Berlin. So gut es ging, versuchte Alexander Nouri zu erklären, was nicht zu erklären war. Man habe alle elementaren Dinge vermissen lassen, sagte Herthas Trainer nach dem 0:5 (0:3) gegen den 1. FC Köln. „Es ist bitter für die Fans, wir müssen uns für diese Leistung entschuldigen“, so Nouri weiter.
Das Berliner Publikum, allen voran die Ostkurve, hatte seine eigene Art, mit der höchsten Saisonniederlage umzugehen. Der Kurvenklassiker „Oh wie ist das schön“ erfüllte kurz vor halb sechs die eine Hälfte des Olympiastadions, während die Kölner einen alten Hit des Berliner Duos „die Atzen“ umdichtete: „Hey, das geht ab, wir schießen die Hertha ab.“
Sarkasmus und Schadenfreude dominierten im weiten Rund und irgendwie passte es zu diesem aus Berliner Sicht vollkommen misslungenen Nachmittag, dass selbst das zum aufgegangenen Kölner Plan gehörte. „Wir wussten, dass die Stimmung im Stadion schnell umschlagen kann, weil es im Verein Querelen gibt“, sagte Kölns Verteidiger Toni Leistner.
Kölns Plan gegen ideenlose Herthaner geht auf
Leistner hatte von 2014 bis 2018 für Herthas Lokalrivalen 1. FC Union gespielt, das Ergebnis bereitete ihm sichtlich Vergnügen. Zumal Leistner damit ein perfektes Debüt in der Bundesliga gelungen war. „Einen besseren Einstand hätte ich mir nicht vorstellen können. Wir haben unserem Torhüter fast nichts gegeben, das er halten musste.“
In der ersten Halbzeit flog kein einziger wirklich gefährlicher Ball in Richtung Kölner Tor. Kölns Trainer Markus Gisdol hatte bereits unter der Woche angedeutet, dass er Herthas Schwäche im kreativen Bereich verortet, also keinesfalls gewillt ist, das Spiel zu machen. Folglich wollten die Kölner selbst kontern.
Dieser Plan ging hervorragend auf, nach 20 Minuten hatten die Berliner 72 Prozent Ballbesitz und keine Idee. Geschweige denn eine Torchance. Die Kölner dagegen preschten bei jedem Ballgewinn wie wild nach vorn.
Hertha fehlt es nach dem Rückstand an Motivation
Als Marko Grujic den Ball verlor, schlug Florian Kainz einen Flugball zu Jhon Cordoba, der nach wenigen Metern allein vor Herthas Torwart Rune Jarstein auftauchte. Die Berliner Verteidiger waren alle zu weit aufgerückt, nur Santiago Ascacibar eilte zurück, aber der Argentinier konnte den Torschuss von Cordoba nicht mehr verhindern – 0:1 (4.).
Ismail Jakobs setzte sich auf Herthas rechter Seite durch, flankte nach innen auf den Kopf von Cordoba und schon stand es 0:2 (22.). Konter sollten auch weiterhin in diesem Spiels das Thema sein. Bei Hertha lief überhaupt nichts zusammen. Immer wieder gab es im Mittelfeld leichte Ballverluste und dann setzte kaum ein Berliner mal nach.
Herthas Niklas Stark hatte für dieses Fehlverhalten eine recht eigentümliche Erklärung. „Wenn du nach vier Minuten ein Tor kassierst, ist es schwer, ins Spiel zu finden. Wir haben es dann verpasst, den inneren Schweinehund zu überwinden.“ Das ist allein deshalb schwer zu verstehen, weil sich Hertha durch einen Sieg gegen den direkten Konkurrenten früh vieler Abstiegssorgen hätte entledigen können. So schrumpft der Vorsprung zur Abstiegszone wieder, das Spiel am kommenden Freitag in Düsseldorf bekommt dadurch deutlich mehr Brisanz.
Kölns Czichos muss ins Krankenhaus
Hertha wollte dieses wichtige Spiel offensiv angehen und wurde schlimm ausgekontert. Die Angreifer Piatek und Cunha bekamen kaum brauchbare Anspiele, das Mittelfeld verlor sich in Fehlpässen. Anders die Gäste. Kainz besorgte noch vor der Pause das 0:3 (37.). Schiedsrichter Daniel Schlager hatte zunächst zwar Abseits gepfiffen, ließ sich aber vom Videoschiedsrichter korrigieren. „Wir wussten, wie sie spielen würden, alles ist so gekommen, wie unser Trainerteam es uns gesagt hat“, sagte Kölns Mark Uth.
Herthas Trainerteam fand dagegen keine Antworten. Alexander Nouri hielt auch nach der Pause am 3-5-2-System fest, obwohl es gerade auf den Außenbahnen in der ersten Halbzeit große Probleme gegeben hatte. Vor allem auf Herthas rechter Seite fanden Niklas Stark und Marius Wolf nie Bindung zueinander, die Abstände zwischen ihnen stimmten oft nicht und so brachen die Kölner immer wieder durch.
Unglücklich endete die Partie für Rafael Czichos. Der Kölner Verteidiger musste nach einem Zusammenprall mit Hertha Marko Grujic wegen einer Hals-Verletzung zur Untersuchung ins Krankenhaus.
Hertha macht Köln das Leben leicht
Unerklärlich, wie leicht die Gäste auch in der zweiten Halbzeit immer wieder das Feld überbrückten. Kainz gelang noch das 0:4 nach einem Gegenstoß (62.), ehe Uth einen Freistoß direkt im Berliner Tor zum 0:5 unterbrachte (69.).
„Allein vor dem Hintergrund der guten Trainingswoche ist dieses Ergebnis für uns unerklärlich“, sagte Nouri. Persönlich nehme Herthas Trainer dieses Ergebnis aber nicht. „Das habe ich in der Vorwoche auch nicht gemacht, als wir gewonnen haben“, sagte er.
Nouris Laune war nach dem Spiel verständlicherweise nicht die Beste. Anders sah der Gemütszustand bei Toni Leistner aus. „Berlin bleibt Rot-Weiß“, sagte der ehemalige Unioner, ehe er lachend in der Kabine verschwand.