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Hertha-Keeper Jarstein: „Ich will bis 40 in Berlin spielen“

| Lesedauer: 9 Minuten
Sebastian Stier
Rune Jarstein spielt seit 2014 für Hertha. Er ist ein Grund dafür, warum die Berliner in dieser Saison mit 32 Gegentoren die viertbeste Defensive der Liga stellen

Rune Jarstein spielt seit 2014 für Hertha. Er ist ein Grund dafür, warum die Berliner in dieser Saison mit 32 Gegentoren die viertbeste Defensive der Liga stellen

Foto: pa

Hertha-Torwart Jarstein spricht im Interview über seine Zukunft, die Kraft der Erfahrung und Autogramme von Beckham.

Berlin.  Die meisten seiner Kollegen sind längst schon zu Hause, als Rune Jarstein (33) aus der Umkleide kommt. Herthas Torwart hat im Kraftraum noch Extraschichten eingelegt. Vor dem Spiel am Sonnabend bei Borussia Mönchengladbach (15.30 Uhr/Sky) spricht der Norweger über zusätzliche Einheiten, ein mögliches Karriereende in Berlin, sein größtes Laster und ein Probetraining bei Manchester United.

Herr Jarstein, Ihre Mitspieler sind schon lange weg. Wie war es so ganz allein im Kraftraum?

Rune Jarstein: Ach, das ist nicht schlimm. Ich mag es, in Ruhe trainieren zu können. Krafttraining ist wichtig für mich, das habe ich vor einigen Jahren gemerkt. Seitdem mache ich es regelmäßig drei, vier Mal pro Woche zusätzlich zu den Einheiten mit dem Team.

Was trainieren Sie speziell?

Ich stemme nicht nur Gewichte, sondern versuche alle Körperpartien zu beanspruchen. Oberschenkel, Brust, Nacken, Arme. Manchmal gehe ich noch laufen, manchmal mache ich noch Sprungtraining, manchmal geht’s um Beweglichkeit, oder ich arbeite mit Gewichten. Das ist immer ganz unterschiedlich. Mein Gefühl sagt mir, was gerade gut für mich ist. Zudem haben wir hervorragende Athletiktrainer, die mir helfen.

Laufen? Als Torhüter?

Ja, mir tut das gut. Und es hält fit. Fitness ist für Torhüter genau so wichtig wie für Feldspieler.

Sie gelten als einer der akribischsten Berliner Profis, wenn es um die Vor- und Nachbereitung von Trainingseinheiten geht. Woher kommt diese Sorgfalt?

Ich habe ein gewisses Alter erreicht und achte daher noch mehr auf meinen Körper – und weil ich Spaß habe an meinem Beruf. Dazu gehört nicht nur zusätzliches Training, auch Ernährung und ausreichend Schlaf sind wichtig.

Sie haben zwei Kinder. Ist Schlaf da nicht eigentlich Luxus?

Ich habe vermutlich andere Schlafzeiten als manche meiner Mitspieler. (lacht) Klar, um spätestens sieben Uhr muss ich aufstehen, dann sind meine Kinder wach. Deswegen muss ich auch rechtzeitig ins Bett gehen. Um elf bin ich meistens verschwunden.

Es heißt, Sie wirken morgens manchmal verschlafen. Sind Sie kein Morgenmensch?

Kann sein, dass ich am Morgen vielleicht manchmal danach so aussehe. Dann hatte ich vielleicht nicht genügend Kaffee (lacht). Den zu trinken, habe ich mir erst in Berlin angewöhnt. Komisch, oder? Hat mich vorher nie interessiert, aber dann habe ich mal einen Schluck probiert und es hat mir ganz großartig geschmeckt. Jetzt trinke ich jeden Tag drei bis vier Tassen.

Kaffee ist jetzt aber nicht unbedingt als Sportlergetränk bekannt.

Ein ganz kleines Laster ist in Ordnung. Ansonsten achte ich sehr darauf, was ich esse. Jeden Morgen geht es mit warmen Haferflocken los, Porridge, ich mag das. Mir schmeckt das wirklich. Zum Mittag gibt es oft Fisch. Ich liebe Lachs und Makrele. Dazu Salat, Gemüse, alles was gesund ist. Ich möchte so lange Fußball spielen, wie möglich und deshalb möchte ich auch so fit bleiben wie möglich.

Sie werden dieses Jahr 34. Wie lange wollen Sie noch weitermachen?

Bis ich spüre, es geht nicht mehr. Ich denke, bis 40 ist ein realistisches Ziel. Und vielleicht geht noch was darüber hinaus. Es gibt genügend Torhüter, die schon bewiesen haben, dass das möglich ist. Auf jeden Fall wäre es großartig, wenn ich meine Karriere in Berlin beenden könnte.

Es heißt, Ihre Vertragsverlängerung bis 2021 sei im Grunde beschlossene Sache.

Das habe ich auch gelesen. Ich weiß nicht, woher das kommt. Wir befinden uns in Gesprächen, das stimmt. Aber unterschrieben ist noch nichts. Wirklich. Nur soviel: Über einen neuen Vertrag würde ich mich sehr freuen.

