Die dramatische Fachkräftelücke kostet die Gesellschaft nach Angaben von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) jährlich Milliarden. So habe der Personalmangel allein im Krisenjahr 2009 zu Wohlstandsverlusten von etwa 15 Milliarden Euro geführt, sagte Brüderle in Berlin.
Aktuell fehlen nach Angaben des Bundes 36.000 Ingenieure und 66.000 Computerspezialisten. Die Regierung plant nun, Berufsabschlüsse von bereits in Deutschland lebenden Zuwanderern schneller anzuerkennen. Davon könnten etwa 300.000 Personen profitieren. Brüderle kündigte eine neue Datenbank an, in der ausländische Bewerber ihre Abschlüsse bewerten lassen können. Das Internetportal werde voraussichtlich Ende des Jahres starten.
Der Wirtschaftsminister will bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels zweigleisig fahren: „Wir müssen inländische Potenziale besser ausschöpfen und durch intelligente Integrationspolitik ausländische Fachkräfte gewinnen.“
Der FDP-Politiker setzte sich zudem erneut für eine Reduzierung der Einkommensgrenze von derzeit 66.000 Euro ein, um mehr hoch qualifizierte Ausländer mit einem dauerhaftem Bleiberecht ins Land holen zu können. „Wir sind der Meinung, dass man das auf 40.000 Euro absenken sollte.“ Mit Blick auf die provokanten Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer erklärte Brüderle, Zuwanderung dürfe sich nicht nach Herkunft und Religion richten. „Wir entscheiden nach Qualität.“
Im ZDF-„Morgenmagazin“ hatte Brüderle zuvor gesagt: „Das ist meines Erachtens Stimmungsmache.“ Dies bezog sich auf die Interview-Äußerung Seehofers, Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern täten sich schwerer bei der Integration. Daraus ziehe er den Schluss, „dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen“.
Brüderle hatte am Montagmorgen im ZDF für ein Punktesystem für Einwanderer geworben. Zur Deckung des Fachkräftebedarfs brauche es „qualifizierte Zuwanderung mit einem Punktesystem etwa wie Kanada.“ Brüderle plädierte auch für eine „Willkommenskultur“ und attraktivere Bedingungen für ausländische Fachkräfte. „Wir sind offensichtlich in den bürokratischen Abwicklungen unattraktiv und wir sind offenbar auch in den Nettoeinkommen nicht so attraktiv.“
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir geht fest davon aus, dass die Zuwanderung von Fachkräften künftig per Punktesystem geregelt wird. Schon die rot-grüne Bundesregierung habe einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, dafür aber keine Mehrheit bekommen, sagte er im „Morgenmagazin“ des ZDF. „Wir werden in den nächsten Jahren, wahrscheinlich früher als später, ein Zuwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild mit Punktesystem bekommen. Ich gehe jede Wette ein.“