Berlin. Erst verspielt Hertha eine 2:0-Führung, verschießt einen Elfmeter und feiert am Ende doch noch einen glücklichen Sieg.
Fabian Reese hielt sich nur ein bisschen zurück. Der Ball zappelte im Netz – und der Torschütze von Hertha BSC jubelte vor den gut 1500 Fans, die den Berliner Fußball-Zweitligisten nach Kiel begleitet hatten. Ausgerechnet der Rückkehrer bescherte dem Hauptstadtklub am Sonntagnachmittag den ersten Auswärtssieg der Saison – ein 3:2 (2:0) gegen seinen Ex-Klub Holstein Kiel.
„Hätte man ein Drehbuch geschrieben, das mir zugunsten ausgeht, wär das so ausgefallen“, sagte Matchwinner Reese. „Das war ein sehr schönes Spiel für mich.“ Für Herthas Flügelspieler. Und für die Berliner, die zum ersten Mal seit April 2022 wieder zwei Siege in Folge feiern durften.
Tabakovic sieht erst Gelb, dann gibt’s Elfmeter für Hertha BSC
In der Tabelle machten die Gäste aus Westend einen ordentlichen Sprung. Weit weg von der Abstiegszone, sogar in die obere Hälfte, auf Platz neun. „Das Spiel war vielleicht eher ein Unentschieden“, gestand Herthas Trainer Pal Dardai. „Aber wer die meisten Tore schießt, gewinnt. Das sind sehr glückliche drei Punkte für uns.“
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Drei Punkte, die kaum nervenaufreibender hätten zustande kommen können. Eine verspielte 2:0-Führung, ein verschossener Elfmeter und ein weiterer Strafstoß innerhalb weniger Minuten. Der Wahnsinn kannte am Sonntag im Holstein-Stadion keine Grenzen.
2:2 stand es, als sich die Spielzeit dem Ende zuneigte. Hertha versuchte es noch mal über Haris Tabakovic, der sich nach einem Kontakt von Colin Kleine-Bekel im Strafraum der Kieler fallen ließ. Schiedsrichter Florian Badstübner reagierte sofort – und zeigte Tabakovic Gelb wegen Schwalbe. Als dann aber der VAR intervenierte, schaute sich der Referee die Szene noch mal an, nahm die Verwarnung zurück und gab stattdessen Elfmeter für Hertha.
Zwei Elfmeter innerhalb von vier Minuten für Hertha BSC
Tabakovic, Toptorjäger der Zweiten Liga, trat selbst an, scheiterte aber an Kiels Keeper Timon Weiner, der die Ecke ahnte und zur Stelle war (88. Minute). „Dann aber hat man gemerkt, dass meine Jungs das Tor unbedingt wollten“, erklärte Chefcoach Dardai.
Wieder Gewusel im Holstein-Strafraum, wieder ein Pfiff. Diesmal hatte Jan-Fiete Arp den eingewechselten Bence Dardai getroffen. Badstübner zeigte sofort auf den Punkt, schaute sich die Szene auch nicht noch mal an. Sehr zum Unmut der Gastgeber aus dem hohen Norden. „Der zweite Elfmeter ist ein klarer Elfmeter, der Kontakt ist da, so sind die Regeln. Aber wir hätten uns wahrscheinlich auch aufgeregt, wenn er gegen uns gepfiffen worden wär“, gestand Reese.
Der 25-Jährige, der im Sommer aus Kiel nach Berlin gewechselt war, schnappte sich den Ball und verwandelte sicher unten rechts. 3:2 (90.+2) – der Jubel kannte kaum Grenzen. Selbst der einstige Kieler ballte seine Hände, ließ seiner Freude freien Lauf.
Bouchalakis mit Premierentreffer für Hertha BSC
In der wilden Schlussphase ging allerdings fast unter, was in den 88 Minuten zuvor passiert war. Wie glücklich die ersten drei Punkte auf fremdem Rasen zustande kamen. 2:0 hatte Hertha schon geführt, nachdem Smail Prevljak, der Palko Dardai (Bänderverletzung) ersetzte, eine Reese-Flanke eingeköpft (27.) und Andreas Bouchalakis nach einem Abpraller seinen ersten Treffer im blau-weißen Trikot abgestaubt hatte (39.).
Doch wie gefährlich ein 2:0 zur Halbzeit ist, hatte Trainer Dardai seiner Mannschaft schon im Heimspiel gegen Braunschweig (3:0) erklärt. Da verstanden seine Profis die Warnung. Diesmal offenbar nicht. Drei Minuten brauchten die Kieler für den Ausgleich. Erst köpfte Benedikt Pichler einen Eckball zum Anschlusstreffer ein (54.), dann gelang Steven Skrzybski vom Punkt der Ausgleich (57.). Herthas Kapitän Toni Leistner hatte sein Bein gegen Pichler rausgestellt.
Reeses Großvater als Tribünengast dabei
„Ein 2:0 ist ein trojanisches Pferd. Man denkt, man ist sicher, ist es aber nicht“, erklärte Reese. „Wir haben alles vermissen lassen, sie haben uns eingeschnürt, haben verdient die Tore gemacht. Ein 2:0 dürfen wir nicht so hergeben.“
Eine Erkenntnis, die an diesem Sonntag in Kiel nicht bestraft wurde. „Bislang ist es öfter zugunsten der anderen ausgegangen, heute ist das Pendel für uns ausgeschlagen“, sagte Reese, der nach seinem ersten Assist in dieser Saison vor dem 1:0 Richtung Tribüne blickte. Da saß sein Großvater, der ihm vergangene Spielzeit mit Kiel noch in jeder Partie zugeschaut hatte. „Mein erster, mein größter Fan, er war das erste Mal im Stadion diese Saison“, verriet Reese hinterher und lächelte glücklich. Genau wie seine Teamkollegen, die dank ihm mit drei Punkten im Gepäck die Heimreise antreten durften.