Der tödliche Angriff auf das US-Konsulat in Libyen war ein Racheakt für die Tötung der Nummer zwei des Terrornetzwerks Al-Qaida. Das erklärte die Gruppe Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) laut dem auf die Überwachung islamistischer Websites spezialisierten US-Unternehmen Site. Die Angriffe auf diplomatische Einrichtungen aus Protest gegen ein islamfeindliches Video dauerten am Sonnabend an.
Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel erklärte, die Tötung des ihres Vizechefs, des Libyers Abu Jahja al-Libi, im Juni in Pakistan habe die „Söhne von (Libyens Unabhängigkeitshelden) Omar al-Mochtar“ erst richtig angefeuert und sich bei jenen rächen lassen, „die unseren Propheten angreifen“. Direkte Verantwortung für den Angriff, bei dem der US-Botschafter Christopher Stevens getötet wurde, übernahm die Organisation nicht.
Der Ableger der Al-Qaida rief Muslime weltweit zu weiteren Angriffen auf US-Botschaften auf. Ziel solle sein, „die Botschaften Amerikas aus muslimischen Ländern hinauszuwerfen“, hieß es. Diejenigen, die Botschaften angriffen, sollten dies nach dem Vorbild der Libyer tun, die den US-Botschafter getötet hätten. Dies sei „das beste Beispiel“ für derartige Angriffe. Die muslimischen Nationen sollten ihre Proteste fortsetzen, „um diese Botschaften in lodernde Flammen zu setzen“.
Innenminister will Vorführung von verhindern
Begonnen hatten die Proteste in der Nacht zum Mittwoch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo sowie im libyschen Bengasi wegen eines als Beleidigung des Propheten Mohammed empfundenen Amateurfilms, der in den USA produziert wurde. Die rechtsextreme Partei „Pro Deutschland“ will laut einem Bericht von „Spiegel Online“ den Film „Die Unschuld der Muslime“ nun in Berlin zeigen. Einen Trailer zu dem Film habe die Partei bereits auf ihre Internetseite gestellt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verurteilte das Vorgehen und nannte es „grob fahrlässig“. „Pro Deutschland“ besteht jedoch auf die Vorführung des Films und beruft sich dabei auf die Meinungsfreiheit.
Insgesamt kam es offenbar aufgrund des Videos in mehr als 20 muslimischen Ländern von Nordafrika bis Südostasien zu Protesten und Gewalt. Am Sonnabend gab es auch vor dem US-Konsulat in Sydney Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und rund 200 Demonstranten. Die australische Polizei setzte Pfefferspray ein, acht Menschen wurden festgenommen. Insgesamt sechs Polizisten wurden nach Angaben der Behörden bei den Auseinandersetzungen verletzt, zwei mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Zwei Demonstranten wurden wegen Hundebissen, 17 weitere wegen Reizungen durch das eingesetzte Pfefferspray behandelt.
Beamte der US-Behörde für Bewährungsstrafen vernahmen am Sonnabend den mutmaßlichen Urheber des islamfeindlichen Mohammed-Films. Ein Sprecher der Polizei von Los Angeles erklärte, die Unterredung mit dem 55-jährigen Nakoula B. habe in einer Polizeiwache von Los Angeles stattgefunden. Er sei nicht festgenommen worden und freiwillig zur Wache gekommen, die in der Nähe seines Wohnorts in Südkalifornien liegt, teilten die Behörden mit. Er steht derzeit nach einer Verurteilung wegen Bankbetrugs unter Bewährung.
Am Freitag hatten aufgebrachte Muslime auch die deutsche Botschaft im Sudan angegriffen. Mehrere Hundert wütende Demonstranten stürmten in der Hauptstadt Khartum die deutsche Vertretung und steckten einen Teil des Gebäudes sowie ein Auto und Mülltonnen in Brand, bevor sie von der Polizei unter Einsatz von Tränengas wieder vertrieben wurden. Auch die nahe gelegene britische Botschaft war Ziel von Angriffen.
Einem Medienbericht zufolge waren die Proteste offenbar geplant worden. Nach den Freitagsgebeten kam es in zahlreichen Städten zwischen Tunesien und Pakistan zu teilweise schweren Ausschreitungen, nachdem muslimische Geistliche dazu aufgerufen hatten, den Glauben zu verteidigen. Dabei kamen vier Menschen ums Leben.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die jüngsten Angriffe auf diplomatische Vertretungen in mehreren muslimischen Ländern „auf das Schärfste“ verurteilt. Man sei „in tiefer Sorge“, hieß es in einer Erklärung.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) drohte mit „weiterreichenden Konsequenzen“ bei anhaltenden Angriffen radikaler Muslime auf westliche Botschaften. „Wir wollen, dass unsere Auslandsvertretungen und die unserer Partner geschützt sind“, sagte Westerwelle auf dem Landesparteitag der Thüringer FDP. Länder mit deutschen Botschaften müssten deren Schutz in vollem Umfang gewährleisten, wie es internationalem Recht entspreche. Die Gewalt sei durch nichts zu rechtfertigen, auch nicht durch ein „schäbiges“ islamfeindliches Internetvideo, sagte Westerwelle.