Berlin. Wie gut Salomon Kalou Deutsch versteht, ist noch immer ein kleines Mysterium. „Eigentlich versteht er so gut wie alles“, behaupten einige bei Hertha, zumindest aber die wichtigsten Fußball-Vokabeln. Die klaren Worte von Pal Dardai waren am Dienstag jedenfalls angekommen beim Ivorer. „Konzentrieren!“, hatte der Trainer über den Platz gerufen, „konzentrieren und Tore machen!“ Bei der anschließenden Übung versenkte Kalou einen Ball nach dem nächsten.
Beim jüngsten 0:1 in Stuttgart hatte das noch anders ausgesehen. Da war der beste Berliner Angreifer zweimal aus aussichtsreicher Position gescheitert – erst an VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler, dann an sich selbst, als er freistehend über das leere Tor köpfte. „Ich wollte besonders viel Druck auf den Ball bringen“, sagt Kalou, der sich am Dienstag noch immer über die vergebene Chance ärgerte: „Dass ich so frei stand, habe ich zu spät gesehen, ich dachte, ich wäre in Bedrängnis.“
Bessere Torquote als Werner oder Aubameyang
So untypisch die beiden Szenen für Kalou waren, so typisch war das Spiel für Hertha. Wie kaum ein anderes Team der Liga sind die Berliner von ihrer vielleicht größten Stärke abhängig: ihrer Treffsicherheit.
Dardais Elf balanciert auf einem schmalen Grat, ein Phänomen, das kein Spieler besser verkörpert als Kalou. Läuft es gut, greift die Formel „wenig Chancen, viel Effizienz“; läuft es schlecht, gleicht Herthas Offensive eher einem Windhauch als einem Sturm. Ein Manko, das altbekannt ist beim Tabellenelften – und tolerierbar bleibt, so lange man Spieler wie Kalou in seinen Reihen weiß.
Die Statistik des 32 Jahre alten Angreifers liest sich beeindruckend. Für seine sieben Saisontore benötigte er lediglich 19 Torschüsse, das entspricht einer Quote von knapp 37 Prozent. Unter den zehn erfolgreichsten Torschützen der Liga kommt einzig Hoffenheims Mark Uth auf einen noch besseren Wert (37,5). Die Top-Stürmer wie Bayerns Robert Lewandowski (25,4), Leipzigs Timo Werner (22,5) oder Kalous Gegenüber am Freitagabend – der Dortmunder Unruheherd Pierre-Emerick Aubameyang (27,7) – sind von dieser Effektivität weit entfernt.
Hertha ist das effizienteste Team der Liga
Die Berliner brauchen Rückenwind von vorne, von ihrem Angriff, andernfalls ist wenig zu holen. Das verdeutlichte auch der erfolgreiche Dezember: Beim sensationellen 3:2 in Leipzig zählten die Datensammler lediglich sieben Gäste-Torschüsse. RB kam auf 22. Beim 3:1 gegen Hannover lautete die Abschlussbilanz 15:20, beim vorangegangenen 1:1 in Augsburg 8:15. Für ein Tor benötigt Hertha in der laufenden Saison weniger als sieben Abschlüsse. Topwert der Liga.
Gegen ein so dominant auftretendes Team wie Borussia Dortmund wird die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor zwangsläufig zum Knackpunkt. Allzu viele Gelegenheiten werden die Berliner nicht bekommen, aber die müssen sie nutzen. So wie Doppeltorschütze Davie Selke gegen Leipzig. Oder Kalou gegen Hannover und Bayern München.
„Gegen Dortmund wird’s interessant“, meint Kalou: „Beide Mannschaften brauchen dringend Punkte, deshalb glaube ich nicht, dass viel taktiert wird.“ Ordentlich zur Sache ging es zuletzt ja immer in den Duellen mit dem Champions-League-Teilnehmer. Herthas Team wuchs dabei regelmäßig über sich hinaus, sei es beim denkbar knappen Achtelfinal-Aus im letztjährigen DFB-Pokal (2:3 nach Elfmeterschießen) oder dem furiosen 2:1 im Olympiastadion im März. Kalou war dabei stets mittendrin, schoss jeweils das erste Tor.
Besonders treffsicher in der kalten Jahreszeit
Warum er ausgerechnet gegen das Top-Team Dortmund so zuverlässig trifft? Sicher, weil er keine Ehrfurcht kennt, dafür hat er zu viel erlebt in seiner langen Profi-Karriere. 156 Premier-League-Spiele. 24 Afrika-Cup-Partien. Zwei Weltmeisterschaften. Ein Champions-League-Finale. Eines galt dabei immer für ihn: „Wichtig ist, dass man seine Chancen nutzt.“
Zuletzt gelang das Kalou in fünf Spielen vier Mal. Es scheint zu laufen, wie so oft in der kalten Jahreszeit. Von den 34 Bundesligatoren, die er für Hertha geschossen hat, erzielte er 25 zwischen 1. Oktober und 29. Februar. Ein Mysterium, das noch ungeklärter ist, als seine Deutsch-Kenntnisse.