Knapp zehn Jahre nach dem ersten gescheiterten Versuch wollen die Länder einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot starten. Die Ministerpräsidenten sprachen sich am Donnerstag bei einem Treffen in Berlin dafür aus, in Karlsruhe ein neues Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten. Das verlautete aus Verhandlungskreisen. Hessen und das Saarland hielten ihre Bedenken aber erneut in einer Protokollnotiz fest, wie es hieß.
Der Bundesrat soll schon in seiner nächsten Sitzung am 14. Dezember 2012 den neuen Anlauf für ein NPD-Verbot beschließen. Das kündigte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) am Donnerstag nach einer Konferenz mit ihren Amtskollegen in Berlin an. Unklar ist aber weiter, ob Bundesregierung und Bundestag bei dem Verfahren mitziehen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sehen Risiken. 2003 war ein erstes NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil Informanten des Verfassungsschutzes (V-Leute) auch in der Führungsebene der NPD tätig waren.
Länderchefs folgten ihren Innenministern
Mit ihrem Votum folgten die Ministerpräsidenten der Empfehlung ihrer Innenminister: Die Ressortchefs hatten am Mittwoch bei einem Treffen in Rostock-Warnemünde einstimmig für einen neuen Verbotsantrag plädiert. Auch dort hatten Hessen und Saarland ihre Bedenken geäußert, den Vorstoß aber mitgetragen.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, er sehe keine Existenzberechtigung für eine Partei, die sich auf Vorväter berufe, die Deutschland in eine Katastrophe geführt hätten.
Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte: „Eine wehrhafte Demokratie muss sich gegen solche Parteien zur Wehr setzen.“ Die Befürchtung, dass die NPD durch einen Verbotsantrag aufgewertet werden könnte, halte er für abwegig.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte Bundestag und Bundesregierung auf, sich einem neuen Anlauf anzuschließen. „Wir haben ein großes Interesse daran, dass hier nicht ein Verfassungsorgan allein agiert“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Donnerstag). Auch die SPD machte Druck und forderte die Bundesregierung auf, das Vorhaben der Länder zu unterstützen. Parteichef Sigmar Gabriel kommentierte auf seiner Facebook-Seite, die Bundesregierung müsse ihr peinliches Lavieren nun beenden.
Bedenken nicht nur bei Merkel und Friedrich groß
Die Bedenken innerhalb der Bundesregierung sind aber groß – nicht nur bei Merkel und Friedrich. Angesichts des Debakels 2003 mahnte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Zurückhaltung. „Die Risiken sind seit dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens nicht unbedingt geringer geworden“, sagte sie der Tageszeitung „Die Welt“. Das V-Leute-Problem sei „noch nicht sicher ausgeräumt“.
Auch im Bundestag gibt es weiter Skeptiker. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), warnte im Radiosender NDR Info: „Dieser Verbotsantrag ist rechtlich hochriskant.“ Friedrich will sich in der Frage nun eng mit den Bundestagsfraktionen abstimmen. Unter anderem will er den Abgeordneten die Materialsammlung gegen die NPD zugänglich machen und das Gespräch mit den Fraktionsspitzen und Innenpolitikern suchen.
Die Länder haben bereits angekündigt, notfalls auch alleine nach Karlsruhe zu ziehen. Formal genügt der Antrag eines Verfassungsorgans - also von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung.
Am Nachmittag wollten sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin treffen. Zum Abschluss war eine Pressekonferenz von Merkel und den Ministerpräsidenten von Thüringen und Schleswig-Holstein, Christine Lieberknecht (CDU) und Torsten Albig (SPD), geplant.
Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern sorgte derweil für Aufsehen: Vor einer Gedenkminute für die Mordopfer der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle im Landtag in Schwerin verließ die NPD-Fraktion am Donnerstag demonstrativ den Saal.