Bundesliga

Herthas Co-Trainer Widmayer - „Ich will nicht beliebt sein“

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Jörn Meyn

Foto: imago / imago/Popow

Rainer Widmayer über die Defizite bei Hertha, die Rückkehr zu seinem Ex-Klub VfB Stuttgart, die Zeit seiner Arbeitslosigkeit und Kontakte zu Markus Babbel.

Rainer Widmayer überlegt lange, als er nach dem VfB Stuttgart gefragt wird. Sechs Jahre lang war der Schwabe beim VfB angestellt, erst als Co-Trainer der zweiten Mannschaft, später als Assistent von Markus Babbel im Profiteam. Nun ist der 47-Jährige Co-Trainer bei Hertha BSC und trifft an diesem Freitag im Abstiegsduell 14. gegen 18. in Stuttgart auf seinen alten Klub (20.30 Uhr, Liverticker bei immerhertha.de). Schon einmal trainierte Widmayer in Berlin. 2010/11 stieg er mit Hertha und Babbel in die Bundesliga auf und geriet ein halbes Jahr später im Streit zwischen Babbel und Manager Michael Preetz zwischen die Fronten. Nun soll er mithelfen, Hertha vor dem Abstieg zu bewahren. Ein Gespräch über Loyalität, Cheftrainer-Ambitionen und Cuba Libre auf Mallorca.

Berliner Morgenpost: Wie ist es für Sie, dass Sie Ihren alten Klub VfB Stuttgart noch stärker in die Bredouille bringen können, Herr Widmayer?

Rainer Widmayer: Einfach ist es nicht. Aber eins ist klar: Ich bin mit Leib und Seele bei Hertha und will in Stuttgart unbedingt gewinnen. Für mich ist das in diesem Spiel sogar noch extremer: Das ist, als wenn man als Lehrling in einer Firma war, danach weg gegangen ist und dann mit der neuen Firma wieder zurückkommt. Da will ich zeigen, dass ich etwas kann. Ich will denen nichts schenken. Mir wird ja auch nichts geschenkt.

Die Situation beim VfB ist prekär. Tut Ihnen das weh?

Ich habe dazu nicht beigetragen. Deshalb ist es mir auch egal, was da los ist. Es interessiert mich momentan nicht. Wir haben unsere eigenen Probleme.

Vor dem Angebot aus Berlin hatten Sie eine Anfrage des VfB. Sie sollten dort im Scouting arbeiten. Warum haben Sie abgelehnt?

Weil ich mich als Trainer sehe. Scouting ist nicht mein Bereich.

Sie waren in sechs verschiedenen Klubs Co-Trainer. Warum wurden Sie nie Chefcoach?

Weil ich immer Pech hatte. Ich stand mehrfach kurz davor. Aber dann gab es immer wieder irgendwelche Verbindungen im Verein. Einer, der als Spieler stark für den Klub war, stand schon bereit. Und man hat mir gesagt: Rainer, kannst du das akzeptieren, wenn wir den jetzt vorziehen?

Beim VfB?

Zum Beispiel.

Haben Sie mal etwas mit Joachim Löw zutun gehabt?

Fragen Sie ihn mal! (schmunzelt) Aber das ist schon lange her. Der Jogi hat eine überragende Karriere gemacht. Eine Sache ist mir dabei aber wichtig: Er war 1995 beim VfB auch erst Co-Trainer und ist dann als Cheftrainer mit einer tollen Mannschaft Pokalsieger geworden. So kann es gehen.

Könnten Sie sich das für sich auch so vorstellen?

Jetzt bei Hertha würde ich das nie machen. Ich bin Assistenztrainer von Pal Dardai. Ich würde ihn niemals auf Dauer ablösen. Wenn aber irgendwann ein anderer Verein will, dass ich bei ihm Cheftrainer bin, könnte ich mir das vorstellen.

Als Co-Trainer gelten Sie bei den Profis als sehr beliebt...

...oh, das ist aber nicht gut.

Warum nicht?

Im zwischenmenschlichen Bereich ist das ja ok. Aber in der Trainingsarbeit will ich dazwischen hauen, wenn mir etwas nicht passt. Ich will nicht beliebt sein, weil ich so nett bin. Ich will, dass die Spieler mich anerkennen, weil ich fachlich gut bin.

Fühlen Sie sich wie ein Co-Trainer, oder wie ein zweiter Trainer, wie es Pal Dardai gesagt hat?

Mich interessiert das nicht. Ich bin Assistenztrainer, mir geht es um Hertha BSC. Wir sind in einer schwierigen Situation. Da müssen wir alle an einem Strang ziehen.

