Kommentar

Der Ärger der Bahnkunden auf die GDL wächst völlig zurecht

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Thomas Fülling

Foto: Soeren Stache / dpa

Klar, dass die Bahnkunden verärgert sind, meint Thomas Fülling. GDL-Chef Weselksky verkündet seine Streikpause im Duktus eine autoritären Herrschers. Es braucht einen Kompromiss.

Keine Frage: Die vergangene Woche war für alle Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel wahrlich kein Vergnügen. Fernzüge fielen gleich reihenweise aus, die wenigen S-Bahnen, die noch fuhren, waren proppenvoll, und auch in der U-Bahn reichte die Luft oft kaum zum Atmen. Und auch, wer alternativ mit dem Auto zur Arbeit fuhr, musste sich meist durch lange Staus auf den Straßen quälen. Der längte Lokführerstreik in der Geschichte der Bahn hat Wirkung gezeigt.

Und doch: Anders als von den GDL-Funktionären erhofft, brach der Nahverkehr in Berlin nicht zusammen. Das ist zuallererst ein Verdienst der Mitarbeiter der landeseigenen Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die alles auf die Schiene oder die Straße brachten, was rollen konnte. Bis zu 60 Prozent mehr Fahrgäste haben die Busse und Bahnen der BVG in Spitzenzeiten transportieren müssen. Insgesamt wurden etwa sechs Millionen Fahrgäste zusätzlich befördert. Nicht immer komfortabel und pünktlich, aber doch verlässlich.

Auch die S-Bahn stand nicht still. Im Gegenteil: Der Notfahrplan, der einen Betrieb auf sieben von 15 Linien vorsah, funktionierte verlässlich. Weil mehr Lokführer als erwartet sich zur Arbeit meldeten, konnte die Bahntochter ihr Angebot sogar schrittweise ausweiten. Am Ende ist die S-Bahn nicht 30, sondern gut 35 Prozent ihres Normalniveaus gefahren. Das muss sich auch bis zum GDL-Chef Claus Weselksky rumgesprochen haben.

Erklärte er noch am Freitag, der Ausstand sei ein „absoluter Erfolg“ gewesen und neue Streiks nicht ausgeschlossen, verkündete er am Sonntag eine längere Streikpause. Das Land und die Bahnkunden hätten sich eine Pause verdient, ließ sich Weselksy zitieren – im Duktus eines autoritären Herrschers, der seinem Untertanen ein paar Brosamen gönnt.

Der Meinungswandel hat seine Gründe. Angesichts der enormen volkswirtschaftlichen Schäden und des Eingreifens in das Leben von Millionen Menschen wird nicht die Kritik von außen am Vorgehen der GDL stetig größer, auch in den eigenen Reihen wächst der Unmut. Denn auch nach dem achten „Warnstreik“ innerhalb von zehn Monaten stehen die Lokführer faktisch mit leeren Händen da. Was vor allem an der Strategie der GDL selbst liegt, die in aggressiver Weise um Mitglieder und eine Ausweitung ihrer Machtbereichs kämpft.

Statt sich mit der größeren Eisenbahnergewerkschaft EVG gemeinsam um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Entgelte für alle Bahn-Beschäftigten zu mühen, versucht die Lokführergewerkschaft eigene Tarifabschlüsse für möglichst viele Berufsgruppen zu erzielen. Das mag nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zulässig sein, doch ist dies auch vernünftig?

Die Forderungen der GDL können gefährlich werden

Kein Arbeitgeber kann ein Interesse daran haben, gleiche Arbeit unterschiedlich nach Gewerkschaftsbuch zu entlohnen. Der Betriebsfrieden wäre dauerhaft in Gefahr. Und kommt die GDL erst einmal damit durch, wäre ein Präzedenzfall für allen anderen Wirtschaftsbereiche geschaffen. Überall werden neue Sparten-Gewerkschaften wie Pilze aus dem Boden schießen und mit immer absurderen Forderungen um Mitglieder werben. Dies kann selbst einem Staatskonzern wie der Deutschen Bahn in kürzester Zeit die wirtschaftliche Existenzgrundlage zerstören.

Die jüngsten GDL-Streiks bescherten den Fernbus-Anbietern, dem inzwischen wichtigsten Konkurrenten der Deutschen Bahn im Fernreiseverkehr, bereits bis zu 150 Prozent mehr Kunden. Ein nicht geringer Teil, so sind sich viele Experten einig, dürfte der Bahn dauerhaft verloren gehen. Noch größer dürfte der Imageschaden im Güterverkehr sein, wo große Unternehmen ihre Transporte gleichfalls zu privaten Eisenbahnen oder auf die Straße verlagern. Weniger Züge heißt über kurz oder lang aber auch weniger Lokführer.

Wer wirklich etwas erreichen will, muss zu Kompromissen bereit sein. Es ist zu hoffen, dass sich diese Binsenweisheit bei allem rhetorischen Getöse jetzt auch bei der GDL durchsetzt. Das Land und die Bahnkunden würden es ihr danken.