Dichte Rauchwolken wehen über die Siedlung, als Schüsse der syrischen Armee das Minarett der Uthman-Bin-Afan-Moschee treffen. Steinbrocken und Schutt fallen auf die niedrigen Wohnblocks.
Wenige Sekunden später bricht der weiß getünchte Turm in sich zusammen. "Allahu Akbar", schreien die Menschen. Ein Einwohner der Stadt Deir Asur im Osten Syriens hat die Bilder mit seiner Handy-Kamera mitgeschnitten und anschließend ins Internet gestellt.
Für den Aufstand in Syrien spielen die Moscheen eine wichtige Rolle; mit dem Angriff will die Regierung die Protestbewegung schwächen. "Die Menschen sind sehr zornig", sagt Fadi, ein Apotheker in Deir Asur.
Fünf Monate Kampf gegen die eigene Bevölkerung
"Sobald die Armee abzieht, wird die ganze Stadt auf die Straße gehen." Es ist nicht möglich, diese Bilder und die Berichte zu prüfen. Syrien lässt nach wie vor keine unabhängige Berichterstattung zu.
Seit mittlerweile fünf Monaten versucht das autoritäre Regime von Präsident Baschar al-Assad mit allen Mitteln, die Protestbewegung niederzuschlagen.
Nun, zu Beginn des Fastenmonats Ramadan, hat die Armee ihre Offensive noch ausgeweitet. Allein in der Nacht zu Donnerstag kamen nach Angaben von Aktivisten landesweit 27 Menschen ums Leben. An der türkischen Grenze stürmte die Armee mehrere Dörfer.
Zusätzlich rückten Panzer in einigen Vororten der Industriestadt Homs ein und eröffneten das Feuer; Berichten zufolge starben allein dort 18 Menschen. Am Mittwoch hatten staatliche Medien behauptet, das Militär sei aus der Stadt Hama abgezogen. "Nun sind auch in Hama erneut mehrere Wohnsiedlungen bombardiert worden", sagt der syrische Menschenrechtler Wissam Tarif.
Panzer schießen wahllos auf Wohnviertel
"Der Zweck dieser Operationen ist, die Mauer der Angst wieder neu aufzubauen." In Deir Asur versuchen Demonstranten wie der Apotheker Fadi ihr Möglichstes, um die friedlichen Proteste trotz der Belagerung in Gang zu halten. "Die Stadt steht nun vollständig unter Kontrolle des Militärs", sagt er.
"Panzer rollen durch die Straßen, sie schießen wahllos auf die Wohnviertel. Zudem ziehen Sicherheitskräfte von Haus zu Haus. Sie fahnden vor allem nach gebildeten Menschen, Anwälten, Ärzten, die in ihrer Nachbarschaft eine Führungsrolle haben."
Nicht nur die Härte der Repression, sondern auch der Rhythmus der Demonstrationen hat sich mit dem Beginn des Ramadan verändert: Statt wie bisher meist freitags sammeln sich die Regimegegner jede Nacht nach dem Fastenbrechen zu Protesten.
Die Moscheen sind in Syrien der einzige Ort, an dem sich Menschen treffen können, ohne gleich den Repressionen der Sicherheitskräfte ausgesetzt zu sein.
Angriffe auf Moscheen sind ein Spiel mit dem Feuer
Die gezielten Angriffe auf sunnitische Moscheen sind für das Regime ein Spiel mit dem Feuer, denn der Assad-Clan und viele hohe Offiziere gehören zur alawitischen Minderheit.
Die Protestbewegung dagegen ist, ebenso wie die Bevölkerung insgesamt, überwiegend sunnitisch.
Mit dem wachsenden Hass der Bevölkerung nimmt auch der politische Druck auf die Regierung zu. In Damaskus forderten 41 frühere Mitglieder der regierenden Baath-Partei und Regierungspolitiker ein Ende der Militär-Operationen und die Einleitung eines demokratischen Übergangs.
Beobachter sind sich uneins, was die Initiative bedeutet. Einige halten sie für den Beleg einer Spaltung des Regimes. Andere sehen es als Versuch der Regierung, der internationalen Gemeinschaft Reformbereitschaft vorzutäuschen.
Türkei verliert langsam die Geduld
Zuletzt hatten nicht nur westliche Staaten, sondern erstmalig auch die Führer mehrerer arabischer Länder Assad scharf kritisiert. Selbst die Türkei, einst enger Verbündeter Syriens, scheint allmählich die Geduld zu verlieren.
Außenminister Ahmet Davutoglu warnte den Präsidenten bei seinem Besuch in Damaskus am Dienstag davor, weiter die Armee gegen sein Volk einzusetzen. Die USA verhängte Sanktionen gegen die staatliche Commercial Bank of Syria und den Mobilfunkanbieter Syriatel.
Europäische Diplomaten haben Assad zudem indirekt mit UN-Sanktionen gedroht. Bislang scheinen diese Maßnahmen allerdings keinerlei Wirkung zu zeigen.
USA erwägen Rücktrittsforderung
Angesichts des gewaltsamen Vorgehens der syrischen Regierung gegen die Protestbewegung werden die USA voraussichtlich in Kürze den Rücktritt von Assad fordern. Wie aus der US-Regierung verlautete, könnte der Schritt noch am Donnerstag erfolgen.
"Die Vereinigten Staaten ziehen in Erwägung, ausdrücklich zum Rücktritt Assads aufzurufen", sagte ein Regierungsvertreter. Dies sei Teil von Schritten, die dazu dienten, "den Druck angesichts der anhaltenden Brutalität des Assad-Regimes zu erhöhen".