Es heißt, dass Sie der taktische Kopf seien und Dardai der Motivator. Stimmt diese Rollenaufteilung?

Ich glaube, dass wir uns sehr gut ergänzen. Jeder bringt seine Ideen mit ein. Ich würde nicht sagen, dass Pal nur in dem einen Bereich tätig ist und ich nur in dem anderen. Das ist gemischt.

Haben Sie seit Ihrer Rückkehr zu Hertha mit Markus Babbel gesprochen?

Ja. Und es war ok.

War es Ihnen wichtig, was er davon hält?

Nein. Ich habe es ihm selbst gesagt, weil es sich so gehört. Ich wollte nicht, dass er es aus der Zeitung erfährt. Daher habe ich ihn eine halbe Stunde vor Bekanntgabe angerufen. Seither haben wir noch einmal telefoniert, wie es so läuft.

Sie haben 2010/11 in einer turbulenten Saison hier gearbeitet und sind am Ende auch selbst zwischen die Stühle geraten. Warum sind Sie trotzdem noch einmal zu Hertha zurückgekehrt?

Das hat mir einfach mein Herz gesagt. Es war damals nicht alles Mist. Sehr vieles war gut. Ja, ich bin zwischen die Stühle geraten. Aber ich weiß auch nicht, was ich damals hätte anders machen können. Für mich war das sehr schwierig. Doch eins ist auch klar: Ich bin froh, dass ich damals das eine Spiel noch geblieben bin (DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern 3:1/ Anm.d.R.). Michael Preetz hätte damals sagen können: Das kommt in tausend kalten Wintern nicht vor. Aber er hat es gemacht, weil es Hertha diente. Und so ist es jetzt auch.

Sie waren nach dem Ende in Berlin und der kurzen Zeit bei Hoffenheim (2012; Anm. d. R.) zwei Jahre arbeitslos. Wie war das?

Angenehm. Ich war auch an einer körperlichen Grenze. In dieser Zeit habe ich mir viele Fragen gestellt, wie ich als Trainer besser werden kann. Ich habe hospitiert und mich weitergebildet. Irgendwann kam wieder die Gier auf den Job. Dass ich jetzt wieder bei Hertha gelandet bin, hätte ich vorher nicht gedacht.

Sie sprachen zu Beginn von den eigenen Problemen der Mannschaft. Welches ist aktuell das größte?

Die fehlende Beständigkeit. Wir haben jetzt ein Spiel gewonnen. Aber das reicht nicht. Wir müssen kapieren, dass wir noch lange nicht auf einem sicheren Weg sind. Das, was wir gegen Augsburg gezeigt haben, wird in Stuttgart nicht reichen, um zu gewinnen. Da müssen wir zehn Prozent draufpacken.

Hertha hat in dieser Spielzeit nie zwei Spiele am Stück gewonnen. Ist dieses Team zu früh zufrieden?

Das weiß ich nicht. Aber ich spüre gerade, dass die Spieler daran arbeiten wollen. Wir wollen sie immer wieder daran erinnern.

Unter der Woche haben Sie im Training eine Rede gehalten. Die Worte Mallorca und Cuba Libre waren zu hören. Was war da los?

Dabei ging es darum, den Spielern die Ernsthaftigkeit der Situation klar zu machen. Ich habe die, die schon damals dabei waren, gefragt, wie es war, als wir 2011 auf Mallorca den Aufstieg gefeiert haben. Geil war das. Aber jetzt gibt es keinen Grund, nachzulassen. Feiern können wir, wenn wir es geschafft haben. Ich wollte sie anstacheln.

Ein großes Problem von Hertha ist weiter die schwache Offensive.

Das hat etwas mit der Mentalität und dem Spielsystem zutun. Jedem muss klar sein, dass wir mehr Abschlüsse brauchen. Jeder muss sich dafür verantwortlich fühlen. Daran arbeiten wir im Training.

Bremens Aufsichtsratschef Marco Bode hat neulich gesagt, die einzige Chance für Klubs wie Bremen und Hertha künftig in der Liga zu bestehen, ist das Setzen auf Eigengewächse. Stimmen Sie zu?

Absolut. Das weiß auch die Jugendabteilung bei Hertha. Wir sind bemüht, das in Zukunft noch auszubauen.

Ihre Verpflichtung hier Anfang Februar ging in kürzester Frist über die Bühne. Haben Sie mittlerweile einen Vertrag bei Hertha?

Ich habe jetzt erst einmal einen Vertrag bis zum 30. Juni unterschrieben. Danach sehen wir weiter. Wenn es nicht klappt und wir absteigen sollten, dann wird es schwierig. Dessen bin ich mir bewusst. Aber das wird nicht passieren.