Hertha verfügt über einige talentierte Torhüter. Müssen die sich also noch gedulden?

Scheint so (lacht). Das liegt aber nicht ausschließlich an mir. Im Grunde hat es ja jeder selbst in der Hand. Sollte einer von ihnen irgendwann besser sein, spielt er. Nur weil ich noch da bin, heißt das nicht, dass ich auf ewig die Nummer eins bin. Ich muss genauso meine Leistung bringen wie alle anderen.

Cheftrainer Pal Dardai zählt Sie zu den besten Torhütern der Bundesliga. Welchen Anteil hat Ihr Konkurrent Thomas Kraft an Ihren Leistungen?

Thomas ist ein super Torwart. Wir pushen uns gegenseitig. Weil er immer nah dran ist, weiß ich, dass ich mir keine Schwächen erlauben oder leichtsinnig werden darf. Das hilft, die Konzentration immer auf einem hohen Level zu halten. Auch im Training.

Sie sind im fortgeschrittenen Alter mit 31 Jahren bei Hertha zur Nummer eins geworden. Wann erleben Torhüter leistungsmäßig ihren Höhepunkt?

Ab 30 würde ich sagen. Dann bist du körperlich noch topfit, hast aber die nötige Erfahrung, um Ruhe auszustrahlen. Das ist ganz wichtig. Wenn der Torwart ruhig ist, sind es die Vorderleute auch. Und wenn die Abwehrspieler ruhig sind, kommt der Gegner zu weniger Chancen. Dann wird es für den Torwart einfacher. Das ist so ein Kreislauf.

Was machen Sie heute besser als vor zehn Jahren?

Ich kann das Spiel besser lesen. Ich habe mehr Ruhe und denke, dass ich mehr Sicherheit ausstrahle. Alles Dinge, die erst mit der Erfahrung kommen.

Hätten Sie damals gedacht, als Sie als Jugendlicher bei Bayern München und Manchester United ein Probetraining absolvierten, dass Sie einmal auf ähnlichem Niveau spielen können?

Moment mal, ich hatte nie ein Probetraining bei Bayern München. Das steht im Internet, ist aber falsch. Bei United war ich dagegen mehrmals. Das war unglaublich. Während der Mittagspause haben alle in der gleichen Mensa gegessen, wir Junioren und die großen Stars. Alle saßen da am Tisch. Beckham, Giggs, Ferguson. Ich bin die ganze Zeit nur mit Zettel und Stift durch die Gegend gerannt, auf der Jagd nach Autogrammen. Als Kind war ich schließlich großer Manchester-Fan.

Warum hat es nicht geklappt mit Manchester? Wollte der Klub Sie nicht?

Doch, doch, sie wollten mich verpflichten. Aber ich wollte nicht. Obwohl das alles sehr aufregend dort war, gefiel mir das Training nicht sonderlich. Da wurde fast nur aufs Tor geschossen, das war’s. Ich hatte das Gefühl, dass in Norwegen besser trainiert wird und ich mich dort besser entwickeln könnte. Ein anderer Grund war, dass ich mich mit 15 noch nicht so weit fühlte, von zu Hause weggehen zu können.

Hertha hat in der Rückrunde nur sechs Tore kassiert. Weniger als jede andere Mannschaft. Trotzdem gibt es Kritik an der unattraktiven Spielweise. Können Sie das verstehen?

Erst einmal großes Kompliment an die Mannschaft, alle arbeiten defensiv sehr gut mit. Nur deshalb haben wir in der Rückrunde bisher die wenigsten Gegentore aller Teams bekommen. Klar will jeder Tore sehen, der zum Fußball geht. Außer mir vielleicht (lacht). Im Ernst, die Bundesliga ist so ausgeglichen, dass es erst einmal darum geht, Punkte zu sammeln. Egal wie. Da spielt es erst einmal nicht die größte Rolle, auf welche Art und Weise das passiert.

In welcher Form hat sich Hertha im Vergleich zum vergangenen Jahr entwickelt?

Wir sind auf jeden Fall ein Stück weiter. Die Mannschaft konnte in der Europa League Erfahrung sammeln, das war gut und wird den meisten für ihre Karriere helfen. Defensiv sind wir noch besser geworden. Was wir leisten können, sieht man ja gerade. Die eigenen Tore werden auch wieder häufiger kommen. Wir dürfen nur nicht aufhören, es zu versuchen.

Gegen Gladbach haben Sie im Hinspiel vier Tore kassiert, so viele wie nie in dieser Saison. Gibt es von Ihrer Seite eine offene Rechnung zu begleichen?

Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht mehr so gut an dieses Spiel erinnern.

Nach 20 Minuten stand es 0:3.

Sehen Sie, das weiß ich schon gar nicht mehr. Dinge zu vergessen, sich nicht allzu lange damit auseinander zu setzen, ist auch wichtig für einen Torhüter. Mir hilft das. Ich beschäftige mich nie länger als einen Tag mit einem Spiel. Was war, kann man eh nicht mehr ändern. Immer nur ans nächste Spiel denken. Und wenn es gespielt ist, abhaken.

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