Schwere Attacken aus der Wissenschaft auf den Minister. Er stehe “für immer am Pranger“. In Bayreuth spricht man von “Realitätsverlust“.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) schlägt wegen seiner Plagiatsaffäre eine Welle der Empörung aus der Wissenschaft entgegen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft verurteilte das Kopieren fremder Texte ohne Hinweis in Guttenbergs Doktorarbeit.
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, warnte vor der Verharmlosung von Plagiaten als Kavaliersdelikt. „Wissenschaftler teilen ihre Ideen und Erkenntnisse, sie führen sie gemeinsam weiter, aber sie entwenden sie nicht“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“. Der frühere DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker sieht Guttenberg wissenschaftlich „für immer am Pranger“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle legte mit scharfer Kritik nach. „Der Minister leidet unter Realitätsverlust“, sagte der Bayreuther Staatsrechtsprofessor Oliver Lepsius der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat.“ In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk verstärkte Lepsius seine Kritik noch: Das politische Berlin müsse sich fragen, ob Guttenberg für sein Amt geeignet sei.
Guttenberg habe „planmäßig und systematisch“ wissenschaftliche Quellen zum Plagiat zusammengetragen und behaupte nicht zu wissen, was er tue. Mehrere Juristen gehen davon aus, dass Guttenberg bei der Verwendung fremder Texte mit Vorsatz gehandelt hat.
„Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in so einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war“, sagte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend dem „Spiegel“. Der auf Streitfälle bei Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert erklärte im Magazin: „Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan.“
SPD-Chef unterstellt dem CSU-Politiker Vorsatz
Guttenberg hatte „gravierende Fehler“ in seiner Dissertation eingeräumt, wissentliches Tun aber bestritten. Die Universität Bayreuth erkannte seinen Doktortitel ab und prüft derzeit, ob er vorsätzlich handelte.
SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstellte dem Minister Vorsatz und legte dem Minister erneut einen Rücktritt nahe. „Würde er zurücktreten, könnte er in einigen Jahren seine Karriere fortsetzen. So bleibt er für immer beschädigt“, sagte er der „Bild am Sonntag“.
„Herr zu Guttenberg ist jetzt ein Minister auf Abruf, ein Minister von Merkels Gnaden. Er ist am Kabinettstisch auf das Mitleid des Finanzministers und der Kanzlerin angewiesen, wenn er etwas für die Bundeswehr durchsetzen will“, sagte Gabriel. Damit sei der Verteidigungsminister „zum Risiko für die Bundeswehr geworden“.
Gabriel sagte, eine sachliche Zusammenarbeit mit Guttenberg beim Afghanistan-Einsatz oder der Bundeswehrreform werde „sicher sehr, sehr schwer“. Auch sei für die SPD die Plagiatsaffäre nicht erledigt, weil Guttenbergs „sogenannte Entschuldigung“ schon wieder den Verdacht nahelege, „dass er lügt“. Der Verteidigungsminister behaupte, er habe unwissentlich Fehler gemacht. „Aber niemand kann ernsthaft glauben, dass jemand unwissentlich auf 286 von 396 Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt.“
Für Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch verdichten sich die Vorwürfe bewusster Täuschung. „Guttenbergs Verteidigungsstrategie bricht zusammen.“ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hat angesichts zunehmender Vorwürfe Zweifel am politischen Überleben Guttenbergs. „Ich weiß nicht, wie lange er das erträgt und aushalten kann. Ich hätte wahrscheinlich nicht die Kraft, das längere Zeit durchzuhalten“, sagte er dem „Tagesspiegel“. „Ich halte das Verhalten des Doktoranden zu Guttenberg weder für legitim noch für ehrenhaft.“
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) traut Guttenberg dagegen noch viel zu. Guttenberg habe „noch eine lange, große Laufbahn“ vor sich, sagte Schäuble dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Mein junger Kollege wird sich wieder erholen.“ Die Affäre werde sich erledigen.
Mappus: Guttenberg ist ein ausgezeichneter Verteidigungsminister
In einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigen sich zahlreiche Doktoranden empört darüber, dass Merkel gesagt hatte, sie habe keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt. Sie sprachen von Verhöhnung ehrlicher Doktoranden.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) verteidigte Guttenberg in der "Welt am Sonntag". Mappus sagte: „Er hat damals einen Fehler gemacht, aber daraus die Konsequenzen gezogen und sich entschuldigt. Er ist ein ausgezeichneter Verteidigungsminister, der in Deutschland und Afghanistan alle Hände voll zu tun hat.“
Mappus eigene Promotion ruht zur Zeit: „Ich habe zwar die Promotion angestrebt, aber im Alter von 32 Jahren hatte ich die einmalige Chance, Staatssekretär zu werden, war also nicht mehr wie Guttenberg seinerzeit normaler Abgeordneter. Daher ruht sie, und ich plane auch derzeit keine Wiederaufnahme, weil ich davon ausgehe, dass ich in dem Amt des Ministerpräsidenten auch in den nächsten Jahren dafür keine Zeit habe.“
dpa/dapd/Reuters/omi/ws