Leichtathletik

Die Goldjagd beginnt auf dem Breitscheidplatz

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Dietmar Wenck
David Storl kennt das Berliner Olympiastadion sehr gut. Diese Aufnahme zeigt ihm beim Istaf 2016

David Storl kennt das Berliner Olympiastadion sehr gut. Diese Aufnahme zeigt ihm beim Istaf 2016

Foto: Gregor Fischer / dpa

Der Kugelstoß-Favorit David Storl würde am liebsten auch zum Finale im Stadtzentrum antreten. Und dort das avisierte Gold gewinnen.

Berlin.  Im ersten Moment hielt sich die Begeisterung bei David Storl in Grenzen. Als der 28-Jährige erfuhr, dass die Qualifikation für das Kugelstoß-Finale der EM in Berlin auf dem Breitscheidplatz stattfinden soll, hatte er sofort die Bilder vom Attentat Ende 2016 vor Augen. Wer hätte das nicht? Zwölf Menschen starben dort durch den Terroristen Anis Amri. „Meine Frau war auch besorgt“, sagt der junge Familienvater, „was da passiert ist, das ist eine Riesentragödie, das kann man nicht wegreden.“ Doch dieses mulmige Gefühl ist mittlerweile verschwunden. „Ich glaube nicht, dass so etwas noch mal passieren kann. Es wird genug Sicherheitsvorkehrungen geben“, meint der Polizeimeister jetzt viel ruhiger.

Der erste große Auftritt ging daneben

Stattdessen sind andere Erinnerungen zurückgekommen. An 2009, als er mit 18 Jahren seinen ersten großen internationalen Wettkampf bei den Erwachsenen im Berliner Olympiastadion bestritt. Doch bei jener WM wurde er noch erdrückt von den äußeren Bedingungen. „Das war ein Hexenkessel, ich konnte kaum atmen“, sagt der knapp zwei Meter große Mann. Das sportliche Resultat waren 19,19 Meter – in der Qualifikation gescheitert.

Inzwischen hat Storl so viel gewonnen, wurde zweimal Weltmeister, zuletzt dreimal in Folge Europameister. Er hat in London 2012 eine olympische Silbermedaille gewonnen. Auch beim Istaf ist er häufig angetreten und hat den großen Respekt vor der Berliner Arena längst abgelegt. Eine Zeit lang schien der eher schüchterne Riese beinahe unbesiegbar zu sein. Fast zehn Jahre lang trainierte er unter dem väterlichen Erfolgscoach Sven Lang. Doch irgendwann funktionierte es zwischen den beiden nicht mehr. Storl war immer häufiger verletzt. Und die Erfolge blieben auch aus. 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio landete der Sachse auf Rang sieben, im Jahr darauf bei der WM in London verpasste er sogar das Finale. „Das war sehr frustrierend für mich, dass ich nicht meine Leistung abrufen konnte“, sagt er. Danach reifte die Erkenntnis, dass der so früh so erfolgreiche Sportler noch einmal einen Wechsel brauchte. Er wird seit Beginn des Jahres von dem fast gleichaltrigen Wilko Schaa trainiert.

Wichtiger als Gold ist die Saisonbestleistung

„Das war genau der richtige Schritt“, glaubt Storl, und die Entwicklung gibt ihm recht. Er hat wieder viel mehr Spaß beim Training, ist verletzungsfrei. Schaa, Wissenschaftler am Leipziger Sportinstitut IAT, hat neue Reize gesetzt, legt großen Wert auf die Geschwindigkeit bei der Angleitbewegung zum Stoß. Sein Schützling hat ein paar Kilo abgenommen. Prompt wurden auch die Leistungen besser, vor allem stabiler, das Selbstvertrauen größer. „Ich will in Berlin Gold gewinnen“, gibt Storl mutig als Parole aus, „aber noch wichtiger ist für mich, dass ich meine Saisonbestleistung aufstelle.“ Die steht bei 21,62 Meter, seit er die Kugel am 9. Juli in Biberach so weit stieß.

Bei einem Sportfest mitten in der Stadt also. Deshalb freut sich Storl jetzt auf den Breitscheidplatz, allen anfänglichen Bedenken zum Trotz. Prinzipiell sei das „eine tolle Sache“, so nah am Publikum zu sein. Vor zwei Jahren bei der EM in Amsterdam wurden die Speerwerfer für die Qualifikation aus dem Stadion ausgelagert und schwärmen heute noch von der Atmosphäre. Das Publikum kann den Athleten einen Extraschub verleihen, „aber den“, sagt Storl lässig, „brauche ich in der Qualifikation nicht. 20,40 Meter sollten ohne große Mühe möglich sein“. Und dann fügt er hinzu: „Schade, dass nicht das Finale auch auf dem Breitscheidplatz ist. Das wäre mir noch lieber.“ Die Angst vor dem Terror, sie ist bei David Storl ganz weit weg.