Doris Schröder-Köpf, die Gattin des Altkanzlers, will jetzt selbst Politik machen. Gerhard Schröder ist in Hannover ab sofort zuständig für Trost, Fröhlichkeit, Verpflegung.
Gerhard Schröder muss jetzt nach Hause. Gregor kommt gleich von der Schule. Sein kleiner sechsjähriger Sohn, manchmal sehr eigenwillig. Da sollte man pünktlich sein, nicht länger als nötig im Gasthof sitzen.
Gregor ist kein immerbraves Bilderbuch-Bübchen. Er braucht elterliche Leitplanken. Ansagen. Orientierung. Präsenz. Erziehung eben. Das ist bei den Schröders nicht anders als bei den meisten anderen Eltern. Nur dass sich jetzt einiges ändern wird in Waldhausen, am Rande des hannoverschen Stadtwaldes, wo der frühere Bundeskanzler heute lebt mit Ehefrau Doris, mit Gregor (6) und Victoria (10) und mit einer Katze und einem Hund.
Seit Mittwochabend steht fest, dass die Chefin im Hause Schröder, dass Doris Schröder-Köpf künftig nicht mehr allzu viel Zeit haben wird, um ihrem Gatten und ihren Kindern den Haushalt zu führen; morgens, okay, das wird ab und zu noch klappen mit dem Frühstückmachen.
"Aber nun ist das so"
Aber ab Schulschluss, am Nachmittag, abends und auch in den Ferien wird Gerhard Schröder in der Regel persönlich zuständig sein für Hausaufgaben, Trost, Fröhlichkeit und Verpflegung. Er selbst nennt das, nicht ohne Selbstironie, „ein Experiment mit offenem Ausgang“.
Es sei nicht so, gesteht der frühere Bundeskanzler „Morgenpost Online“, „dass ich mich um diese neue Rollenverteilung gerissen habe. Aber nun ist das so. Und nun mache ich das auch.“
Er wird noch etwas üben müssen. Haushaltslogistik, Brote schmieren, die auch gegessen werden; den Kurzen klare Ansagen machen und die dann auch durchhalten. Das waren bisher nicht so die Stärken des alten Kanzlers, der sich auch nach seiner Amtszeit lieber international getummelt hat als lokal.
Allzu ernst, das weiß man, hat Schröder die Familienarbeit in seinem früheren Leben nicht genommen. Gedöns. Er wird eines Besseren belehrt werden. Da führt wohl kein Weg mehr dran vorbei.
Seine Frau, die diese Heimarbeit bisher zum Großteil geleistet hat, macht jetzt das, was ihr Mann früher gemacht hat: politische Karriere. Die Wahlkreisdelegierten von fünf hannoverschen SPD-Ortsverbänden haben Doris Schröder-Köpf mit glatter Mehrheit und ohne viel Federlesens zu ihrer Direktkandidatin für den Landtagswahlkreis 24 gemacht. Sie haben dafür ihre Rivalin, die altgediente, auch verdienstvolle Abgeordnete und Gewerkschafterin Sigrid Leuschner schmerzvoll abserviert.
Grüne Pickel in Hannover
Sie haben in Kauf genommen, dass es in nächster Zeit noch etwas rappeln wird im sozialdemokratischen Karton. Teile der Parteilinken, des Leuschner-Lagers, bekommen auch in Hannover beim bloßen Nennen des Namens Schröder noch grüne Pickel.
Der größere Teil der Genossen aber, gerade die Führungskräfte, verbindet große Hoffnungen mit Glanz und Blitzlichtgewitter im Süden der Landeshauptstadt. Schröder-Köpf, sagt Spitzenkandidat Stephan Weil, sei „eine Frau von Format“, die „nicht nur viel Erfahrung, sondern auch neue Ideen in die Landespolitik einbringen“ werde.
Diese Frau, so das Kalkül der Genossen, soll zunächst einmal dem hannoverschen CDU-Chef Dirk Toepffer das Direktmandat in dem recht bürgerlich geprägten Wahlkreis 24 abnehmen. Keine Aufgabe, die man mal eben mit links erledigt. Toepffer hatte im Jahr 2008 immerhin zehn Prozentpunkte Vorsprung vor Sigrid Leuschner, das muss man erst mal aufholen.
