Berlin. Die Organisatoren der Para-Leichtathletik-EM in Berlin ziehen eine positive Bilanz. Nur der Zuschauerzuspruch war gering.

Die Überraschung war Thomas Urban gelungen. Als der Generalsekretär des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) am Sonntag berichtete, wie während der Para-Leichtathletik-EM in Berlin ein Fuchs durch den Innenraum getrottet war, oder wie im Jahn-Sportpark auf einmal Feueralarm ausgelöst wurde, blickte ihn DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher erstaunt an: Das habe er alles ja gar nicht mitbekommen.

Es könnte daran liegen, dass Beucher in dieser Woche viel unterwegs war, weil in Hamburg parallel die Rollstuhlbasketball-WM stattfand. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die kleinen Pannen angesichts der ansonsten gelungenen Organisation gar nicht groß auffielen. Von den teilnehmenden Nationen gab es viel Lob für die Sportanlagen, Hotel und Transport. „Wir haben Vieles richtig gemacht“, sagte Thomas Urban. Rita van Driel, Mitglied im Vorstand des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), meinte: „Das war alles sehr professionell und herzlich zugleich.“

Einen Wermutstropfen gab es jedoch. Der Zuschauerzuspruch blieb mit insgesamt 30.000 Besuchern – im Schnitt also nur rund 3000 pro Session – deutlich hinter den Erwartungen zurück. „Da sind wir ein bisschen enttäuscht“, so Urban. Bei der WM 2017 in London waren 330.000 Besucher gezählt worden. Anders als jetzt in Berlin war sie gemeinsam mit den Meisterschaften der Nicht-Behinderten geplant und vermarktet worden.

Sehr gute Leistungen, viele Medaillen

An den Leistungen lag der magere Zuspruch nicht. Sportlich war die Para-EM auf höchstem Niveau, das belegen zahlreichen Welt- und Europarekorde – aus deutscher Sicht durch Birgit Kober im Kugelstoßen und Markus Rehm im Weitsprung, der mit 8,48 Metern sogar weiter sprang als der Europameister bei den Nicht-Behinderten.

Am Abschlusstag gab es drei weitere Titel für die Gastgeber durch die Prothesen-Sprinter Felix Streng (100 m) und Johannes Floors (400 m) sowie den kleinwüchsigen Speerwerfer Mathias Mester (37,57 Meter). Insgesamt holte Deutschland 42 Medaillen, darunter 14 goldene – Platz fünf im Medaillenspiegel. „Unsere Leistungen waren in Berlin sehr gut, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen“, sagte Bundestrainer Willi Gernemann. Jetzt gehe es darum, noch mehr Talente für den Behindertensport zu entdecken. Auch Berlin könnte diesbezüglich mehr tun.

Führend ist die Stadt bei der Ausrichtung paralympischer Wettkämpfe. Derzeit bewirbt man sich für die Special Olympics 2023, die Weltspiele für geistig behinderte Menschen. Der Jahn-Sportpark wird für 110 Millionen Euro zu einer inklusiven Sportanlage umgebaut, mit der sich Berlin für größere Ausgaben qualifiziert. Am Rande der EM wurde IPC-Präsident Andrew Parsons gefragt, ob er sich auch für den Behindertensport European Championships mit mehreren Sportarten vorstellen kann, wie sie bei den Nicht-Behinderten gerade zum ersten Mal stattgefunden hat. Ganz offensichtlich hatte der Fragesteller Berlin als möglichen Austragungsort im Blick. Parsons‘ Antwort: „Das ist eine Möglichkeit.“