Olympia 2012

Slalom-Kanute Tasiadis paddelt sich zur Silbermedaille

| Lesedauer: 5 Minuten
Florian Haupt

Foto: AFP

Sideris Tasiadis hat die erste Medaille der deutschen Slalom-Kanuten seit dem Olympiasieg von Alexander Grimm 2008 in Peking gewonnen.

Sideris Tasiadis war sich seiner Verantwortung vollauf bewusst. Nicht für die deutsch-griechische Freundschaft, mit politischer Überhöhung seiner Wildwasserritte kann er nicht sonderlich viel anfangen. Aber sehr wohl für den deutschen Kanuslalom. Nur ein Boot aus jeder Nation durfte am Dienstag im Lee Valley White Water Center starten, und der Schwabe mit den griechischen Vorfahren hatte sich gegen starke Konkurrenz durchgesetzt. Er wusste, was erwartet wurde: eine Medaille.

Und Tasiadis lieferte. Mit einer bravourösen Fahrt durch die Fluten des Kanuparks nördlich von London sicherte sich der Augsburger die Silbermedaille im Einercanadier und trug damit seinen Teil zu Deutschlands erfolgreichem Olympianachmittag bei. „Eine Medaille in diesem Feld ist überragend“, sagte Chefbundestrainer Michael Trummer: „Das ist kein verlorenes Gold.“

Motivation Europameistertitel

Tasiadis schien schon den ganzen Tag über kein Problem mit dem Druck zu haben. Im Halbfinale der zwölf Vorlaufbesten fuhr der Europameister in 98,94 Sekunden die beste Zeit. „Das war ein richtig guter Lauf“, sagte Trummer: „Eine echte Kampfansage an die Konkurrenz.“ Denn Tasiadis war vor Topfavoriten wie Michal Martikan aus der Slowakei, dem Olympiasieger von 1996 und 2008, oder dem Franzosen Tony Estanguet, Goldmedaillengewinner 2000 und 2004 gelandet. Der Triumph in der deutschen Vorentscheidung und der anschließende Titel bei den Europameisterschaften hatten ihn buchstäblich auf die perfekte Welle gebracht. Auch im Finale sollte er sie nicht verlieren. Tasiadis verbrachte die 60-minütige Pause zwischen Halbfinale und Endlauf vor dem Fernseher. Per Video analysierte der 22-Jährige den Kurs, bevor er zum finalen Ritt auf die anspruchsvolle Strecke ging.

In diesem wurde es nach einer spektakulären und von den vollbesetzten Tribünen mit lautem Ah und Oh begeleiteten Havarie des Japaners Takuya Haneda bald ernst. Die Riege der letzten fünf Fahrer eröffnete der Spanier Ander Elosegi mit einer Bestmarke von 1:02,31, bevor Martikan alle seine Klasse ausspielte: In 98,31 Sekunden unterbot er Tasiadis' Halbfinalzeit. In diesem Moment war klar: Der 22 Jahre alte Deutsche würde die Fahrt seines Lebens benötigen.

Als dann zwei Minuten später Estanguet im Ziel war, schien nicht einmal eine solche noch zu Gold reichen zu können. Denn mit einem so brillanten wie eleganten und vor allem nervenstarken Ritt verbesserte der Franzose die Bestzeit noch einmal deutlich, auf 97,06. Der als Vorletzter folgende Slowene Benjamin Savsek konnte den geballten Glanzleistungen der beiden Branchenstars nichts entgegen setzen. Er fing sich allein 108 (!) Strafsekunden für falsche Tordurchfahrten ein.

Rückstand war zu groß

Für Tasiadis galt es also nun die Marke des Spaniers zu unterbieten, um wenigstens Bronze zu erreichen. Aber er hatte mehr im Sinn – und auch mehr drauf. Mit großer Entschlossenheit und enormem Geschick steuerte er sein Boot durch die Brandung und zeigte insbesondere im unteren Teil eine fehlerfreie Fahrt. Über zwei Sekunden Rückstand bei der Zwischenzeit auf Estanguet konnte Tasiadis zwar nicht mehr ganz wettmachen, schob sich aber mit kraftvollen Bewegungen im Zielsprint in 98:09 gerade noch rechtzeitig über die Linie, um Martikan auf Platz drei zu verweisen. Bei seinen ersten Spielen gleich einen Mythos seines Sports bezwungen: Es soll schon weit schlechtere Olympiadebüts gegeben haben. Die letzte deutsche Medaille in dieser Disziplin hatte 2004 in Athen Stefan Pfannmöller geholt, er wurde Dritter. Den bisher einzigen deutschen Canadier-Olympiasieg bejubelte 1972 Reinhard Eiben für die DDR im Augsburger Eiskanal.

Wie unwägbar der Kanuslalom ist, hatten etwa die heimischen Fans schon vorher erfahren müssen. Für die Briten brachte der Nachmittag den nächsten Rückschlag ihrer noch immer goldmedaillenlosen Heimspiele. David Florence, Weltranglistenerster und Silbermedaillengewinner von Peking, scheiterte bereits im Halbfinale. „Vier Jahre lang habe ich an meine Leistung in diesem Rennen gedacht, und ich habe sie nicht gebracht“, sagte er. „Das ist enttäuschend“.

Dagegen feierten die Deutschen im pünktlich mit dem Rennende einsetzenden Regen ihren ersten Podestplatz seit 2004 in dieser Disziplin. In Athen hatte Stefan Pfannmöller aus Halle die Bronzemedaille gewonnen. Dass Tasiadis die nötige Wettkampfhärte mitbringt, hatte Alexander Grimm, Olympiasieger von Peking im Einerkajak, schon vorher geahnt: „So wie ich Sideris kenne, wird er den Druck als etwas Motivierendes und Positives empfinden. Angst zu verlieren hat er nicht.“

Nach der Medaille von Tasiadis haben die deutschen Slalomkanuten nun noch weitere Medaillenchancen. „Wir wollen zwei Medaillen in den vier olympischen Disziplinen holen“, hatte Thomas Konietzko, Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV), vor dem Start der Wettbewerbe selbstbewusst als Devise ausgegeben: „Das ist ein ehrgeiziges, aber auch realistisches Ziel. Wir sind seit Jahren die erfolgreichste Nation im Kanusport.“

„Einen solchen Einstand haben wir gebraucht, das gibt der ganzen Mannschaft einen großen Schub“, sagte Sportdirektor Jens Kahl. Kajak-Spezialist Hannes Aigner (Augsburg) fährt am Mittwoch um die Medaillen, Ex-Weltmeisterin Jasmin Schornberg (Hamm) ist am Donnerstag an der Reihe.