Die Berliner Justiz und Politik geben derzeit ein starkes Stück. In bislang nicht geahnter Schärfe hat Generalstaatsanwalt Dieter Neumann die Einflussnahme Berliner Politiker auf die Staatsanwaltschaft kritisiert. Es geht dabei um eine delikate Angelegenheit. Die Justiz ermittelt gegen zwei amtierende und ein ehemaliges Regierungsmitglied in Zusammenhang mit der Finanzierung des Tempodroms. Politische Verfahren sind immer heikel, da die Staatsanwaltschaft sich zwar gern als unabhängigste Behörde der Welt bezeichnet, auf der anderen Seite aber der politisch geführten Justizverwaltung unterworfen ist. Vorsicht und Zurückhaltung sind daher angesagt. Doch in Berlin ist das Gegenteil der Fall. Seit sechs Monaten erheben sich Spitzenpolitiker bis hin zum Regierenden Bürgermeister dreist über die Justiz und führen sich als oberste Richter auf. Es liege kein Fehlverhalten vor, bekunden sie ebenso unisono wie kenntnislos, denn keiner der politischen Meinungsführer hat Einblick in die Ermittlungsakten. Der Rechtstaat sieht eine eindeutige Gewaltenteilung zwischen Justiz, Politik und Polizei vor. Nichts ist schlimmer als der Eindruck, die Politik mache sich die anderen beiden Gewalten untertan. Genau diesen Vorwurf hat der Generalstaatsanwalt gestern jedoch erhoben. Das ist bedenklich. Besonnene Mitglieder der Regierungskoalition wissen das, finden aber offenbar in den eigenen Reihen kein Gehör.
Das Verhalten - vor allem der SPD - ist unerklärlich. Schon bei der Eröffnung des Verfahrens gegen Strieder und Co. hat die Fraktion einen wütenden Schrei der Empörung losgelassen, Verschwörungstheorien gegenüber der Staatsanwaltschaft halten sich bis heute in der Partei. Dieses Verhalten könnte nun zum genauen Gegenteil dessen führen, was sie durch die lauten Unschuldsbekundungen beabsichtigt. Sollte es zu einer Anklage gegen Finanzsenator Sarrazin kommen, wird es kaum noch möglich sein, ihn im Amt zu halten. Auch wenn der Regierende Bürgermeister um jeden Preis an ihm festhalten will. Ginge Sarrazin, stünde die Koalition mit ihrem Sanierungskurs nach dem Abgang von SPD-Chef Peter Strieder vor einem Trümmerhaufen. Dass es mit Sarrazin ausgerechnet den Senator träfe, der von allen Beteiligten am wenigsten mit dem Tempodrom-Debakel zu tun hat, wäre dabei tragisch - spielt bei der derzeitigen politischen Diskussion jedoch keine Rolle mehr.