Saison als Führungsspieler geholt, blieben jedoch bislang hinter den Erwartungen zurück. Langjährige Unioner wie Kapitän Damir Kreilach oder Sören Brandy gelingt es nicht, das Team wachzurütteln. Schon vor Wochen hatte Lewandowski festgestellt, gerade im Mittelfeld viele Spieler für viele Positionen zu haben. Echte Spezialisten, defensiv wie offensiv, würden jedoch fehlen.
Der Frage, ob der Kader von seinem Vorgänger Norbert Düwel falsch zusammengestellt wurde, tritt Lewandowski energisch entgegen. „Es ist meine Mannschaft, weil ich ja nun auch schon seit neun Wochen mit ihr arbeite. Punkt.“ Dennoch stellt auch Lewandowski die Qualitätsfrage, wenn auch an anderer Stelle: Im Spiel gegen Paderborn „sind wir 18 Mal weggerutscht. Der Boden war seifig, aber es war unser Rasen. Wir sind gut beraten, jetzt auch zu gucken, wie sieht die Vorbereitung der Spieler aus. Dann möchte ich auch nicht mehr über andere Sachen diskutieren, wenn diese Basics nicht stimmen.“
Noch vor zwei Wochen hatte Lewandowski um Geduld bis zur Winterpause gebeten. Diese Geduld scheint schon aufgebraucht. Veränderungen im Kader im Winter wären keine Überraschung. Lewandowski: „Wir werden jetzt auch nicht zu absolut werden, aber ein bisschen agieren müssen wir schon.“
Wie reagieren die Fans?
Einer der Grundsätze der Union-Anhänger lautet: Pfeife nie die eigene Mannschaft aus. Auch gegen Paderborn feuerten die Fans ihr Team an bzw. feierten sich selbst, so wie sie es immer tun.
Erst nach dem Spiel, als sich die Mannschaft auf ihrer obligatorischen Ehrenrunde befand, schallte den Profis ein lautes „Aufwachen, aufwachen“ entgegen. Diese totale Unterstützung ist durchaus ehrenhaft, muss jedoch nicht immer zielführend sein.
Es wäre nicht das erste Mal, dass bei einer Mannschaft durch die entsprechende Reaktion von den Rängen Kräfte freigesetzt würden.
Fazit: Das Saisonziel, die Plätze eins bis sechs, muss Geschichte sein, der Blick muss nach unten gehen. Willkommen im Abstiegskampf.