Zumal in Hannover noch keiner so ganz genau weiß, wie engagiert die örtliche SPD-Basis tatsächlich Wahlkampf für ihren Neuzugang machen wird. In deren Mitgliederversammlungen hatte Doris Schröder-Köpf sich zum Teil sehr kritische Fragen stellen lassen müssen. Mindestens die Hälfte der Teilnehmer war nicht besonders überzeugt von der namhaften Kandidatin.
Talkshoweinsätze, Zeitungsinterviews, Magazingeschichten
In den kommenden Wochen, das kündigt Schröder-Köpf noch am Abend ihrer Wahl an, werde sie deshalb zunächst einmal durch die Stadtteile ziehen, mit den Ortsvereinen sprechen, mit Unterstützern und Skeptikern, mit den Wählern. Ochsentour, zweiter Teil.
„Sehr viele Pflichttermine“ prophezeien ihr die örtlichen Parteichefs. Sehr viele Talkshoweinsätze, Zeitungsinterviews, Magazingeschichten werden hinzukommen, das steht auch schon fest. Gewählt wird in Niedersachsen am 20. Januar 2013. Nimmt man die mit Sicherheit dazukommenden Noteinsätze am heimischen Herd hinzu, dürften das anstrengende zehn Monate werden für die Kandidatin.
SPD-Landesgeschäftsführer Michael Rüter ist sich dennoch sicher, dass sein neues Zugpferd nicht nur für große Schlagzeilen, sondern auch für das Direktmandat gut ist. Eine Absicherung auf der Landesliste, so der Wahlkampfmanager, werde Schröder-Köpf nicht brauchen.
Die Liste werde eher dafür benötigt, SPD-Kandidaten aus den christdemokratisch geprägten Teilen Niedersachsens ins Parlament zu bugsieren. Auch eine Nominierung der gelernten Journalistin bayerischer Herkunft für das Schattenkabinett des SPD-Spitzenmannes Stephan Weil gilt als unwahrscheinlich. Das ginge der 48-Jährigen auch selbst viel zu fix.
Am liebsten auf "Schröder" verzichtet
Doris Schröder-Köpf ist in diesen für sie ziemlich aufregenden Tagen sehr bemüht, Bodenhaftung zu demonstrieren. Sich lieber noch ein bisschen kleiner zu machen. Alles zu vermeiden, was auch nur den Eindruck der Überfliegerin erwecken könnte – das der von der Parteispitze gepamperten früheren Kanzlergattin.
Am liebsten, sagt sie, hätte sie zeitweilig auf ihren Namensbestandteil „Schröder“ verzichtet.
Sie habe den eher als Promi-Malus empfunden denn als Promi-Bonus. Normalität, Kärrnerarbeit, Inhalte. Das sind ihre zentralen Botschaften. Dafür, sagt sie, habe sie regelgerecht gebüffelt.
Den demografischen Wandel, Nachwuchskräftemangel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauenpolitik, auf diesen Feldern will sie sich engagieren. Es passt ganz gut, dass das genau die Felder sind, auf denen auch die in Niedersachsen regierende CDU punkten will.
Ausgleichende Gerechtigkeit
Das große Demografie-Konzept der Regierung soll am 10. April vorgestellt werden. Das werde ja auch Zeit, sagt Doris Schröder-Köpf schon ziemlich angriffslustig, andere Bundesländer seien längst weiter.
Niedersachsens schwarz-gelbe Regierung um Ministerpräsident David McAllister habe dagegen rein gar nichts dafür getan, dass deren gesellschaftliche Potenziale besser genutzt werden.
McAllisters Vorvorvorvorgänger lächelt ein sehr mildes Gerhard-Schröder-Lächeln, so mit den Mundwinkeln ein bisschen nach unten, wenn seine Frau derartige Attacken gegen den politischen Gegner führt.
Er verweist dann gerne auf Renate Schmidt, seine frühere Familienministerin, die sich auf diesen politischen Feldern ja sehr hervorgetan habe. Er selbst – nun ja –, Gerhard Schröder steht zumindest zu einem Teil seiner politischen Defizite. Insofern ist die neue Karriereplanung seiner Frau vielleicht auch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit.