Kommentar

Leichtathletik-EM: Ein Versuch mit viel Herz

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Raik Hannemann
In der Arena am Breitscheidplatz werden die Medaillen überreicht

In der Arena am Breitscheidplatz werden die Medaillen überreicht

Foto: Michael Kappeler / dpa

Die EM in Berlin hat mehr zu bieten als ein Olympiastadion. Das ist gut so, meint Raik Hannemann.

Berlin.  Die blaue Laufbahn ist in Sportkreisen zum Berliner Markenzeichen geworden, seit Usain Bolt bei der WM 2009 darauf seinen Weltrekord sprintete. Nun schlängelt sie sich auch um die Gedächtniskirche am Tauentzien in ein Mini-Stadion für 3000 Zuschauer, in dem an diesem Montagabend die Leichtathletik-EM eröffnet wird. Ist es wirklich eine gute Idee, diese Großveranstaltung auf dem Breitscheidplatz beginnen zu lassen? Kugelstoßen, Zieleinläufe, Siegerehrungen, Feuerwerk, Public Viewing und viel laute Musik an diesem Ort, der seit dem Terrorattentat mit zwölf Todesopfern vor Weihnachten 2016 doch lange nur für Trauer stand?

Die EM-Organisatoren selbst hatten schon nicht mehr an ihr Konzept geglaubt, mit dem sie sich bereits 2013 um diese EM beworben hatten. Doch alsbald wurde ihnen wieder zugeredet von Behörden und später sogar von der EU. Die Zivilgesellschaft soll sich den Platz bei aller gebotenen Pietät nach dem Anschlag ruhig zurückerobern. Gut so! Trotz – und vielleicht sogar wegen – seiner jüngsten Vergangenheit gibt es kaum einen besseren Platz, um Europas Stärke darzustellen.

Ein zweites Herz der EM rund um den Kudamm

Der Sicherheitsaufwand wird enorm sein, aber er dürfte sich lohnen - natürlich auch für die Leichtathletik. Sie produziert so tolle TV-Bilder nicht nur aus dem Stadion, sondern auch aus der City West. Hier trifft der Sport auf ganz andere Zielgruppen und weckt womöglich Interesse bei weniger Sportaffinen und Touristen. Selbst als olympischer Kernsport muss man im digitalen Heute ja gegen Bedeutungsverlust und Mitgliederschwund kämpfen. Und wenn die Menschen nicht mehr ins Stadion kommen, ist es nur schlau, zu den Menschen ins Stadtzentrum zu gehen.

Ganz nebenbei entsteht neben dem Olympiastadion ein zweites Herz für diese EM, rund um den Kurfürstendamm wohnen im Umkreis von 800 Metern fast alle Athleten, Sportfunktionäre und Medienvertreter. Das kann den besonderen Zauber, den so sonst nur Olympische Spiele in ihre Gastgeberstädte tragen, auch hier auslösen und dem Sport so einen Weg in die Zukunft weisen.

Einen Versuch ist es allemal wert, erst recht für die Leichtathletik, in der die Funktionäre auch an anderen Stellen mehr richtig machen als anderswo. Das zeigt auch der Umgang mit dem Thema Russland-Doping, bei dem es keine fragwürdigen Begnadigungen gab.

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