Berlin. Ein ausführlicher Blick auf Hertha BSC kann sicher nicht schaden: Jürgen Klinsmann (55) wird am Sonnabend im Olympiastadion zugegen sein, um sich das Spiel des Hauptstadtklubs gegen RB Leipzig anzuschauen (15.30 Uhr, Sky).
Bei den Berlinern war der frühere Bundestrainer in der Vergangenheit regelmäßig zu Gast, sein Verhältnis zum Klub ist eng. So eng, dass Klinsmann nun eine offizielle Funktion bekleidet. Sein Auftritt am Wochenende wird der erste als Mitglied des Aufsichtsrats der Hertha KGaA sein.
„Ich freue mich, ab sofort Teil des spannendsten Fußball-Projektes in Europa zu sein“, wurde Klinsmann in einer Pressemitteilung zitiert, „zudem bei einem Verein, mit dem mich emotional viel verbindet.“
Investor Windhorst zahlt weitere 100 Millionen Euro
Die Meldung von Klinsmanns Verpflichtung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Hertha an spektakulären Nachrichten nicht spart. Am Freitag ließ Investor Lars Windhorst dem Klub weitere 99 Millionen Euro zukommen und erwarb damit nochmal 12,4 Prozent der Aktienanteile. Am 19. Juni hatte sich Windhorst für 125 Millionen Euro bereits 37,5 Prozent Anteile gesichert. Sein Gesamtanteil an Aktien beträgt nun 49,9 Prozent – allerdings nur an der KGaA, also der Profi-Abteilung, nicht am Stammverein.
Mit seinen Anteilen erwirbt Windhorst gleichzeitig vier der insgesamt neun Plätze im Aufsichtsrat der KGaA, der vom Vorsitzenden Dr. Karl Kauermann geleitet wird. Einer von den vier Plätzen geht an Klinsmann, den Windhorst vor einiger Zeit kennen und schätzen gelernt hat.
„Die nationale und internationale Erfahrung von Jürgen Klinsmann wird dazu beitragen, gemeinsam mit Herthas Management die richtigen Schritte in eine noch erfolgreichere Zukunft zu gehen“, ist sich der Investor sicher.
Anders als beim Aufsichtsrat des e.V., der durch die Mitglieder gewählt wird und bei dessen Bestellung Windhorst keinen Einfluss hat, wird der Aufsichtsrat der KGaA vom Präsidium bestimmt.
Die Hertha KGaA ist die ausgegliederte Profiabteilung
Rein faktisch ist der Aufsichtsrat der KGaA dafür zuständig, die Arbeit der KGaA zu beaufsichtigen. Dabei handelt es sich um die ausgegliederte Profiabteilung von Hertha BSC, zu der neben der Profimannschaft auch die U23 und die U19 zählen. Aktuell umfasst die KGaA 288 Mitarbeiter.
Der Handlungsspielraum des Aufsichtsrats der KGaA ist recht begrenzt. Er kann zwar Empfehlungen aussprechen, entscheidend für die Mitsprache bei Management-Entscheidungen sowie die Bestellung oder Enthebung von Geschäftsführern ist aber der Beirat. Der war früher identisch mit dem Präsidium, nach dem Einstieg von Windhorst stehen dem aber zwei weitere Plätze im Beirat zu.
Wie die Besetzung dieser zwei Plätze aussieht, steht derzeit noch nicht fest. Sollte einer davon an Klinsmann gehen, hätte der in diesem Gremium mehr Entscheidungsgewalt als bei seinem Aufsichtsratsposten.
Expertise und Netzwerk sind für die Berliner interessant
Die Frage, die sich ohnehin stellt, ist, welche Ziele Hertha BSC mit der Verpflichtung Klinsmanns verfolgt. Der ehemalige Nationalspieler gilt zwar als ausgewiesener Fachmann, lebt aber seit dem Ende des vergangenen Jahrtausends in den USA.
Im deutschen Profifußball war er seit seiner Entlassung als Trainer des FC Bayern im Frühjahr 2009 nicht mehr tätig. Zuletzt wurde er als hochrangiger Funktionär bei seinem Heimatklub VfB Stuttgart gehandelt, wo er hauptamtlich wirken wollte. Die Zusammenarbeit kam aber nicht zustande. Klinsmann lehnte ab, bevor es zwischen ihm und den Stuttgartern konkret wurde.
Für Hertha dürften vor allem Klinsmanns Expertise, sein Netzwerk und sein international bekannter Name interessant sein. Die Verpflichtung des ehemaligen DFB-Teamchefs, der wie kaum einer seiner Vorgänger polarisierte, passt zu Windhorsts Vorstellung, aus Hertha einen strahlkräftigen, europäischen Hauptstadtklub zu machen. Oder wie der Investor es ausdrückt: einen „Big City Club“.
„Ich bin überzeugt, dass ich mit meinen Erfahrungen und auch mit meinem Netzwerk einiges einbringen kann, um diese Partnerschaft erfolgreich zu gestalten“, sagte Klinsmann.
Der Schwabe, von 2011 bis 2016 Nationaltrainer der USA, steht als bekennender Kosmopolit für Internationalisierung, seinen Posten bei Hertha BSC dürfte er größtenteils von Kalifornien aus bestreiten. Das ist mit der Aufgabe als Aufsichtsratsmitglied gut vereinbar, da das Gremium nur selten tagt, anders als das Präsidium, welches zwei Mal im Monat zusammenkommt.
Manager Preetz und Klinsmann sind befreundet
So stehen hinter Klinsmanns Engagement wohl zuerst imagestrategische Überlegungen. Die beiden Geschäftsführer Ingo Schiller (Finanzen) und Michael Preetz (Sport) hatten in der Vergangenheit immer wieder betont, der Aufsichtsrat der KGaA hätte keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft.
„Die Benennung von Jürgen Klinsmann für den Aufsichtsrat begrüße ich sehr“, sagte Preetz, „denn ich habe ihn als jemanden kennengelernt, der ebenso wie wir zukunftsorientiert Dinge voranbringen möchte.“
Angst, dass der aus seiner Zeit beim Deutschen Fußball-Bund als radikaler Erneuerer bekannte Klinsmann auch bei Hertha versucht, jeden Stein umzudrehen, müssen die beiden ohnehin nicht haben. Preetz und Klinsmann kennen sich seit vielen Jahren und gelten als eng befreundet.
Die Aussichten, dass spätestens ab Januar Herthas Trainingsgelände von Buddha-Figuren umrandet wird, so wie einst zu Klinsmanns Zeit in München geschehen, sind also eher unrealistisch.