Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat kritisiert, dass bei Großprojekten wie etwa Stuttgart 21 die Kosten zu Beginn kleingerechnet werden. „Es wäre auch nicht schlecht, wenn bei Großprojekten die Kostenschätzungen mal einigermaßen stimmen würden“, sagte die CDU-Vorsitzende vor etwa 2500 CDU-Anhängern bei einer Regionalkonferenz ihrer Partei in Heilbronn. Sie appellierte an die Träger solcher Vorhaben: „Sagt am Anfang den richtigen Preis“, dann sei die Enttäuschung hinterher nicht so groß. Auch wegen dieser Fehler falle es der Politik oft schwer, die Projekte zu verteidigen.
Auch bei Stuttgart 21 mussten die Finanziers Bahn, Land und Stadt die Kosten nach oben korrigieren: Der Umbau des Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und die Anbindung an die ICE-Strecke nach Ulm sollten ursprünglich 2,8 Milliarden Euro kosten – später wurde dies auf 4,1 Milliarden Euro erhöht. Auch die Kosten für die neue Schnellbahnstrecke von Wendlingen (Kreis Esslingen) nach Ulm wurde von zuerst 2 Milliarden auf 2,9 Milliarden Euro nach oben berichtigt.
Baden-Württemberg brauche das Bahnprojekt Stuttgart 21, um verkehrlich und wirtschaftlich nicht abgehängt zu werden, sagte Merkel. „Das ist kluge Zukunftspolitik, wie wir sie brauchen.“ Hier müsse die CDU standhaft bleiben. „Wir müssen schon an dieser Stelle sagen, was wir wollen.“ Sie begrüßte, dass an diesem Freitag die Schlichtung über Stuttgart 21 beginnt, da es in der Kommunikation zuvor Fehler gegeben habe. „Das Gespräch ist richtig, wichtig und notwendig.“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte zuvor die Grünen scharf attackiert. „Im Gegen-etwas-sein sind sie Weltmarktführer“, sagte Mappus. Mit ihrem Widerstand gegen das Bahnprojekt hemmten die Grünen den Wohlstand im Land. „Wer Technikfeindlichkeit sät, der sägt am Rückgrat unseres Landes.“ Auch Merkel monierte, dass die Befürworter des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zugleich Front gegen den Bau von dafür nötigen Starkstromleitung machen. „Da passt etwas nicht zusammen.“ Merkel versicherte Mappus ihre Unterstützung für die Landtagswahl am 27. März 2011. „Ich werde alles dafür tun, dass er das bleibt, was er ist, weil er Baden-Württemberg gut tut.“ Das Treffen in Heilbronn war die fünfte von sieben CDU-Regionalkonferenzen bundesweit.
Tausende demonstrieren in Stuttgart
Mit einem Lauf durch den Stuttgarter Schlosspark und einer anschließenden Kundgebung am Marktplatz haben mehrere tausend Menschen für „Stuttgart 21“ demonstriert. Polizei und Organisatoren berichteten übereinstimmend von rund 5.000 Teilnehmern. Der siebte Befürworterlauf sowie die Kundgebung unter dem Motto „Zeit zu reden„ verliefen ohne Zwischenfälle. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) dankte den Teilnehmern für ihr Engagement. Es mache deutlich, dass die Befürworter die Mehrheit seien, sagte er.
Er begrüßte die am Freitag beginnenden Schlichtungsgespräche. „Ich hoffe, dass wir dann mehr Klarheit über die Fakten haben und das Vertrauen bei den Bürgern in das Projekt wächst“, sagte er. Auch nach den Vermittlungsgesprächen müsse der Dialog weitergehen. Nach dem Abschluss der Schlichtung Ende November werde ein „Bürgerforum„ eingerichtet, wohin jeder Bürger mit seinen Fragen kommen könne, kündigte er an. Im Anschluss wollte ein Teil der Demonstranten zum Bauzaun am Hauptbahnhof ziehen, um mit Gegnern über das Bahnprojekt ins Gespräch zu kommen.
Gerade zu Beginn der Schlichtungsgespräche wollten die Befürworter zeigen, dass sie auf die Gegner zugehen wollten, sagte der Initiator der Aktion, Matthias Kauffmann. Am vergangenen Donnerstag hatten Veranstalterangaben zufolge 400 Personen friedlich am Bauzaun über das umstrittene Bahnprojekt diskutiert. Gegner und Befürworter des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ treffen sich am Freitag (22. Oktober) zu einem ersten Schlichtungsgespräch. Bei dem Treffen geht es um die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens „Stuttgart 21“ und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Es wird vom ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler moderiert, der den Runden Tisch erst nach zähem Ringen organisieren konnte.