Berlin. Sechs Fußball-Bundesligisten wollen die Verteilung der TV-Gelder revolutionieren. Warum auch Hertha BSC davon profitieren würde.
Sie wollen mehr Gerechtigkeit, sagen sie. „Neu“ und „nachhaltig“ sollen die nationalen TV-Gelder in Zukunft unter den Fußball-Bundesligisten verteilt werden und somit auch „der Bedeutung der einzelnen Klubs für die Gesamtmarke Bundesliga Rechnung tragen“.
Sie, das sind sechs der sogenannten Traditionsvereine, die sich unter dem Label „Team Marktwert“ zusammengeschlossen haben und ihr Anliegen am Mittwoch zunächst über die „Sport Bild“ öffentlich machten. Neben Werder Bremen, Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Köln zählen auch der Hamburger SV, der VfB Stuttgart und Hertha BSC zu den Revoluzzern.
„Wir wollen herausfinden, ob man einen oder mehrere Faktoren zur Aufteilung der Fernsehgelder addiert“, sagt Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller der Morgenpost. „Wir gehen dabei von der Frage aus: Welcher Verein trägt wie viel zur Attraktivität der Marke Bundesliga bei?“
Fan-Basis als weiterer Faktor
Bislang richtete sich die Ausschüttung der Fernseh-Einnahmen – in dieser Saison rund 850 Millionen Euro – nach einem Zwei-Säulen-Modell. 65 Prozent werden als einheitlicher Sockelbetrag an alle Erstligavereine ausgeschüttet; 35 Prozent werden gestaffelt nach dem sportlichen Abschneiden verteilt, betrachtet in einer Fünf-Jahres-Wertung. Das „Team Marktwert“ plädiert nun für die Einführung einer dritten Säule: den tatsächlichen Marktwert eines Vereins.
Wie sich eine solche Kennzahl ermitteln ließe, sollen die sechs Klubs nun erarbeiten, und zwar auf Bitte der Deutschen Fußball-Liga (DFL), wie es heißt. Denkbare Faktoren wären die TV-Reichweite, Mitgliederzahl oder Zahl der Auswärtsfans sowie die Menge der Social-Media-Interaktionen. Die Ergebnisse sollen noch vor der Europameisterschaft in diesem Sommer diskutiert werden. Eine Reform ist für die kommende TV-Rechte-Periode ab der Saison 2017/18 angestrebt.
Die Argumente der sechs Traditionsvereine klingen zunächst plausibel. Wer den TV-Sendern eine gute Quote beschert, trage schließlich ein größeres Stück zum fetten Vermarktungskuchen der Bundesliga bei als etwa der VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen – erfolgreiche Teams zwar, deren Einschaltquoten aber regelmäßig unterhalb der Messbarkeit liegen.
Kleine Klubs im Nachteil
„Es wird bei der Umverteilung nicht nur Gewinner geben“, betont Schiller. Vordergründig will sich „Team Marktwert“ vor der finanziell weichgebetteten Konkurrenz schützen, vor Hoffenheim und Aufstiegsanwärter RB Leipzig etwa, Teams, die einen schwerreichen Mäzen (Dietmar Hopp) oder ein multinationales Unternehmen (Red Bull) hinter sich wissen. Dass es sich bei allen sechs Vereinen im „Team Marktwert“ um Klubs handelt, die in der jüngeren Vergangenheit mit dem Thema Abstieg konfrontiert waren, dürfte jedenfalls kein Zufall sein.
Schalke, Mönchengladbach oder Dortmund, ebenfalls reich an Tradition, halten sich zurück – genauso wie alle weiteren Vereine der ersten und zweiten Liga. Dabei seien alle 36 Klubs eingeladen worden, sich mit Ideen zu beteiligen, sagt Schiller. Auch der 1. FC Union will an einer öffentlichen Debatte derzeit nicht teilnehmen.
England und Spanien als Vorbild
Nun werden gigantische Konzerne wie Bayer (Leverkusen), VW (Wolfsburg) oder eben Red Bull (Leipzig) ein paar TV-Millionen weniger verkraften können. Stattdessen dürften Klubs wie Sensationsaufsteiger Darmstadt oder dessen Vorgänger Braunschweig und Paderborn in die Bredouille kommen, weil sie weder über einen Investor noch über eine ungeheuer große Fan-Basis verfügen. Es bleibt dabei: Weniger Leistungsprinzip bei der Verteilung der TV-Gelder hieße: mehr Chancen für Traditionsklubs, in der Liga zu bleiben.
In England und Spanien fließen die Fernseh-Millionen übrigens zu 25 Prozent nach Einschaltquoten oder Ticketverkauf, andere Top-Ligen verfahren ähnlich. Ein Verdacht gegen das „Team Marktwert“ bleibt dennoch. Der, dass es eine weitestgehend geschlossene Party namens Bundesliga will – auf der sie ihren Stammtisch haben und Überraschungsgäste die Ausnahme bleiben.