Ein gewöhnliches Spiel ist es nicht. Zwar kommt am Sonntag nicht das attraktivste Gegner, der VfR Aalen ist Tabellenletzter der Zweiten Liga (13.30 Uhr, Alte Försterei, Sky). Und auch die eigene Platzierung macht die Partie für den 1. FC Union nicht reizvoller als andere. Dafür tritt der Fußballklub aus Köpenick zum 300. Mal in der zweithöchsten Spielklasse an. Im Stadionheft gibt es aus diesem Anlass gleich zwei Sonderseiten. Es wird also kein Sonntag wie jeder andere.
Für dieses besondere Spiel durfte Bajram Nebihi werben. Auf kleineren und größeren Plakaten weist Union immer auf seine Heimspiele hin, das Konterfei eines der Profis ziert sie. Diesmal war eben Nebihi dran. Als Union am 30. Juli 2001 erstmals in der Zweiten Liga auflief, spielte der gebürtige Kosovare als Zwölfjähriger noch für den FC Grün Weiss Ingolstadt in der Jugend. Jetzt ist er 26 Jahre alt und versucht Fuß zu fassen – bei Union, im höherklassigen Fußball und überhaupt. Dass er auf dem Plakat zu sehen ist, könnte vielleicht ein Hinweis sein, dass er endlich den richtigen Weg gefunden hat.
Vergangene Woche gegen Sandhausen (1:1), da fiel Nebihi auf. Als er zur Halbzeit eingewechselt wurde, war er einer der Faktoren, die den Berlinern nach schwacher erster Hälfte zu einer guten zweiten verhalf. „Ich hatte noch nicht viele Einsätze, dieser war jetzt mal länger. Das hat Spaß gemacht“, sagt der Stürmer. Es sah aus, als hätte er etwas mitgenommen aus den vergangenen Wochen und Monaten. Zumindest fühlt es sich so an für ihn. „Die Trainer reden oft mit mir. Ich konnte schon etwas umsetzen, sonst hätte ich nicht gespielt“, so Nebihi. Dass vier seiner sechs Einsätze in der Rückrunde stattfanden, passt zu seinem Empfinden.
300. Zweitligaspiel von Union
Er weiß, wie es ist, wenn alles schwer anläuft. Im Sommer kam er zu Union, hatte eine gute Vorbereitung. „Fußball hängt immer von Kleinigkeiten ab, vielleicht war ich noch nicht so weit. Aber es gibt auch große Konkurrenz bei uns“, sagt Nebihi. Davor glich sein Leben einem großen Hin und Her, er war überall mal dabei, aber eben nie so richtig drin. Nebihi, der mit seinen Eltern aus dem Kosovo floh, als er fünf war, hatte Talent und wollte schnell hoch hinaus.
Das versuchte er in der dritten Liga, im Iran, in der Türkei. „In meiner Karriere habe ich viele Fehler gemacht, nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen mit meinen Wechseln“, erzählt er. Im Iran wurde er nicht eingesetzt, kehrte nach einem verschenkten Jahr nach Deutschland zurück. Den Drittligisten Burghausen verließ er nach 16 Spielen und ohne Tor, um beim türkischen Meister Bursaspor 2010 anzuheuern. Als es kein Geld mehr gab, wurde der Vertrag aufgelöst. Wieder ohne Einsatz.
In Bayern fing er in der siebten und dann in der sechsten Liga noch mal neu an. „Wenn man das sieht, entstehen viele Vorurteile. Deshalb muss ich auch gegen die Vergangenheit kämpfen“, sagt er. In Augsburg schien er die alten Geister fast besiegt zu haben, er erhielt 2013 einen Profivertrag beim Bundesligisten. Doch zehn Tore in 23 Spielen in der zweiten Mannschaft genügten nicht, um im Bundesliga-Team mitspielen zu dürfen. Berlin soll nun der Ort werden, an dem endlich alles passt.
Statur und Spielweise überraschen
Erst ein Startelfeinsatz lässt noch nicht recht darauf schließen. Doch Nebihi glaubt an sich. „Ich werde nicht aufgeben. Ich weiß, dass ich der Mannschaft helfen kann und muss geduldig sein. Ich will hier zeigen, dass ich es drauf habe“, sagt er. Oft steht ihm jedoch seine leicht gespaltene Persönlichkeit im Weg. Bajram Nebihi ist ein echter Hüne, 1,92 Meter groß. Wie ein Mann fürs Grobe sieht er aus. Im Kopf und im Herzen ist er aber ein anderer, einer mit Gefühl im Fuß, ein Zauberer. „Ich habe da oft ein Problem. Ich bin groß, da denken alle, ich muss vorn die Dinger festmachen. Aber ich bin ein bisschen das Gegenteil, ich spiele gern um den Gegner rum“, so Nebihi. Schon nach wenigen Minuten auf dem Platz sticht das ins Auge.
Mit dieser Ballverliebtheit übertreibt er es ab und an. „Wir wissen, seine Stärke ist die Technik. Er muss aber oft einfacher werden“, sagt Abwehrkollege Christopher Trimmel. In Sandhausen zeigte er ein paar Übersteiger, drehte sich hier und da, nahm es mit zwei, drei Mann auf bei seinen Dribblings. „Früher war ich immer klein, daher kommt das, ich habe auf der Straße Fußball gespielt und viel gedribbelt. Dann bin ich schnell gewachsen und habe weiter so gespielt“, so Nebihi. Die Robustheit, die vorn im Sturm gebraucht wird, die lässt er dafür häufig vermissen. Zwar hilft ihm sein Körper dabei, Bälle abzuschirmen und zu behaupten. Doch über große Wucht oder Zielstrebigkeit verfügt sein Spiel (noch) zu selten.
Kampf um den großen Traum
In Sandhausen immerhin setzte er Sturmkollege Sebastian Polter so gut in Szene, dass dieser frei zum Tor lief. Nehibi war nah dran an seiner ersten Torvorlage für die Berliner. Gut möglich, dass ihn das näher an seinen nächsten Einsatz gebracht hat. Wenn er mehr die Vorgaben seines Körpers nutzt, würde es Trainer Norbert Düwel sicher leichter fallen, den Stürmer öfter in seine Pläne einzubeziehen. Bis 2016 nahm der Klub Nebihi unter Vertrag. Dem Spieler liegt viel daran, ihn erfüllen zu dürfen. „Ich will hier nicht weg“, sagt er sehr entschlossen. Denn für Bajram Nebihi steht in Berlin der Traum vom großen Fußball auf dem Spiel.