Ukraine-Konflikt

Ölleck als Ausrede: Warum dreht Putin wirklich das Gas ab?

| Lesedauer: 5 Minuten
Christian Kerl
Gaslieferung durch Nord-Stream-Pipeline bleibt für unbestimmte Zeit unterbrochen

Gaslieferung durch Nord-Stream-Pipeline bleibt für unbestimmte Zeit unterbrochen

Die Lieferung von russischem Gas nach Deutschland durch die Nord-Stream-Pipeline bleibt auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Gazprom teilte am Freitagabend mit, es sei ein Ölleck an einer Turbine entdeckt worden, weshalb Reparaturarbeiten notwendig seien. "Bis zur Reparatur (...) ist die Lieferung von Gas via Nord Stream komplett eingestellt", erklärte der russische Energiekonzern. Angaben zur Dauer der Reparatur machte Gazprom nicht.

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Die Begründung für den Gas-Lieferstopp über Nord Stream 1 ist unglaubwürdig. Ein Warnschuss Moskaus? Was wohl in Wahrheit dahinter steckt.

Berlin/Brüssel. 
  • Russland dreht Deutschland endgültig den Gashahn ab: Es wird kein Gas mehr über die Pipeline Nord Stream 1 geliefert
  • Angeblich ist ein Leck der Grund für die erneute Abschaltung der Pipeline
  • Doch was steckt wirklich dahinter?

Nach dem verlängerten Stopp der russischen Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ist völlig unklar, ob und wann wieder Russland die Leitung wieder in Betrieb nehmen wird. International ist die Empörung über das Verhalten Moskaus groß: Die Spannungen nehmen zu, auch weil der Westen weniger für russisches Gas und Öl bezahlen will.

Der staatliche Energiekonzern Gazprom hatte am Freitagabend angekündigt, dass die Gaslieferungen über Nord Stream 1 nach einer angeblichen Wartungspause an der Pumpstation Protowaja nicht wie geplant am Samstag wieder aufgenommen werden. Als Grund wurde ein Ölleck an einer Turbine genannt. Bis das Leck gestoppt sei, könne kein Gas mehr fließen. Zwar erklärte Gazprom am Samstag, die nach Europa gelieferte Gasmenge über eine durch die Ukraine führende Pipeline leicht zu erhöhen – das Plus von etwa 1,4 Million Kubikmeter Gas am Tag entspricht aber nur vier Prozent der Menge, die bislang durch Nord Stream 1 geflossen war.

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Turbinen-Hersteller: Kein Grund für Einstellung des Betriebs von Nord Stream 1

Das Unternehmen Siemens Energy bestreitet indes die Notwendigkeit einer Abschaltung: „Als Hersteller der Turbinen können wir lediglich feststellen, dass ein derartiger Befund keinen technischen Grund für eine Einstellung des Betriebs ist“, erklärte das Unternehmen. Die Leckage könne vor Ort abgedichtet werden, ohne den Betrieb der Turbine zu beeinträchtigen. So wurde es nach Unternehmensangaben auch in früheren Fällen gehandhabt. Siemens Energy erklärt zudem, es stünden genug zusätzliche Turbinen zur Verfügung.

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Ist das Ölleck also nur eine Ausrede für ein politisches Manöver von Russlands Präsident Wladimir Putin? Die Bundesnetzagentur betonte am Samstag: „Die von russischer Seite behaupteten Mängel sind technisch kein Grund für die Einstellung des Betriebs.“ Der Chefsprecher der EU-Kommission, Eric Mamer, sagte, Gazprom lege Nord Stream „unter falschen Vorwänden“ still – dies sei „ein weiterer Beleg für die Unzuverlässigkeit als Lieferant“ und ein „Beweis seines Zynismus“. EU-Ratspräsident Charles Michel warf Russland vor, „Gas als Waffe“ einzusetzen. Der Schritt von Gazprom sei keine Überraschung, werde an der Entschlossenheit der EU aber nicht ändern.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium beklagte die „Unzuverlässigkeit“ Russlands, verzichtete aber auf einen Protest. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte schon im Vorfeld von einer „Farce um die Turbine“ gesprochen und klar gemacht, dass er die Gazprom-Darstellungen für unglaubwürdig hält. Für den Verdacht eines Vorwands spricht nicht nur die Klarstellung der Siemens-Techniker - Äußerungen der russischen Seite in den vergangenen Tagen sprechen dafür, dass Moskau die Stimmung gezielt angeheizt hat. Die russische Regierung hatte verstärkt technische Probleme beklagten und die Verantwortung dafür dem Westen zugewiesen.

Name Wladimir Wladimirowitsch Putin
Geburtsdatum 7. Oktober 1952
Geburtsort Sankt Petersburg
Sternzeichen Waage
Amt Präsident der Russischen Föderation
Im Amt seit 2000 (Unterbrechung von 2008 bis 2012)
Familienstand Geschieden, mindestens zwei Kinder
Größe ca. 1,70 Meter

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Mehr noch: Kurz vor dem Ölfleck-Alarm drohte Russland offen mit einem Stopp seiner Gaslieferungen – und von Öllieferungen gleich mit. Der Grund: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plädierte am Freitag wegen der hohen Energiepreise für einen Preis-Deckel auf russisches Erdgas. Die EU-Mitgliedstaaten müssten sich darauf verständigen, weniger für das Gas zu bezahlen. Der Plan wird nach Informationen unserer Redaktion schon am kommenden Freitag beim Sondertreffen der EU-Energieminister beraten. Der Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, warnte, für den Fall eines solchen Preisdeckels werde Russland die Gaslieferungen einstellen: „Es wird einfach kein russisches Gas in Europa geben.“ Ist der Stopp bei Nord Stream 1 also ein Warnschuss?

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Bei russischen Öllieferungen droht jetzt ebenfalls neuer Ärger

Eine ähnliche Krise zeichnet sich beim Öl ab. Die Finanzminister der G7-Gruppe westlicher Industriestaaten kündigten am Freitag einen Preisdeckel für russisches Öl an. Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, die USA, Kanada und Japan wollen durchsetzen, dass Russland weniger an seinen Ölverkäufen verdient – so soll laut Erklärung Russlands Fähigkeit, den Krieg zu finanzieren, geschwächt werden. Auch hier reagierte Moskau umgehend mit einer Drohung: Sollten die Pläne umgesetzt werden, würden die Lieferungen eingestellt.

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In den Staaten der Europäischen Union sind Ölimporte aus Russland ab Jahresende ohnehin weitgehend verboten. Bei Gas ist die Versorgung in Deutschland nach Darstellung der Bundesregierung auch ohne Nord Stream 1 gesichert. Die Bundesnetzagentur betont: „Aufgrund der verstärkten Maßnahmen der vergangenen Monate ist Deutschland auf einen Ausfall der russischen Lieferungen mittlerweile besser vorbereitet“. Die Befüllung der Gas-Speicher für den Winter soll deshalb weitergehen, ohne Gas aus der Nord Stream-Pipeline. Daten der Netzagentur zeigen: Als Nord Stream 1 noch in Betrieb war, machte russisches Gas nur noch ein Zehntel der insgesamt in Deutschland importierten Gasmenge aus.