Bundesliga

Hertha BSC ist bereit für Europa

| Lesedauer: 4 Minuten
Jörn Lange
Alles außer Fußball: Bei Herthas ungewöhnlicher Trainingseinheit am Donnerstag herrschte gute Stimmung – nicht nur bei Jens Hegeler, Sascha Burchert und Julian Schieber (v.l.)

Alles außer Fußball: Bei Herthas ungewöhnlicher Trainingseinheit am Donnerstag herrschte gute Stimmung – nicht nur bei Jens Hegeler, Sascha Burchert und Julian Schieber (v.l.)

Foto: Matthias Koch

Die Qualifikation für den internationalen Wettbewerb würde den Berlinern viel Geld bescheren – aber auch große Herausforderungen.

Nähert man sich dem Topspiel der Fußball-Bundesliga mit dem nötigen Optimismus, ist die Chance aus Berliner Sicht eine gewaltige. Gewinnt Hertha BSC, nach 27 Spieltagen noch immer auf Tabellenplatz drei, am Sonntag (15.30 Uhr) beim Fünften Borussia Mönchengladbach, betrüge der Abstand zwischen den beiden Europapokalanwärtern satte neun Punkte – bei dann nur noch sechs zu spielenden Runden.

Garantiert wäre das Ticket für eine Kontinental-Tour in der Saison 2015/16 damit freilich noch nicht. Aber: Ein Erfolg bei den Fohlen wäre der nächste große Schritt. Einerseits, weil er einen direkten Konkurrenten um die Champions-League-Plätze distanzieren würde, vor allem aber, weil der Abstand auf Rang sieben, der aller Voraussicht nach zur Europa-League-Teilnahme berechtigt, um mindestens zwei Zähler anwachsen würde.

Die Teilnahme am europäischen Wettbewerb, sie ist längst mehr als ein Wunschtraum hartgesottener Hertha-Utopisten. Im Gegenteil: Sich das internationale Geschäft in der kommenden Spielzeit ohne Hertha BSC vorzustellen, erfordert inzwischen mehr Fantasie als ein Szenario mit Teilnahme des Hauptstadtklubs. Was die Frage aufwirft: Was würde die erfolgreiche Qualifikation für die Champions- oder Europa League für den Verein bedeuten?

Königsklasse garantiert zwölf Millionen Euro

Eine Antwort lautet: Erhebliche Mehreinnahmen. Die garantierten Prämien machten die Königsklasse (mehr) und ihre kleine Schwester (weniger) schon in der Vergangenheit zu lukrativen Wettbewerben. Im vergangenen Jahr hat der europäische Fußball-Verband Uefa jedoch noch mal kräftig draufgelegt. Wurden in der Champions League von 2012 bis 2015 noch 1,002 Milliarden Euro ausgeschüttet, sind es in der laufenden Periode (2015 bis 2018) 1,257 Milliarden Euro – eine Steigerung von 25,4 Prozent.

Noch mehr dürfen sich die Europa-League-Teilnehmer freuen. Hier besserte die Uefa gleich um 63,9 Prozent auf, erhöhte die Ausschüttung von 232,5 Millionen auf 381 Millionen. Heißt: Die Lücke zwischen den beiden Elite-Wettbewerben wurde ein Stück weit geschlossen.

Spürbar ist der Abstand zwischen Champions- und Europa-League natürlich immer noch. Garantiert wird allen Teilnehmern ein Startgeld, hinzu kommen Prämien für Siege und Unentschieden.

Erhebliche Mehrbelastung

Sollte sich Hertha für die Europa League qualifizieren, winken den Berlinern immerhin 2,4 Millionen Euro fürs Dabeisein. Gelänge Hertha tatsächlich der Satz in die Königsklasse, wären den Berlinern zwölf Millionen sicher. So viel zur ­Habenseite.

Eine zweite Antwort auf die Ausgangsfrage lautet: jede Menge Mehrbelastung. Die Gruppenphase würden Hertha in der ersten Saisonhälfte sechs zusätzliche Spiele bescheren. Gemessen an den 17 Ligaspielen, eine Steigerung um fast ein Drittel. Die Mehrbelastung wird bei der Kaderplanung Berücksichtigung finden müssen, allerdings mit Augenmaß.

Bei der Reinvestition etwaiger Uefa-Millionen werde sicher niemand durchdrehen, versicherte Hertha-Manager Michael Preetz, so spiele die Kostenstruktur des Kaders eine gewaltige Rolle. Bleibt das Europa-Geld in der Folgesaison aus, dürfen die fälligen Gehaltszahlungen den Klub schließlich nicht in Nöte bringen.

Wichtiger Schritt für Brooks, Weiser & Co.

Diverse Vereine sind bereits über die Doppelbelastung gestolpert. Frankfurt und Freiburg (je 2013/14) landeten in der Bundesliga nur knapp vor den Abstiegsrängen; Augsburg kämpft in diesem Jahr ebenfalls um den Klassenerhalt. Als Neuankömmling in Europa konnte sich in den vergangenen Jahren nur Herthas kommender Gegner Mönchengladbach etablieren.

Dennoch: Das Mitmischen bei den Großen wäre wichtig für Hertha. „Wir brauchen perspektivisch internationale Erfahrung, weil diese Wettbewerbe eine andere Qualität haben als die Bundesliga“, sagt Trainer Pal Dardai der Morgenpost.

Besonders für die hochveranlagten Talente – sei es John Brooks, Mitchell Weiser, Marvin Plattenhardt oder Niklas Stark – wären die neuen Erfahrungen wertvoll. Spieler und Klub können gemeinsam wachsen. Die Teilnahme am europäischen Wettbewerb kann für Herthas Entwicklung richtungsweisend sein. Genauso wie das Auswärtsspiel in Gladbach.